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RVG Entscheidungen

Nr. 7000 VV

Dokumentenpauschale; Überlassung elektronisch gespeicherter Dateien;

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 06.03.2008, III-3 Ws 72/08

Fundstellen:

Leitsatz: 1. Der Pflichtverteidiger kann für die Überlassung von elektronisch gespeicherten Dateien nicht die Dokumentenpauschale nach VV 7000 Nr. 2 beanspruchen, weil diese Regelung in dem Verhältnis zwischen Pflichtverteidiger und Staatskasse nicht anwendbar ist.
2. Steht der tatsächliche Aufwand für die Überlassung von elektronisch gespeicherten Dateien in einem krassen Missverhältnis zu der Dokumentenpauschale, die sich rechnerisch nach VV 7000 Nr. 2 ergibt, verbleibt es bei einem Aufwendungsersatzanspruch, der sich nach dem tatsächlichen Aufwand richtet.


OLG Düsseldorf, Beschl. v. 06.03.2008
III-3 Ws 72/08
Beschluss
In pp.

Tenor:
Die Beschwerde wird als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer war dem Angeklagten C. als Pflichtverteidiger beigeordnet. Ihm wurde in dem Umfangsverfahren von der Strafkammer eine DVD zur Verfügung gestellt, auf welcher die seinerzeit ca. 23.000 Seiten umfassenden Ermittlungsakten in insgesamt 3.348 Dateien gespeichert waren. Nachdem dem Angeklagten C. ca. drei Wochen vor Beginn der Hauptverhandlung ein weiterer Pflichtverteidiger bestellt worden war, ließ der Beschwerdeführer nach Rücksprache mit dem Kammervorsitzenden eine Kopie der DVD erstellen und stellte diese dem zweiten Pflichtverteidiger zur Verfügung.
Der Beschwerdeführer hat bei der Abrechnung seiner Pflichtverteidigervergütung beantragt, für die Überlassung der DVD-Kopie gemäß VV 7000 Nr. 2 eine Dokumentenpauschale von 8.370,00 Euro (3.348 x 2,50 Euro) zzgl. 1.339,20 Euro Umsatzsteuer gegen die Staatskasse festzusetzen.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat die Festsetzung der Dokumentenpauschale abgelehnt. Auf die Erinnerung des Pflichtverteidigers hat die Strafkammer - nach Übertragung der Sache durch den Einzelrichter in der Besetzung mit drei Richtern - die wegen der Überlassung der DVD-Kopie zu erstattende Dokumentenpauschale auf 2,50 Euro zzgl. 0,40 Euro Umsatzsteuer festgesetzt und die weitergehende Erinnerung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Pflichtverteidigers.
II.
Die gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
1.
Der Pflichtverteidiger kann die von ihm nach VV 7000 Nr. 2 berechnete Dokumentenpauschale schon deshalb nicht beanspruchen, weil diese Regelung in dem Verhältnis zwischen Pflichtverteidiger und Staatskasse nicht anwendbar ist.
Nach VV 7000 Nr. 2 erhält der Rechtsanwalt für die Überlassung von elektronisch gespeicherten Dateien anstelle der in VV 7000 Nr. 1 lit. d genannten Ablichtungen je Datei 2,50 Euro. Die in Bezug genommene Regelung in VV 7000 Nr. 1 lit. d bestimmt, dass die Dokumentenpauschale für Ablichtungen in sonstigen Fällen, d.h. über die in VV 7000 Nr. 1 lit. a bis c bezeichneten Fälle hinaus, nur anfällt, wenn sie im Einverständnis mit dem Auftraggeber zusätzlich, auch zur Unterrichtung Dritter, angefertigt worden sind. Für die Dokumentenpauschale nach VV 7000 Nr. 2 kommt es darauf an, ob die Dokumentenpauschale nach VV 7000 Nr. 1 lit. d angefallen wäre, wenn anstelle der elektronisch gespeicherten Dateien Ablichtungen hergestellt worden wären (vgl. Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG, 17. Aufl., VV 7000 Rdn. 103).
Die Regelung in VV 7000 Nr. 1 lit. d bezieht sich auf das privatrechtliche Mandatsverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Auftraggeber, dessen Einverständnis mit der Anfertigung zusätzlicher Ablichtungen vorausgesetzt wird, weil er die Mehrkosten zu tragen hat. Dementsprechend ist auch die Regelung in VV 7000 Nr. 2 auf das privatrechtliche Mandatsverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Auftraggeber zugeschnitten. Wenn der Rechtsanwalt im Einverständnis des Auftraggebers elektronisch gespeicherte Dateien Dritten überlässt, fällt die Dokumentenpauschale nach VV 7000 Nr. 2 an.
Der Beschuldigte (ebenso der Angeschuldigte oder Angeklagte), dem ein Pflichtverteidiger bestellt worden ist, ist nicht dessen "Auftraggeber". Die Bestellung zum Pflichtverteidiger erfolgt durch Verfügung oder Beschluss des Vorsitzenden (§ 141 StPO). Sie gleicht nach Inhalt und Qualität einem begünstigenden Verwaltungsakt (vgl. BVerfGE 39, 238, 244 [BVerfG 08.04.1975 - 2 BvR 207/75] = NJW 1975, 1015) und ist eine besondere Form der Indienstnahme Privater zu öffentlichen Zwecken (vgl. BVerfG NJW 2005, 3699). Der Zweck der Bestellung zum Pflichtverteidiger besteht ausschließlich darin, im öffentlichen Interesse dafür zu sorgen, dass der Beschuldigte in schwerwiegenden Fällen (§ 140 StPO) rechtskundigen Beistand erhält und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet wird (vgl. BVerfGE 39, 238, 242 [BVerfG 08.04.1975 - 2 BvR 207/75] = NJW 1975, 1015; OLG Düsseldorf NStZ 1986, 137). Der bisherige Wahlverteidiger kann erst nach Niederlegung des Wahlmandats zum Pflichtverteidiger bestellt werden, wobei sein Antrag, ihn zum Pflichtverteidiger zu bestellen, die Erklärung enthält, die Wahlverteidigung solle mit der Bestellung enden (vgl. OLG Köln NStZ 1991, 248, 249 [OLG Köln 21.08.1990 - 2 Ws 401/90]; Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 142 Rdn. 7 m.w.N.). Mit der Bestellung erlischt seine Vollmacht (vgl. BGH NStZ 1991, 94, 95) [BGH 08.11.1990 - 4 StR 457/90].
Fehlt es mithin bei einer Pflichtverteidigung an einem Auftraggeber, von dessen Einverständnis die Auslösung von Mehrkosten zu eigenen Lasten bei der Überlassung von elektronischen Dateien abhängt, kann die in VV 7000 Nr. 2 i.V.m. VV 7000 Nr. 1 lit. d getroffene Regelung nach Sinn und Zweck nicht eingreifen. Das Erfordernis des Einverständnisses des Auftraggebers korreliert mit dessen Kostentragungspflicht und geht bei einem Beschuldigten, dem ein Pflichtverteidiger bestellt wurde, wie die Regelung insgesamt ins Leere.
Auftraggeber im Sinne dieser Vorschriften ist bei einer Pflichtverteidigung auch nicht das Gericht, was sich schon aus der Gegenüberstellung der Regelungen in VV 7000 Nr. 1 lit. b einerseits und VV 7000 Nr. 1 lit. d andererseits ergibt. Maßnahmen des Gerichts werden allein in VV 7000 Nr. 1 lit. b angesprochen. Das Gericht kann bei einer Pflichtverteidigung schon nach den in derselben Vorschrift unterschiedlich gewählten Bezeichnungen nicht zugleich "Auftraggeber" im Sinne von VV 7000 Nr. 1 lit. d sein. Wird der Pflichtverteidiger durch das Gericht aufgefordert, Ablichtungen für einen anderen Verfahrensbeteiligten zu erstellen, greift ausschließlich VV 7000 Nr. 1 lit. b ein. Da VV 7000 Nr. 2 nur auf VV 7000 Nr. 1 lit. d, nicht aber auf VV 7000 Nr. 1 lit. b verweist, entsteht bei der Überlassung von elektronisch gespeicherten Dateien, die auf Veranlassung des Gerichts erfolgt, keine Dokumentenpauschale nach VV 7000 Nr. 2 (vgl. Schmidt in: Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 2. Aufl., Teil 7, VV 7000 Rdn. 85).
Für die Herstellung und Überlassung von Ablichtungen aus den Ermittlungsakten, die zur sachgemäßen Durchführung der Pflichtverteidigung erforderlich sind, erhält der Pflichtverteidiger die Dokumentenpauschale nach VV 7000 Nr. 1 lit. a. Entsprechende elektronisch gespeicherte Dateien werden von VV 7000 Nr. 2 nicht erfasst (vgl. Henke AnwBl 2005, 208).
Mangels Eingreifens eines speziellen Auslagentatbestandes kann der Beschwerdeführer für die Überlassung der DVD-Kopie an den zweiten Pflichtverteidiger gemäß der Vorbemerkung zu VV Teil 7 Abs. 1 Ersatz der entstandenen Aufwendungen beanspruchen. Über den tatsächlichen Aufwand, der allenfalls wenige Promille (nicht Prozent) der pauschal geltend gemachten 9.709,20 Euro (8.370,00 Euro zzgl. 1.339,20 Euro Umsatzsteuer) ausmachen dürfte, schweigt sich der Beschwerdeführer indes aus, so dass es mit dem von der Strafkammer festgesetzten Betrag von 2,90 Euro sein Bewenden hat.
2.
Selbst wenn man die in VV 7000 Nr. 2 i.V.m. VV 7000 Nr. 1 lit. d getroffene Regelung, die im Verhältnis zwischen Pflichtverteidiger und Staatskasse aus den dargelegten Gründen systemwidrig erscheint und ins Leere geht, gleichwohl auch in dieser Rechtsbeziehung für anwendbar hält (so ohne nähere Begründung: Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl., § 46 Rdn. 41 u. VV 7000 Rdn. 17), ist vorliegend eine Festsetzung der von dem Beschwerdeführer beanspruchten Dokumentenpauschale nicht gerechtfertigt.
Steht nämlich der tatsächliche Aufwand für die Überlassung von elektronisch gespeicherten Dateien in einem krassen Missverhältnis zu der Dokumentenpauschale, die sich rechnerisch nach VV 7000 Nr. 2 ergibt, verbleibt es bei einem Aufwendungsersatzanspruch, der sich nach dem tatsächlichen Aufwand richtet.
Nach VV 7000 Nr. 2 erhält der Rechtsanwalt je überlassener Datei 2,50 Euro. Eine Datei ist ein strukturierter Bestand inhaltlich zusammengehöriger Daten. Entgegen der Auffassung des Landgerichts, das die DVD-Kopie unzutreffend als eine Datei gewertet hat, ist das Speichermedium (z.B. CD, DVD, USB-Stick, Diskette) von den darauf elektronisch gespeicherten Dateien zu unterscheiden. In VV 7000 Nr. 2 wird nicht auf das Speichermedium, sondern auf die elektronisch gespeicherten Dateien, d.h. auf die einzelnen Text-, Bild- oder Audiodateien, abgestellt.
Werden wie in dem vorliegenden Umfangsverfahren Tausende von Textdokumenten elektronisch gespeichert, steht eine Dokumentenpauschale von 2,50 Euro je Datei in einem krassen Missverhältnis zu dem Aufwand, der bei der Überlassung einer DVD-Kopie tatsächlich anfällt. In kommerziellen Copyshops richten sich die Preise nicht nach der kopierten Datenmenge, sondern nach der Anzahl der erstellten DVDs. Für das Kopieren einer einzelnen DVD einschließlich Rohling und Beschriftung finden sich marktübliche Preise in einer Spanne von vier bis zehn Euro. Sofern bei der Eigenherstellung ein DVD-Brenner nicht ohnehin in einen vorhandenen Computer integriert ist, ist die erforderliche Zusatzausstattung zu Neupreisen unter 100,00 Euro erhältlich. Bei DVD-Rohlingen handelt es sich um Massenprodukte, deren Kaufpreis sich nach der Abnahmemenge richtet. Einzelstücke kosten deutlich unter 5,00 Euro, bei Spindeln mit 25 Stück liegt der Stückpreis schon unter einem Euro. An diesen Zahlen wird deutlich, dass der tatsächliche Aufwand für die Überlassung der DVD-Kopie vorliegend im Promillebereich der von dem Beschwerdeführer beanspruchten Dokumentenpauschale von 8.370,00 Euro zzgl. 1.339,20 Euro Umsatzsteuer liegt.
Bei der Bestimmung der Dokumentenpauschale von 2,50 Euro je Datei hatte der Gesetzgeber keinesfalls die Vorstellung, dass in einem Umfangsverfahren mit geringem tatsächlichen Aufwand große Mengen Dateien auf eine DVD kopiert werden und der Rechtsanwalt nach Maßgabe von VV 7000 Nr. 2 hierfür das Hundert- oder gar Tausendfache des tatsächlichen Aufwands vergütet erhält. Ein derartige Bereicherung wäre ungerechtfertigt und mit dem Zweck der gesetzlichen Regelung auch unter Berücksichtigung der mit einer Pauschalierung stets verbundenen Spielräume schlechterdings nicht vereinbar.
III.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 2. u. 3 RVG).


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