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RVG Entscheidungen

Nr. 4141 VV

Verfahrensgebühr; Berufungsverfahren; Befriedungsgebühr

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Köln, Beschl. v. 3. 1. 2007, 111 Qs 30/07

Fundstellen:

Leitsatz: Die Berufungsverfahrensgebühr und die Befriedungsgebühr sind dem Grunde nach bereits entstanden, wenn der Verteidiger Gespräche mit der Staatsanwaltschaft geführt hat, mit dem Ziel, die Rücknahme des eingelegten Rechtsmittels zu erreichen. Bei einem geringen Umfang und einer leichteren Tätigkeit gegenüber einem üblichen Berufungsverfahren ist jedoch bei einem Gebührenrahmen von 70 - 470 € nur eine Gebühr von 120 € angemessen.


111 Qs 30/07
50 Ds 618/06 AG Brühl

03.01.2007


Landgericht Köln

Beschluss




In der Strafsache


……………………


wegen

gefährlicher Körperverletzung
Auf die sofortige Beschwerde der Freigesprochenen wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Brühl vom 14.12.2006 - 50 Ds 618/05 - teilweise abgeändert.
Die der Freigesprochenen gemäß § 467 StPO aus der Staatskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen für das Verfahren erster Instanz werden abändernd auf 828,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.8.2006 festgesetzt.

Die der Freigesprochenen gemäß § 467 StPO aus der Staatskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen für das Berufsverfahren werden auf 475,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.8.2006 festgesetzt.

Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen der Staatskasse zur Last.



GRÜNDE:

1. Mit der angegriffenen Entscheidung hat die Rechtspflegerin die dem Betroffenen nach dem Freispruch zu erstattenden notwendigen Auslagen mit 787,75 € festgesetzt, nachdem die Verteidigerin eine Festsetzung in Höhe von 1.498,76 € beantragt hatte. Neben dem Abwesenheitsgeld der Verteidigerin in Höhe von 35 € sowie Fahrtkosten in Höhe von 0,01 € wurden die für das Berufungsverfahren angemeldeten Aufwendungen in Höhe von 649,60 € abgesetzt. Das Amtsgericht begründet dies in Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Vertreters der Landeskasse damit, dass die Staatsanwaltschaft die von dieser eingelegte Berufung noch vor Begründung zurückgenommen habe, so dass eine Verteidigertätigkeit im Berufungsverfahren noch nicht angezeigt gewesen sei. Die mit der vorsorglichen Rechtsmitteleinlegung der Staatsanwaltschaft verbundene informelle Tätigkeit des Verteidigers gegenüber dem Mandanten sei durch erstinstanzliche Vergütung abgegolten. Mit der gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss am 22.12.2006 eingelegten sofortigen Beschwerde macht die Freigesprochene geltend, ihre Verteidigerin habe die Sache nach Einlegung der Berufung durch die Staatsanwaltschaft mehrfach telefonisch mit der Staatsanwaltschaft besprochen und dadurch die Rücknahme des Rechtsmittels erreicht.
2. Zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde ist als Beschwerdegericht die Kammer, nicht der originäre Einzelrichter im Sinne des § 568 ZPO zuständig, da die Verweisung in § 464b StPO auf die zivilprozessualen Regelungen diese Vorschrift nicht umfasst. Die Kammer schließt sich in dieser Frage der Rechtsprechung des 2. Strafsenats des Oberlandesgerichts Köln an(RPfleger 2003, 685).
3. Die gemäß §§ 464b S. 3 StPO, 104 Abs. 3, 567 ff. ZPO, 11 Abs. 1 RPflG statthafte Beschwerde ist zulässig und teilweise begründet.
Die Kammer teilt den Ausgangspunkt der angefochtenen Entscheidung, wonach eine Tätigkeit des Verteidigers gegenüber dem Mandanten im Berufungsverfahren grundsätzlich erst nach Begründung des Rechtsmittels durch die Staatsanwaltschaft zur Erstattungsfähigkeit der damit verbundenen Auslagen führt (so auch Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 4.6.2004, 2 Ws 206/04 bzw. 2 Ws 296/04). Allerdings ist der vorliegende Fall abweichend gelagert: geltend gemacht werden nämlich Anwaltsgebühren, die entstanden sind, weil die Verteidigerin Gespräche mit der Staatsanwaltschaft geführt hat, die zum Ziel hatten, die Rücknahme des von dieser eingelegten Rechtsmittels zu erreichen (und insofern letztlich erfolgreich waren). Die Staatsanwaltschaft Köln hat in ihrer Stellungnahme vom 2.2.2007 bestätigt, dass solche Gespräche geführt worden sind.
In dieser Situation sind sowohl die geltend gemachte Gebühr gemäß Nr. 4124 VV RVG (Berufungsverfahrensgebühr) als auch die Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG (Befriedungsgebühr) dem Grunde nach entstanden:
Die Gebühr Nr. 4124 entsteht mit jeder Tätigkeit, die auf die Ausführung des Auftrages der Verteidigung in der Berufungsinstanz gerichtet ist (Hartmann, Kostengesetze, 34. Aufl. 2004, Rn. 5 zu VV 4124 mit Nachweisen), es sei denn, die Tätigkeit erschöpft sich, wie oben dargelegt, in der rein informellen Tätigkeit des Anwalts gegenüber dem Mandanten vor der Begründung des von der Staatsanwaltschaft eingelegten Rechtsmittels (Oberlandesgericht Köln a.a.O.). Da im vorliegenden Fall die Verteidigerin aber über eine solche Information der Mandantin hinaus aktiv geworden ist, indem Gespräche mit der Staatsanwaltschaft geführt worden sind, ist die Gebühr entstanden.
Allerdings hält es die Kammer für unangemessen, dass hinsichtlich insofern die Mittelgebühr (270 €) angesetzt worden ist. Dabei ist im Sinne des § 14 Abs. 1 RVG nicht hinreichend berücksichtigt, dass Umfang und Schwierigkeit der im Berufungsverfahren entfalteten anwaltlichen Tätigkeit im Verhältnis zu einem üblichen Berufungsverfahren gering gewesen sein dürften. Bei einem Gebührenrahmen von 70-470 € für die Gebühr Nr. 4124 erscheint daher allenfalls eine Gebühr von 120 € angemessen, wobei unterstellt wird, dass die übrigen Bemessungskriterien für die Veranschlagung der Rahmenmitte sprechen.
Die Gebühr Nr. 4141 ist nach der Anmerkung I Ziffer 3 entstanden, weil die Berufung zurückgenommen wurde, bevor Termin zur Hauptverhandlung bestimmt war, und - in Gestalt der telefonischen Erörterung der Sache mit der Staatsanwaltschaft - eine auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit des Verteidigers vorliegt (Anmerkung II, vgl. auch Hartmann a.a.O. Rn. 8f.zu VV 4141).
Gemäß Anmerkung III Satz 2 zu Nr. 4141 VV RVG ist hinsichtlich der Befriedungsgebühr für den Wahlanwalt stets die Rahmenmitte (270 €) anzusetzen.
Zu Recht wird nach den bisherigen Ausführungen auch die Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen für die zweite Instanz gemäß Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20 € geltend gemacht.

Danach ergibt sich folgende Berechnung für die zweitinstanzlichen Auslagen:

Nr. 4124…………………………………………………………………120,00 €
Nr. 4141…………………………………………………………………270,00 €
Nr. 7002…………………………………………………………………20,00 €

Zwischensumme:…………………………………………….……410,00 €
zuzüglich Umsatzsteuer (16 %)……………………..……65,60 €

Summe:………………………………………………………………….475, 60 €

Dieser Betrag liegt um mehr als 25 % unter demjenigen, der für das Berufungsverfahren seitens der Freigesprochenen zur Erstattung angemeldet wurde (649,90 €), so dass das Gericht gemäß § 14 Abs. 1 S. 4 RVG nicht an die von dem Verteidiger getroffene Bestimmung gebunden ist.
Zusätzlich sind für das erstinstanzliche Verfahren weitere 35 € (Gebühr Nr. 7005 VV RVG) zuzüglich Umsatzsteuer, insgesamt 40,60 €, zu erstatten. Für den Anspruch auf Abwesenheitsgeld ist allein entscheidend, dass der Anwalt im Interesse seines Mandanten seinem Wirkungskreis vorübergehend entzogen ist (Hartmann a.a.O., Rn. 28 zu VV 7006). Zusammen mit dem bereits festgesetzten Betrag errechnet sich damit für das erstinstanzliche Verfahren die Summe von 828,35 €.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1, 4 StPO.

5. Beschwerdewert: 690,20 €


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