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RVG Entscheidungen

§ 48

Erstreckung; Nebenklägervertreter; Beiordnung;

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Koblenz, Beschl. v. 14.05.2007, 9 Qs 46/07

Fundstellen:

Leitsatz: § 48 Abs. 5 RVG gilt auch für den im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt und erfasst die vor der Beiordnung entstandenen Gebührentatbestände.


9 Qs 46/07 LG Koblenz
In der Strafsache
LANDGERICHT KOBLENZ .. .

BESCHLUSS

gegen pp.
wegen gefährlicher Körperverletzung
hat die 9. Strafkammer des Landgerichts Koblenz am 14. Mai 2007 beschlossen:
Der Beschluss des Amtsgerichts Koblenz vom 26. März 2007 wird aufgehoben; die dem Nebenklägervertreter aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung wird auf insgesamt € 898,47 festgesetzt.
Die weitere Beschwerde wird zugelassen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden keine erstattet.
Gründe:
In dem aufgrund einer dem. Nebenkläger im Mai 2005 zugefügten Körperverletzung eingeleiteten Ermittlungsverfahren zeigte Rechtsanwalt F. mit Schreiben vom 12. Juli 2004 die Vertretung des Nebenklägers an. Nach Eröffnung des Hauptverfahrens vor dem Amtsgericht Koblenz beantragte Rechtsanwalt F. mit Schreiben vom 04. April 2005 namens und in Vollmacht des Nebenklägers, diesem als Rechtsanwalt „in erster Instanz" beigeordnet zu werden. Ein Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für den Nebenkläger wurde am 16. Januar 2006 gestellt. Mit Beschluss vom 20. Januar 2006 gewährte das Amtsgericht Koblenz dem Nebenkläger Prozesskostenhilfe und ordnete „dem Nebenkläger für die Vertretung der Nebenklage in erster Instanz Rechtsanwalt F." bei.
Nachdem aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 01. September 2006 das Verfahren vorläufig nach § 153a Abs. 1 StPO eingestellt wurde, beantragte der Nebenklägervertreter mit Schreiben vom 04. September 2006 die nachfolgend aufgeführten Gebühren und Auslagen festzusetzen:
Gebühr gemäß Nr. 4100 W RVG 132,00 Euro
Gebühr gemäß Nr. 4104 W RVG 112,00 Euro
Gebühr gemäß Nr. 4106 W RVG 112,00 Euro Gebühr gemäß Nr. 4108 W RVG 184,00 Euro (1. Hauptverhandlungstermin)
Gebühr gemäß Nr. 4108 W RVG 184,00 Euro (2. Hauptverhandlungstermin)
Fotokopien gemäß Nr. 7000 W RVG 30,55 Euro
Auslagen gemäß Nr. 7002 W RVG 20,00 Euro
Zwischensumme: 774,55 Euro
Zuzüglich 16% MwSt. 123,92 Euro
insgesamt: 898,47 Euro
Mit Beschluss vom 27. September 2006 wurde die dem Nebenklägervertreter aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung auf 580,00 Euro festgesetzt. Die nicht vollständige Festsetzung der geltend gemachten Vergütung wurde wie folgt begründet:
„Unberücksichtigt blieben die Grundgebühr in Höhe von 132,00 Euro, die Verfahrensgebühr für das Ermittlungsverfahren in Höhe von 112,00 Euro sowie die Kopiekosten und der anteilige Mehrwertsteuerbetrag von 43,93 Euro, da diese Gebührenansprüche bzw. Auslagen bereits vor der Beiordnung entstanden sind (Beck"scher Kurzkommentar, Lutz Meyer-Goßner, 47. Auflage, Rdnr. 15 zu § 397a StPO)".
Vorangegangen war dieser endgültigen Festsetzung die Mitteilung des Nebenklägervertreters, dass die vorbezeichneten Kopien in den Jahren 2004 und 2005 gefertigt worden sind.
Gegen die ihm am 24. Oktober 2006 zugestellten Kostenfestsetzung legte der Nebenklägervertreter mit Schreiben vom 25. Oktober 2006 Beschwerde ein. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass, auch wenn die Prozesskostenhilfegewährung nicht die gesamte Tätigkeit eines Rechtsanwaltes der Nebenklage abdecke, jedenfalls die Grundgebühr angefallen sei, da diese unabhängig vom Zeitpunkt des Tätigwerdens entstehe. Die Staatskasse beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 26. März 2007 die Beschwerde des Nebenklägervertreters als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat es angeführt, dass aufgrund der erst im Jahre 2006 erfolgten Beiordnung des Nebenklägervertreters im Wege der Prozesskostenhilfe nur diejenigen Vergütungsansprüche erstattet werden können, die nach diesem Zeitpunkt entstanden sind. Folglich seien sowohl die Grundgebühr als auch die Verfahrensgebühr für das Ermittlungsverfahren sowie die Kosten für Fotokopien nebst anteiliger Mehrwertsteuer nicht erstattungsfähig, „da diese bereits vor der am 20. Januar 2006 im Rahmen der Zulassung als Nebenkläger erfolgten Anwaltsbeiordnung entstanden sind".
Gegen diesen ihm am 23. April 2007 zugestellten Beschluss legte der Nebenklägervertreter mit Schriftsatz vom 27. April 2007 „den statthaften Rechtsbehelf" ein.
Die Amtsrichterin hat der Beschwerde nicht abgeholfen und dem erkennenden Gericht die Sache zur Entscheidung vorgelegt.
Die gemäß § 56 RVG i.V.m. § 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der Nebenklägervertreter hat gemäß § 48 RVG einen Anspruch auf Vergütung auch desjenigen Teils seiner Tätigkeit, die vor dem Zeitpunkt seiner Bestellung bzw. Beiordnung erfolgte.
Der die Beiordnung und Gewährung von Prozesskostenhilfe im Nebenklageverfahren regelnde § 397a StPO steht dieser Einschätzung nicht entgegen. Diese Vorschrift hat in erster Linie verfahrensrechtliche Bedeutung, während von gebührenrechtlicher Relevanz lediglich ist, dass die Bewilligung der Prozesskostenhilfe für den beigeordneten Rechtsanwalt ebenfalls einen Anspruch auf Erstattung seiner sich nach dem für den bestellten Verteidiger bemessenen Gebühren aus der Staatskasse entstehen lässt (Meyer-Goßner, StPO, 49. Auflage, § 397a Rdnr. 17). Der Umfang vorbezeichneten Vergütungsanspruchs des beigeordneten Rechtsanwalts richtet sich dann jedoch nach den Vorschriften des RVG, hier § 48 RVG. Danach kann der Rechtsanwalt zwar grundsätzlich nur Vergütung für diejenigen Tätigkeiten verlangen, die vom Moment der Beiordnung an einen Gebührentatbestand erfüllen. Eine Ausnahme dazu bildet jedoch § 48 Abs. 5 RVG, der bestimmt, dass sich in Strafsachen („... in Angelegenheiten nach den Teilen 4 - 6 des Vergütungsverzeichnisses ...") die Wirkung der Beiordnung auf die gesamte Tätigkeit im ersten Rechtszug, also auch auf solche vor der Bestellung bzw. Beiordnung; erstreckt. Die Beiordnung umfasst dann also ausnahmsweise rückwirkend die Tätigkeit des Rechtsanwalts bereits vor Erhebung der Anklage in Strafsachen (insbesondere im Ermittlungsverfahren), wobei dies auch für den beigeordneten Rechtsanwalt des Nebenklägers gilt (Baumgärtel / Föller / Hergenröder / Houben / Lompe, RVG, § 48 Rdnr. 4; Wassen in: Goebel / Gottwald, RVG, § 48 Rdnr. 34; Mathias in: Bischof / Jungbauer / Bräuer / Curkovic / Mathias / Uher, RVG, § 48 Rdnr. 37; zur grundsätzlichen Entstehung und Erstattungsfähigkeit einer Gebühr für die Tätigkeit des Nebenklägervertreters im Vorverfahren und, insoweit, zur Gleichstellung von Beschuldigten- und Nebenklägervertreter: OLG Koblenz, AnwBl. 1981, S. 29 f.).
Der Nebenklägervertreter hat mithin einen Anspruch auf Festsetzung (auch) der von ihm geltend gemachten Grund- (Nr. 4100 W RVG) und Verfahrensgebühr (Nr. 4104 W RVG) sowie seiner Aufwendungen für Fotokopien (Nr. 7000 W RVG), jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer in Höhe von 16%, in der zur Festsetzung beantragten Höhe von € 318,47, so dass die dem Nebenklägervertreter aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung auf insgesamt € 898,47 festzusetzen ist. Auch wenn er teilweise vor seiner Beiordnung für den Nebenkläger tätig geworden ist, handelt es bei sämtlichen geltend gemachten Tätigkeiten um solche „im ersten Rechtszug" i.S.d. §§ 48 Abs. 5 S. 1, 19 RVG, zu denen bei der Nebenklage erkennbar auch die Tätigkeit im Ermittlungsverfahren zählt.
Die weitere Beschwerde wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage(n), nämlich des Verhältnisses der §§ 3971 a StPO, 408 RVG zueinander und der (Un-) Gleichbehandlung von Beschuldigten- und Nebenklägervertreter im Anwendungsbereich letztgenannter Vorschrift, gemäß § 33 Abs. 6 S. 1 RVG zugelassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 33 Abs. 9 RVG.

Einsender: RA N.Schneider, Neunkirchen

Anmerkung:


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