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RVG Entscheidungen

§ 4

Vergütungsvereinbarung; keine starre Begrenzung der anwaltlichen Vergütung

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Hamm, Urt. v. 13. 3. 2008, 28 U 71/07

Fundstellen:

Leitsatz: Die Vereinbarung über die Höhe der Vergütung eines Rechtsanwalts muss grundsätzlich nicht auf ein Fünffaches der gesetzlichen Gebühren begrenzt werden. Es sollen vielmehr alle Umstände hinsichtlich der Vergütung Berücksichtigung finden, womit sich eine allgemein verbindliche, nur im Extremfall überwindbare Honorarhöchstgrenze nicht vereinbaren lässt.


28 U 71/07
Oberlandesgericht Hamm
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
hat der 28. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 13. März 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr., den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht
für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 05. April 2007 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Essen - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen - abgeändert:
Unter Klagabweisung im Übrigen werden die Beklagten verurteilt, an den Kläger 2 333,33 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.11.2004 zu zahlen.
Die Kosten des ersten Durchgangs beim Landgericht tragen der Kläger zu 70 % und die Beklagten zu 30 %. Die Kosten des ersten Durchgangs beim Senat und des zweiten Durchgangs beim Landgericht tragen der Kläger zu 2/3 und die Beklagten zu 1/3. Die Kosten des zweiten Durchgangs beim Senat tragen der Kläger zu 65 % und die Beklagten zu 35 %. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe
A.
Gemäß § 540 Abs. 2 i.V.m. § 313a Abs. 1 S. 1 und § 544 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO wird von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen abgesehen.
B.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist teilweise begründet.
Der Kläger kann von den Beklagten nur gemäß §§ 628 Abs. 1 S. 1, 812 BGB eine Rückzahlung seiner auf die Honorarvereinbarung vom 13. Dezember 2003 geleisteten 9 000,00 € in Höhe von 2 333,33 € beanspruchen.
I. Soweit der Kläger ursprünglich die Wirksamkeit der Honorarvereinbarung bezweifelt hat, hat sich der Senat mit dieser Frage in seinem Urteil vom 22. November 2005 umfassend und abschließend befasst und die grundsätzliche Wirksamkeit der Vereinbarung festgestellt. Obwohl insoweit keine Bindung des Senates in entsprechender Anwendung des § 563 Abs. 2 ZPO (vgl. dazu Zöller-Gummer/Heßler, 26. Aufl., ZPO § 538 Rdn. 60, § 563 Rdn. 3; BGHZ 60, 392 ff.; BGH in NJW 1992, 2831 ff.; BayObLG in NJW-RR 1999, 1392) eingetreten ist, weil der Senat das erste Urteil des Landgerichts nicht wegen eines Verfahrensfehlers im Rahmen dieser Rechtsfragen aufgehoben, sondern diese im Ergebnis sogar, wenn auch mit anderer Begründung bestätigt (vgl. insoweit BGHZ 3,321 [326 ff.]; BGHZ 6,76 [79]; BGH NJW 1990, 2127 f.; OLG Karlsruhe in NJW-RR 1995, 237 [238]) und nur wegen der verfahrensfehlerhaft nicht angewandten §§ 628 S. 1 BGB, 3 Abs. 3 BRAGO aufgehoben und zurückverwiesen hat, besteht kein Anlass von den damaligen Feststellungen abzuweichen. Änderungen des Sachverhaltes, die eine andere Würdigung rechtfertigen könnten, sind zwischenzeitlich nicht eingetreten.

II. Obwohl der Senat in seinem Urteil vom 22. November 2005 ausdrücklich auf die vorrangig zu prüfende Frage eines Rückzahlungsanspruchs des Klägers wegen der vorzeitig von den Beklagten gemäß § 627 BGB ausgesprochenen Kündigung des Mandates hingewiesen hat, hat das Landgericht sich damit unter Verkürzung unstreitigen Sachverhaltes nicht befasst.

Soweit sich die Beklagten nach der Zurückverweisung des Verfahrens an das Landgericht darauf berufen haben, ihr Mandat habe sich nicht auf das von der Staatsanwaltschaft gegen die erfolgte Aufhebung des Sicherungshaftbefehls betriebene Beschwerdeverfahren erstreckt, trifft dies zwar zu, weil das Beschwerdeverfahren eine besonders zu vergütende Tätigkeit darstellt. Dies war aber nicht die vorliegend entscheidungserhebliche Frage. Nach eigenem Vortrag der Beklagten beschränkte sich das vom Kläger erteilte Mandat nicht ausschließlich auf die Aufhebung des Sicherungshaftbefehls, der nur die weitere Strafvollstreckung wegen des zu erwartenden Widerrufs der Strafaufsetzung gewährleisten sollte. Dies kann dem allerdings nur auf die Aufhebung des Sicherungshaftbefehls gerichteten - Antrag vom 06. Januar 2004 (BL 28 ff. GA) nicht entnommen werden. Allein mit der Aufhebung des Haftbefehls war dem Kläger in der Sache letztlich aber nicht gedient, wenn die Bewährungsaussetzung später dennoch widerrufen wurde und die verhängte Strafe dann zu vollstrecken war. Dementsprechend hat der Beklagte zu 1) auch in der Antragsbegründung auf der Grundlage argumentiert, dass wegen einer noch nicht rechtskräftig in Finnland erfolgten Verurteilung nach der Rechtsprechung des EGMR kein Widerruf der Bewährung erfolgen darf. Auch nach Aufhebung des Haftbefehls stand deshalb weiterhin noch der Antrag der Staatsanwaltschaft im Raume, die Bewährung zu widerrufen. Gerade wegen eines mit hoher Wahrscheinlichkeit drohenden Widerrufs hat das Oberlandesgericht Hamm aber durch Beschluss vom 20. April 2004 (Bl. 239 ff. BA) die Aufhebung des Haftbefehls wieder kassiert. Darüber hinaus haben die Beklagten auch ausdrücklich einen entsprechend weiten Umfang ihres Mandates eingeräumt.

Schon auf der 2. Seite ihrer Klageerwiderung vom 22. November 2004 haben sie erklärt, der Kläger habe sie beauftragt, „gegen den Sicherungshaftbefehl und den beantragten Bewährungswiderruf vorzugehen". Auch die Berufungserwiderung der Beklagten vom 25. Oktober 2005 (Bl. 139) auf die vom Kläger gegen das erste Urteil eingelegte Berufung spricht von dem Auftrag „gegen den Sicherungshaftbefehl und den beantragten Bewährungswiderruf vorzugehen." Schließlich heißt es selbst noch im Schriftsatz der Beklagten vom 26. April 2006, „das vereinbarte Pauschalhonorar setzte sich zusammen aus … dem neu erteilten Auftrag, die Aufhebung des Sicherungshaftbefehls, sowie des Widerrufs der Strafaussetzung zur Bewährung … zu erreichen." Warum die Beklagten nach Aufhebung des Haftbefehls nicht wegen des noch weiterhin drohenden Widerrufs tätig sein sollten, ist nicht zu erkennen. Obwohl deshalb im ersten Senatsurteil bezüglich der vorrangig zu prüfenden Frage einer Kürzung des Honorars gemäß § 628 S. 1 BGB wegen einer vorzeitigen Beendigung des Mandates (vgl. insoweit (BGH in NJW 2005, 2142, [2143 zu 2.b.aa.]) ausdrücklich von dem „Auftrag, gegen den Sicherungshaftbefehl und den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung vorzugehen", die Rede war, ist dazu keine weitere Stellungnahme der Beklagten erfolgt, sondern die Frage des § 628 S. 1 BGB von ihnen und auch vom Landgericht schlicht unter Hinweis auf das Beschwerdeverfahren umgangen worden.

Einer erneuten Aufhebung und Zurückverweisung bedarf es allerdings insoweit nicht, da dem Senat zwischenzeitlich aufgrund der vom Landgericht eingeholten Stellungnahme der Rechtsanwaltskammer vom 13. Dezember 2005 ausreichende Grundlagen für eine eigene Prüfung und Entscheidung dieser Frage zur Verfügung stehen. In dieser Stellungnahme ist zwar nur der Arbeitsaufwand im Verhältnis zwischen dem Verfahren zur Aufhebung des Sicherungshaftbefehls und einem anschließenden Beschwerdeverfahren geprüft und dargelegt worden. Da aber nach der Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts Hamm im nunmehr anstehenden Widerrufsverfahren letztlich die gleichen rechtlichen Probleme zu prüfen und argumentativ zu vertiefen waren, die sich für die Beklagten auch im Beschwerdeverfahren gestellt hätten, hält es der Senat für gerechtfertigt und angemessen, auch im Verhältnis zwischen dem auf Aufhebung des Sicherungshaftbefehls gerichteten Verfahrensabschnitt und dem noch anstehenden, auf Abwehr des Widerrufs der Aussetzung der Bewährung gerichteten Abschnitt den Arbeitsaufwand mit 2/3 zu 1/3 zu bewerten. Da die Beklagten durch die vorzeitige Kündigung des Mandates 1/3 des durch das vereinbarte Pauschalhonorar von 10 000,00 € abzugeltenden Arbeitsaufwandes erspart haben, konnten sie für die von ihnen erbrachten Leistungen nur ein Honorar von 6 666,67 € beanspruchen. Da der Kläger allerdings nur 9 000,00 € gezahlt hat, steht ihm insoweit nur ein Rückzahlungsanspruch in Höhe von (9 000,00 € -6 666,67 €=) 2 333,33 € zu.

III. Eine weitere Kürzung des verdienten Honorars von 6 666,67 € gemäß § 3 Abs. 3 BRAGO scheidet vorliegend aus. Diese Vergütung ist kein unangemessen hohes Entgelt für die von dem Beklagten zu 1) erbrachte Tätigkeit. Zwar übersteigt dieser Betrag den nach der Stellungnahme der Rechtsanwaltskammer für die hier vorliegende Tätigkeit im Strafvollstreckungsverfahren anfallende gesetzliche Höchstgebühr von 175,00 € um rd. das 38-fache. Dies belegt jedoch (noch) keine unangemessene Höhe des vereinbarten Honorars.

1. Nach der neuen Rechtsprechung des BGH (in NJW 2005, 2142 ff.) soll allerdings eine tatsächliche Vermutung für eine unangemessen hohe Vergütung sprechen, falls diese das fünffache der gesetzlichen Gebühren übersteigt. Sie kann vom Rechtsanwalt nach dieser Rechtsprechung nur dadurch ausgeräumt werden, wenn er „ganz ungewöhnliche, geradezu extreme, einzelfallbezogene Umstände darlegt", die es als möglich erscheinen lassen, dass ausnahmsweise doch eine angemessene Vergütung vorliegt. Diese Entscheidung des BGH ist im Schrifttum auf vielfache Kritik gestoßen, die sich in erster Linie gegen die Hypothese richtet, dass - alle - gesetzlichen Gebühren den ökonomischen Wert der anwaltlichen Tätigkeit zum Ausdruck bringen und von daher als tauglicher Ausgangspunkt für die Festlegung einer allgemein verbindlichen Honorargrenze fungieren können. Die gesetzlichen Gebühren seien vielmehr ein ungeeigneter Vergleichsmaßstab; durch ihre Heranziehung sei eine angemessene Honorierung der anwaltlichen Tätigkeit nicht gewährleistet (so Lutje NJW 2005, 2490, 2491; Johnigk StV 2005, 621, 628; Teubel, in: Mayer/Kroiß [Hrsg.], RVG, 2. Aufl. 2006, § 4 Rdn. 211), was insbesondere im Straf- und dort im Ermittlungsverfahren gelte (Tsambikakis StrafFo 2005, 446, 448 f., 451). Die Grenze sei willkürlich und nicht rational begründbar (Schneider in BGH-Report 2005, 1154, 1155; Henssler/Kilian WuB VIII. E. § 3 BRAGO 1.05; vgl. auch OLG Frankfurt AGS 2006, 113 ff. = AnwBl 2006, 212 ff.: „Bedenken, ob der Entscheidung... in jedem Einzelfall gefolgt werden kann"; keine Stellungnahme zu der vom IX. Zivilsenat aufgestellten Regel findet sich im Urteil des 5. Strafsenates vom 06.09.2006 in NJW 2006, 3219 [3222 Rdn. 26]).

a. Die Festlegung einer solchen Grenze, die nur bei Annahme ganz besonderer, extremer Umstände des Einzelfalles soll überschritten werden dürfen, findet in § 3 Abs. 3 BRAGO keine Grundlage. Die Vorschrift spricht ausdrücklich von der Berücksichtigung „aller Umstände", womit sich eine allgemein verbindliche, nur im Extremfall überwindbare Honorarhöchstgrenze nicht vereinbaren lässt (vgl. auch Senat in AGS 2002, 268; sowie Urteil vom 05. Dezember 2006 - 28 U 31/05 - in BeckRS 2007, 09463 = AGS 2007, 550-555 = StV 2007, 473-476). Über die Rechtsfigur der tatsächlichen Vermutung käme ansonsten dem Verhältnis zwischen gesetzlicher und vereinbarter Vergütung eine Bedeutung zu, die der Gesetzgeber diesem Umstand nicht beigemessen hat und - wie sich aus der Formulierung der Vorschrift ergibt - auch nicht beimessen wollte. Dabei wäre die Höhe der gesetzlichen Gebühren als damit nahezu ausschließliche Vergleichsgröße für den Bereich der Strafverteidigung auch deswegen problematisch, weil - wie auch vom BGH (in NJW 2005, 2142 [2144]) angedeutet - die gesetzlichen Gebühren, und zwar gerade in diesem Bereich, mitunter kein angemessenes Entgelt darstellen (Senat a. a. O. sowie OLG-Report 1998,193; BGH NJW 1997, 2388, 2389; Madert, in: Gerold/Schmidt, BRAGO, § 3 Ron. 27 = RVG, § 4 Rdn. 68).

b. Ferner bestehen Zweifel an der Vereinbarkeit einer so schematischen und rigorosen Auslegung und Anwendung von § 3 Abs. 3 BRAGO mit den Grundrechten des Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG. Vergütungsregelungen und hierauf gründende Entscheidungen, die auf die Einnahmen, welche durch eine berufliche Tätigkeit erzielt werden können, und damit auch auf die Existenzerhaltung von nicht unerheblichem Einfluss sind, greifen grundsätzlich in die Freiheit der Berufsausübung ein (BVerfG in NJW 2007, 979 [Rdn. 59]; NJW 2002, 3314; BVerfGE 101, 331 [347: Berufsbetreuer]). Auch der Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG ist betroffen. Dieser gewährleistet in seiner Ausprägung als Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit die Vertragsfreiheit, die jedem Bürger das Recht zugesteht, seine Lebensverhältnisse durch Vertrag eigenverantwortlich zu gestalten (BVerfGE 8,274 [328]). Grundsätzlich ist damit die inhaltliche Ausgestaltung eines Vertrages einschließlich der Bestimmung von Leistung und Gegenleistung Sache der Parteien. Dieser Grundrechtsbezug ist bei der Auslegung auch des § 3 Abs. 3 S. 1 BRAGO, der diese Grundrechte einschränkt, zu berücksichtigen (vgl. hierzu auch Johnigk in StV 2006, 621 [625] sowie Henke in AGS 2005, 383 [385]). Allerdings kann die Einschränkung der beliebigen Ausgestaltung einer Honorarvereinbarung zum - nicht erst im Falle der Sittenwidrigkeit eingreifenden - Schutz der Rechtsuchenden vor einer Übervorteilung durch überhöhte Vergütungssätze und zur Wahrung des Vertrauen der Bevölkerung in die Integrität der Anwaltschaft geboten sein (vgl. BVerfG in NJW 2007, 979 [980 Rdn. 67 f.]). Ob die Annahme einer allgemein verbindlichen, eine tatsächliche Vermutung für eine unangemessen hohe Vergütung begründenden Vergütungshöchstgrenze in der vom BGH erfolgten strengen Ausformung dem hinreichend Rechnung trägt, erscheint zweifelhaft, weil sie die Berücksichtigung weiterer Umstände, insbesondere des konkret betriebenen Aufwandes, im Regelfall ausschließt.

c. Insoweit ergäbe sich auch ein nicht hinzunehmender Widerspruch, wenn man die - vorliegend allerdings nicht erfolgte - Vereinbarung eines Zeithonorars, die sich als solche als aufwandsangemessene erweist, zugleich herabsetzen müsste, weil sie aufgrund der Grenzziehung des BGH als unangemessen hoch zu bewerten wäre (vgl. dazu in Abgrenzung zu BGH in NJW 2005, 2142 der Senat, Urt. vom 05. Dezember 2006 - 28 U 31/05 - [in BeckRS 2007, 09463 = AGS 2007, 550-555 = StV 2007, 473-476]). Der BGH hat in mehreren früheren Entscheidungen (NJW 2002, 2774 [2775]; NJW 2000, 2669 [2671]; NJW 1997, 2388 [2389]) selbst ausgeführt, dass das mehrfache Überschreiten der gesetzlichen Gebühren ohne Berücksichtigung des tatsächlichen Aufwandes für die Annahme eines sittenwidrigen Missverhältnisses von anwaltlicher Leistung und vereinbarter Gegenleistung nicht ausreicht. Dies hat er in der Entscheidung (in NJW 2003, 2386 [2387]) betreffend eine Zeitvergütung für ein zivil- und arbeitsrechtliches Mandat dahingehend zusammengefasst, dass eine aufwandsangemessene anwaltliche Honorarvereinbarung das Sittengesetz nicht verletzen könne (ebenso BGH in NJW 2003, 3486). Diese Rechtsprechung hat der BGH in der hier in Rede stehenden Entscheidung ebenso ausdrücklich in Bezug genommen wie das Urteil des Senats vom 18. Juni 2002 (in AGS 2002, 268) und hierzu weiter ausgeführt, für eine Qualifizierung des Honorars als unangemessen hoch könne nichts anderes gelten (NJW 2005, 2142 [2144]). Dementsprechend wird angenommen, ein aufwandsbezogenes Zeithonorar könne nur dann als unangemessen hoch bezeichnet werden, wenn der berechnete Stundensatz zu hoch oder die Bearbeitungszeit zu lang sei (Lutje in NJW 2005, 2490, 2491; Tsambikakis a. a. O.; Schneider a. a. O.; Teubel, a.a.O., § 4 Rdn. 231 f.). Als rechtsdogmatischer Ansatzpunkt wird eine Erschütterung des Anscheinsbeweises in Betracht gezogen, wenn sich das Honorar als aufwandsangemessen erweist (Lutje in NJW 2005, 2490, 2492; Tsambikakis StrafFo 2005, 446, 448).

2. Der BGH hat schließlich seine grundlegende Entscheidung zur Frage der gesetzlichen Höchstgebühren als tauglichen Anknüpfungspunkt für die Bemessung eines angemessenen, zwischen Anwalt und Mandant vereinbarten Honorars an der Rahmengebühr des § 83 BRAGO ausgerichtet, die auf die Anzahl der Hauptverhandlungstage zugeschnitten ist und insoweit in gewöhnlichen Strafverfahren insbesondere auch dem zeitlichen Arbeitsaufwand des Verteidigers Rechnung trägt. Diesbezüglich hat der BGH aber in seinem Urteil selbst anerkannt, dass diese Rahmengebühr die Tätigkeit des Anwaltes dann nicht angemessen erfasst, wenn er etwa durch umfangreiche Tätigkeiten außerhalb der Hauptverhandlung bewirkt, dass eine ansonsten zeitaufwändige Sachverhaltsermittlung insbesondere zu diffizilen, für das Strafverfahren präjudiziellen Rechtsfragen entfällt oder verkürzt wird.

Vorliegend hat der Beklagte zu 1) seine Tätigkeiten im StrafVollstreckungsverfahren entfaltet, das keine sich über einen gewissen Zeitraum erstreckende gerichtliche Hauptverhandlung erfordert, sondern schriftlich abgewickelt wird. Darüber hinaus war der Beklagte zu 1) in dem vorausgegangenen Strafverfahren nicht als Verteidiger tätig gewesen und konnte keine dort etwa gewonnenen Kenntnisse für eine übliche, nachsorgende Betreuung des Klägers im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens ausnutzen. Er musste sich erforderliche Kenntnisse erst durch Einsicht in die 4 Bände umfassende Hauptakte und telefonische Gespräche mit den zuständigen Richtern verschaffen. In Hinblick auf § 56f StPO durfte der Beklagte zu 1) auch nicht das gesondert in Münster gegen den Kläger laufende und dem Beklagten zu 1) unbekannte Verfahren 11 KLs 4/02 außer Acht lassen, das möglicherweise Einfluss auf den von der Staatsanwaltschaft beantragten Widerruf der Aussetzung haben konnte. In der Frage einer angemessenen Honorierung dieser Tätigkeiten nur die einmalige Höchstgebühr des § 91 Ziff. 1 BRAGO in Höhe von 175,00 €, die kaum mehr als die Hälfte des von einem renommierten allgemeinen Strafverteidiger üblicherweise zu beanspruchenden Stundensatzes von 300,00 € beträgt, als Anknüpfungspunkt für die vom BGH postulierte Vermutung zu wählen, erscheint dem Senat auch in Hinblick auf den Schutz der Rechtsuchenden vor einer Übervorteilung durch überhöhte Vergütungssätze und zur Wahrung des Vertrauen der Bevölkerung in die Integrität der Anwaltschaft (vgl. BVerfG in NJW 2007, 979 [980 Rdn. 67 f.]) nicht geboten sein. Vielmehr rechtfertigen es die dargelegten grundsätzlichen Bedenken gegen eine zu schematische und rigorose Anwendung dieser Vermutung, diese auch dann als widerlegt anzusehen, wenn eine höhere Vergütung im Wege eines fiktiv zu bemessenden Zeithonorars gerechtfertigt wäre (so auch Teubel, a.a.O., § 4 Rdn. 230).

3. Die der Widerlegung der tatsächlichen Vermutung dienenden Grundlagen hatte der Beklagte zu 1) darzulegen und zu beweisen (vgl. Fahrendorf in Rinsche/Fahrendorf7Terbille, „Die Haftung des Rechtsanwalts", 7. Aufl. 2005, Rdn. 727 m.w.N. in FN. 69). Dies gilt umso mehr, als ausschließlich er aus eigenem Erleben wissen kann, welche konkreten Tätigkeiten er mit welchem konkreten Zeitaufwand ausgeübt hat, und ihn insoweit ohnehin eine sekundäre Darlegungslast treffen würde (vgl. BGH in NJW 2008, 982 [984 Rdn. 16]; NZI2007, 457 [459 Rdn. 18]; GRUR 2007, 629 [630 Rdn. 12]; NJW-RR 2005,180 [182]; NJW-RR 2004, 989 [990]; NJW 1999, 714; BGHZ 145, 35 [41] = NJW 2000, 3201). Dieser Nachweis ist gelungen. Ausgehend von einem von dem Beklagten zu 1) als besonders renommierten und erfahrenen Strafverteidiger zu beanspruchenden Stundensatz von 300,00 € war ein Honorar von 6 666,67 € für die bis zur Aufhebung des Sicherungshaftbefehls erbrachte Tätigkeit dann verdient, wenn der Beklagte zu 1) rd. 22 Stunden für den Beklagten gearbeitet hat. Davon ist der Senat aufgrund des unstreitigen und ansonsten bewiesenen Sachverhaltes überzeugt.

a. Der Zeitaufwand für das Aktenstudium, die Vorbereitung und Abfassung der Schriftsätze und die Telefonate mit den Richtern der Strafkammern, die mit den damals anhängigen Verfahren befasst waren, belief sich mindestens auf 10 Stunden:
Entgegen der Ansicht des Landgerichts beschränkte sich das Aktenstudium des Beklagten zu 1) nicht nur auf die 126 Seiten des Bewährungsheftes, die bis zur Meldung des Beklagten zu 1) beim Landgericht Arnsberg aufgelaufen waren. Er hat nach den entsprechenden, zu den Gerichtsakten gereichten Vermerken auch die 4 Hauptbände des Strafverfahrens eingesehen, das zur Verurteilung des Klägers geführt hat. Um einerseits die strafrechtliche Relevanz der von dem Kläger betriebenen Veräußerungen von drei Fahrzeugen, wegen derer das Strafverfahren gegen ihn wegen einer unwesentlichen Nebenstrafe nach § 154 StPO eingestellt worden ist, und andererseits der von ihm verweigerten Freigabe der Betonpumpen, wegen derer überhaupt die Bewährung eingeräumt worden war, beurteilen zu können, war diese Einsicht geboten. Aus ihr konnten sich Hinweise zu den Eigentumsverhältnisse an den unterschlagenen Fahrzeugen und dem Inhalt der Erklärungen des Klägers zu der Freigabe der Betonpumpe ergeben, die für eine Abwehr des Widerrufs bedeutsam sein konnte. Eine unterlassene Einsicht hätte sich deshalb als Pflichtwidrigkeit herausstellen können.
Dies galt grundsätzlich auch für die mehrbändigen Akten des weiteren Strafverfahrens vor dem Landgericht Münster (11 KLs 4/02), die dem Beklagten zu 1) gemäß der dienstlichen Äußerung des VRLG B. am 03. April 2004 übersandt worden sind. Dieses Verfahren konnte durchaus auch Auswirkungen auf einen möglichen Widerruf der Bewährung haben. Vor diesem Hintergrund ausschließlich für das Aktenstudium des Bewährungsheftes zwei Stunden anzusetzen, wie es das Landgericht gemacht hat, wird dem auf der Hand liegenden Aufwand nicht gerecht. Realistisch erscheint dem Senat der von den Beklagten angegebene Arbeitstag zu sein, der zumindest mit den üblichen 8 Stunden zu berechnen ist.

Auch die von den Beklagten angegebene Gesamtdauer der häufigen Telefonate mit den Richtern von insgesamt 2 Stunden erscheint dem Senat angesichts der Komplexität der Materie nachvollziehbar und glaubhaft. Wenn sich auch der Vorsitzende Richter am Landgericht Münster B. in seiner dienstlichen Äußerung nur an ein mit dem Beklagten zu 1) wegen einer unter bestimmten Voraussetzungen angedachten Einstellung des Verfahrens nach § 154 StPO geführtes Telefonat erinnern konnte, so hat doch der Vorsitzende Richter am Landgericht Arnsberg Schulte-Hengsbach bekundet, dass er dem Beklagten zu 1) in mehreren Telefonaten von einiger Dauer die komplizierten Hintergründe und Zusammenhänge der Angelegenheit im einzelnen erläutert hat. Er hat auch bestätigt, dass der Beklagte zu 1) mit einem weiteren Mitglied der Kammer in dieser Angelegenheit gesprochen hat. Daraus ergibt sich, dass mit dem Beklagten zu 1) komplexe Sachverhalte erörtert worden sind, die sich nicht in wenigen Minuten erledigen lassen. Dass hier keine genaue Zeiterfassung erfolgt ist, und von den Richtern die genaue Dauer der Gespräche nicht bestätigt werden konnte, steht einer Schätzung der streitigen Höhe der Honorarforderung nach § 287 Abs. 2 ZPO nicht entgegen. Insoweit liegen gesicherte Grundlagen für die Feststellung vor, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. zum Beweismaß des § 287 ZPO: BGH in NJW-RR 2007, 569 [571 Rdn. 21]; NJW2005, 3275 [3277]; NJW 2004,1521 [1522 zu III.l.] NJW 2000, 2814 [2815]; NJW 2000, 509 f.; BGH in NJW 2000, 1572 [1573]) die Zeitangaben der Beklagten zutreffen.

b. Auch der von den Beklagten für Telefonate mit dem Kläger angegebene Zeitaufwand von 10 Stunden ist gerechtfertigt. Die Vielzahl der in die Telefonlisten aufgenommenen Anrufe des Klägers ist durch die Zeugin A.S. in vollem Umfang bestätigt worden. Nur zur Dauer der Gespräche konnte sie keine verlässlichen Angaben machen. Eine durchschnittliche Dauer der Gespräche von 15 Minuten kann wiederum aufgrund der nachvollziehbaren und glaubhaften Angaben der Beklagten angesetzt werden. Dass sich der Kläger bei seinen Anfragen in wenigen Minuten abspeisen ließ, erscheint dem Senat angesichts seiner in der dienstlichen Anhörung des VRLG S. geschilderten und durch den Inhalt der in den Akten befindlichen Eingaben und Rechtsmittel des Klägers bestätigten Verhaltensweise lebensfremd zu sein. Es spricht auch nichts dafür, dass die Anrufe des Klägers weitgehend ausschließlich persönlichen Inhalt hatten. Warum der Kläger den Beklagten zu 1), mit dem er seit rd. 10 Jahren aufgrund einer Auseinandersetzung wegen einer nach seiner Auffassung fehlerhaften Vertretung in dem Ermittlungsverfahren 29 Js 426/92 StA Bochold keinen Kontakt mehr hatte, aus persönlichen Gründen angerufen haben und vom Beklagten zu 1) aus persönlichen Gründen angerufen worden sein sollte, vermag der Senat nicht zu erkennen. Der von den Beklagten angegebenen Aufwand von 10 Stunden für die mit dem Kläger geführten Telefonate liegt daher an der untersten Schwelle der nachgewiesenen Schätzgrundlagen, zumal auch zu berücksichtigen ist, dass bei der Vereinbarung von Zeithonoraren nach der Erfahrung des Senates häufig Takteinheiten von bis zu % Stunde vereinbart werden. Dies findet seine Rechtfertigung darin, dass nicht nur die reine Sprechzeit, sondern auch die vorangegangene Zeit der - von anderer Arbeit abhaltenden - Annahme des Gesprächs und die nachfolgende Zeit bis zu der nicht nahtlos möglichen, sondern eine gewisse Zeit zum Erinnern des durch den Anruf unterbrochenen Gedankenganges erfordernde Wiederaufnahme der alten Tätigkeit, zu berücksichtigen ist.

In die besondere zeitliche Beanspruchung des Beklagten zu 1) sind unterstützend auch die zahlreichen eMail-Nachrichten des Absenders „Merker", die der Kläger dem Beklagten übersandt hat, einzubeziehen. Die Darstellung des Klägers, er habe die an ihn gerichteten eMail-Nachrichten von Merker, hinter denen sich nach seiner Vorstellung der Mitarbeiter C. der Süd-Leasing verbarg, die durchaus eine gewichtige Rolle auch hinsichtlich des Widerrufes der Bewährung spielten, lediglich zu Informationszwecken und nicht mit der Bitte um rechtliche Beratung an den Beklagten zu 1) übersandt, ergibt für den Senat keinen Sinn. Das Agieren von C., dh. die Mitteilungen aus den Entwicklungen des Widerrufsverfahrens und Anprangerung des Klägers im Internet war durchaus geeignet den „geschäftlichen Ruf des Klägers zu beeinträchtigen. Er besaß insoweit ein erhebliches Interesse dem entgegenzutreten und hat diesbezüglich die Beratung des Beklagten zu 1) in Anspruch genommen. Dies belegen die von den Beklagten vorgelegten Entwürfe des Beklagten zu 1), die der Kläger wortwörtlich für private Anzeigen gegen C. und andere genutzt hat. Insoweit ist die Einlassung des Klägers sogar als reine Schutzbehauptung widerlegt. Die Angabe der Beklagten, der Kläger habe für das vereinbarte und gezahlte Honorar eine umfassende Betreuung in sämtlichen aktuellen Angelegenheiten, insbesondere wenn sie in Zusammenhang mit dem Widerrufsverfahren standen, gewollt und erhalten, ist lebensnah und plausibel. Ein Zeitaufwand von 10 Std. ist eher als ein Mindestmaß anzusehen.

c. Der Senat vermag auch nicht dem Landgerichts darin zu folgen, den Zeitaufwand des Beklagten zu 1) für die von der Rechtsanwaltskammer als schwierig angesehene Auseinandersetzung mit den aus der Rechtsprechung des EGMR und des BVerfG folgenden, in der bisherigen Rechtsprechung insbesondere auch des Strafsenates des OLG noch nicht verbindlich gewürdigten Konsequenzen für den Widerruf der Aussetzung der Strafe zur Bewährung und ihre Verwertung in den Schriftsätzen vom 06. Januar und 05. Februar 2004 jeweils nur mit zwei Stunden zu berücksichtigen. Dieser Zeitaufwand kann allenfalls mit einer oberflächlichen und pauschalen Befassung mit dieser Materie erreicht werden. Ein solcher Arbeitsstil spiegelt sich aber in den Schriftsätzen des Beklagten zu 1) nicht wider. Ein Arbeitsaufwand von mindestens 8 Stunden erscheint dem Senat als durchaus angemessen.

c. Insgesamt kann auf gesicherter Grundlage mit überwiegender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass der tatsächliche Arbeitsaufwand des Beklagten zu 1) mindestens bei 28 Stunden lag. Ein sich daraus ergebender Vergütungsanspruch von (28 * 300,00 € =) 8 400,00 € liegt aber weit über dem nach Abzug der gemäß §§ 628 S. 1, 812 BGB auszukehrenden 2 333,33 € von den gezahlten 9 000,00 € verbleibenden Betrag von 6 666,67 €.

IV. Die Zinsentscheidung folgt aus §§ 291, 288 BGB.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.

VI. Der Senat lässt die Revision gegen das Urteil zu, soweit der Kläger beschwert ist, weil es insoweit von dem Urteil des BGH vom 27. Januar 2005 abweichen könnte.


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