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RVG Entscheidungen

Vorbem. 4 Abs. 1 VV

Zeugenbeistand; Abrechnung der erbrachten Tätigkeiten als Einzeltätigkeit;

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Köln, Beschl. v. 07.05.2008, 2 Ws 220/08

Fundstellen:

Leitsatz: Die Vergütung der Tätigkeit des beigeordneten Zeugenbeistandes richtet sich nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG. Neben der Grundgebühr verdient der beigeordnete Zeugenbeistand die Verfahrensgebühr aber nur, wenn er eine unter diesen Gebührentatbestand fallende Tätigkeit entfaltet hat.


OLG Köln
2 Ws 220/08
Beschluss
In der Strafsache gegen pp.
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Köln
am 7.05.2008
beschlossen:
Auf die weitere Beschwerde wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen der Beschluss der 6. großen Strafkammer des Landgerichts A. vom 5.3.2008 aufgehoben und der Beschluss des Amtsgerichts A. vom 17.1.2007 wie folgt abgeändert:
Zugunsten des Beschwerdeführers wird eine Vergütung von 389,76 € festgesetzt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
I.
Der Angeklagte ist im vorliegenden Verfahren durch Urteil des Amtsgerichts D. vom 22.12.2005 wegen Bedrohung seiner geschiedenen Ehefrau, der Zeugin A, in zwei Fällen zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Seine Berufung und seine Revision sind verworfen worden.
In erster Instanz ist der Beschwerdeführer der Zeugin in der Hauptverhandlung vom 22.12.2005 durch das Amtsgericht D. als Zeugenbeistand nach § 68 b StPO beigeordnet worden. Unter dem 27.12.2005 hat er seine Liquidation über 519,68 €, die eine Grund-, Verfahrens- und Terminsgebühr beinhaltet, eingereicht. Die Gebühren sind am 2.2.2006 durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Amtsgerichts D. antragsgemäß festgesetzt worden.
Im Berufungsverfahren ist der Beschwerdeführer der Zeugin für die Dauer von deren Vernehmung als Beistand in der Hauptverhandlung vom 21.8.2006 durch die 3. kleine Strafkammer des Landgerichts A. gemäß § 68 b S. 1 StPO beigeordnet worden. Auf seine Liquidation vom 23.8.2006 über 615,15 €, beinhaltend eine Verfahrens- und eine Terminsgebühr, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle beim Amtsgericht D. die Akten dem Bezirksrevisor zur Stellungnahme zugeleitet. Dieser hat mit Schreiben vom 9.1.2007 gegen den Festsetzungsbeschluss des Amtsgerichts D. vom 2.2.2006 Erinnerung eingelegt und beantragt, die Gebühren nach Ziff. 4301 VV auf 218,08 € festzusetzen und die Wiedereinziehung des zu viel gezahlten Betrages zu veranlassen. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Amtsgerichts D. hat daraufhin mit Beschluss vom 17.1.2007 den Festsetzungsbeschluss vom 2.2.2006 abgeändert und die Gebühren auf 218,08 € festgesetzt. Für das Berufungsverfahren ist durch Beschluss vom 18.1.2007 ebenfalls nur eine Gebühr nach Ziff. 4301 VV zuerkannt und eine Vergütung von 308,91 € festgesetzt worden. Von diesem Betrag ist die Überzahlung von 301,60 € in Abzug gebracht worden.
Beide Beschlüsse sind dem Beschwerdeführer am 26.1.2007 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 29.1.2007, der am selben Tag beim Amtsgericht eingegangen ist, hat der Beschwerdeführer gegen den Beschluss vom 17.1.2007 Rechtsmittel eingelegt. Der Rechtspfleger hat der Erinnerung nicht abgeholfen und die Akten der Beschwerdekammervorgelegt. Diese hat die Akten an das Amtsgericht D. zur Entscheidung des Abteilungsrichters zurückgeleitet. Das Amtsgericht D. hat die Erinnerung gegen die Festsetzungsbeschlüsse vom 17.1.2007 und 18.1.2007 durch Beschluss vom 11.7.2007 als unbegründet zurückgewiesen. Gegen diesen ihm am 16.7.2007 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 17.7.2007, das am 18.7.2007 beim Amtsgericht eingegangen ist, Beschwerde eingelegt.
Die 6. große Strafkammer des Landgerichts hat in der Besetzung mit 3 Richtern die Beschwerde durch Beschluss vom 5.3.2008 zurückgewiesen und die weitere Beschwerde zugelassen, wobei klargestellt worden ist, dass sich die Erinnerung nur gegen den Festsetzungsbeschluss vom 17.1.2007 richte und daher auch nur insoweit eine Beschwerdeentscheidung veranlasst sei. Zur Begründung des Ansatzes einer Gebühr nach Nr. 4301 VV RVG ist ausgeführt, bei der dem Beschwerdeführer durch den Beiordnungsbeschluss übertragenen Tätigkeit handle es sich nur um eine Einzeltätigkeit. Dass der Beistand wie ein Verteidiger zu vergüten sei, besage nichts darüber, ob seine Tätigkeit nach Abschnitt 1 oder Abschnitt 3 des Teils 4 VV RVG zu vergüten sei. Auch könne aus Ziff. 1 der Vorbemerkung 4.3 nicht gefolgert werden, es liege keine Einzeltätigkeit vor, weil dem Zeugenbeistand „sonst ... die Vertretung übertragen sei“. Auch bei den gesetzlich beschriebenen Einzeltätigkeiten wie der Anfertigung einer Revisionsbegründung oder der Beistandleistung für den Beschuldigten in den Fällen der Nr. 4301 Ziff. 4 VV RVG sei der Anwalt im Rahmen seines begrenzten Auftrags voller Vertreter. Es sei schwer nachvollziehbar, warum der Zeugenbeistand anders vergütet werden solle als der Beschuldigtenbeistand.
Gegen diesen ihm am 19.3.2008 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 20.3.2008, der am selben Tag beim Landgericht eingegangen ist, weitere Beschwerde eingelegt.
II.
Da die Kammer nicht durch den Einzelrichter entschieden hat, hat gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 8 RVG auch der Senat durch drei seiner Mitglieder zu entscheiden.
Die vom Landgericht zugelassene weitere Beschwerde ist nach §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 6 StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache führt sie zu einer Aufhebung des angefochtenen Beschlusses sowie zu einer teilweisen Abänderung des Festsetzungsbeschlusses des Amtsgerichts D. vom 17.1.2007.
Die Frage, ob die Tätigkeit des beigeordneten Zeugenbeistands nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG oder nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG abzurechnen ist, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Es werden insoweit 2 Ansichten vertreten.
Nach einer Ansicht wird die Tätigkeit des Zeugenbeistands als eine Einzeltätigkeit angesehen mit der Folge, dass sich die Gebührenforderung nach Ziff. 4301 VV RVG richtet (KG Beschluss vom 18.1.2007 - 1 Ws 2/07; OLG Oldenburg Beschlüsse vom 18.7.2006 - 1 Ws 363/06 und vom 21.3.2007 - 1 Ws 101/07; OLG Zweibrücken Beschluss vom 19.2.2008 - 1 Ws 346/07; OLG Celle Beschlüsse vom 25.4.2006 - 2 Ws 62/06 und 21.5.2007 - 1 Ws 195/07; OLG Hamm Beschlüsse vom 17.7.2007 - 3 Ws 307/07 und vom 23.10.2007 1 Ws 711/07 und 2 Ws 712/07; Hartmann, Kostengesetze, 37. Auflage, Nr. 4301 VV RVG Rdn. 8).
Die überwiegende Meinung geht demgegenüber davon aus, dass sich die Vergütung eines Zeugenbeistands wie die eines Verteidigers nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG richtet (BGH Beschluss vom 17.4.2007 - StB 1/06; Senat Beschlüsse vom 6.1.2006 - 2 Ws 9/06 und vom 17.12.2007 - 2 Ws 613/07; KG Beschluss vom 18.7.2005 - 3 Ws 323/05; OLG Schleswig Beschluss vom 3.11.2006 - 1 Ws 449/06; OLG Koblenz Beschluss vom 11.4.2006 - 1 Ws 201/06; OLG Hamm Beschluss vom 7.11.2007 - 2 Ws 289/07; OLG München Beschluss vom 25.3.2008 - 4 Ws 27/08; OLG Stuttgart Beschluss vom 14.11.2006 - 1 Ws 331/06; KG Beschluss vom 15.3.2006 - 5 Ws 506/05; KG 4. Strafsenat RVG-Report 2006, 1007; OLG Dresden Beschluss vom 6.11.2007 - 2 Ws 495/06; Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 2. Auflage, Vorbemerkung 4.1 Rdn. 6 ff; Göttlich/Mümmler, RVG, 1. Auflage, Stichwort „Beistand“ Rdn. 3; Madert in Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 17. Auflage, VV Vorbemerkung 4 Rdn. 7, anders VV 4300 - 4304 Rdn. 17; Schmahl in Riedel/Sußbauer, RVG, 9. Aufl. VV Teil 4 Vorbemerkung 4 Rdn. 22; Bischof/Jung/Bräuer/Curkovic/Mathias/Uher, RVG, 2. Auflage, Vorbemerkung 4 Rdn. 36 und Vorbemerkung 4.3 Rdn. 164). Das OLG Brandenburg (Beschluss vom 26.2.2007 - 1 Ws 23/07) will fallbezogen entscheiden, nach welcher Gebührenvorschrift die Tätigkeit des Zeugenbeistands zu vergüten ist.
Der Senat hält auch unter Berücksichtigung der Ausführungen im angefochtenen Beschluss an seiner Rechtsprechung fest. Hätte der Gesetzgeber den Zeugenbeistand wie den Beistand des Beschuldigten vergüten wollen, hätte er die Tätigkeit des Zeugenbeistands ebenfalls unter Nr. 4301 Ziff. 4 VV RVG erfasst. Der Umstand, dass er den Zeugenbeistand gesondert in den Vorbemerkungen zu Abschnitt 4 aufgeführt hat, zeigt gerade, dass für diesen und die anderen in der Vorbemerkung genannten Vertretungstätigkeiten eine andere Regelung als für den Beschuldigtenbeistand gelten sollte. Dies bestätigen auch die Gesetzesmaterialien. Darin heißt es: „Die Gleichstellung mit dem Verteidiger ist sachgerecht, weil die Gebührenrahmen ausreichenden Spielraum bieten, dem konkreten Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts Rechnung zu tragen. Bei der Bestimmung der konkreten Gebühr wird sich der Rechtsanwalt als Beistand für einen Zeugen oder Sachverständigen an dem üblichen Aufwand eines Verteidigers in einem durchschnittlichen Verfahren messen lassen müssen.“ (BT-Drucks. 15/1971 S. 220). Vergleichsmaßstab ist demnach nicht der Beschuldigtenbeistand, sondern der Arbeitsaufwand eines mit der umfassenden Verteidigung eines Beschuldigten in einem Strafverfahren betrauten Anwalts. Dabei mag nicht berücksichtigt worden sein, dass für den beigeordneten Anwalt ein solcher Gebührenrahmen nicht vorgesehen ist. Daraus lässt sich nach Auffassung des Senats allerdings nicht schließen, die Gleichstellung des Zeugenbeistands mit dem Verteidiger solle nur für den Wahlbeistand gelten (so aber OLG Zweibrücken a. a. O.). Eine solche Differenzierung wäre nicht gerechtfertigt. Dafür ergeben sich aus der Gesetzessystematik und den Gesetzesmaterialien auch keine Anhaltspunkte.
Allerdings bedingt die Gleichstellung des Zeugenbeistands mit einem Verteidiger, dass dieser auch nicht automatisch neben der Grundgebühr die Verfahrensgebühr beanspruchen kann, sondern nur soweit er eine unter diesen Gebührentatbestand fallende Tätigkeit entfaltet hat (Senat Beschluss vom 17.12.2007 - 2 Ws 613/07; OLG München Beschluss vom 25.3.2008 - 4 Ws 27/08; OLG Stuttgart Beschluss vom 14.11.2006 - 1 Ws 331/06; KG Beschluss vom 15.3.2006 - 5 Ws 506/05; KG 4. Strafsenat RVG-Report 2006, 1007; OLG Dresden Beschluss vom 6.11.2007 - 2 Ws 495/06).
Der Senat hat dazu im o. g. Beschluss Folgendes ausgeführt:
„Die durch das RVG eingeführte, im früheren Gebührenrecht nicht enthaltene Verfahrensgebühr muss im systematischen Zusammenhang mit der Grundgebühr nach VV Nr. 4100 gesehen werden. Letztere entsteht „für die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall“. Mit ihr soll der Arbeitsaufwand abgegolten werden, der ein- und erstmalig mit der Übernahme des Mandats entsteht. Die Grundgebühr ist in ihrem sachlichen Geltungsbereich abzugrenzen von der Verfahrensgebühr, mit der das Betreiben des Geschäfts im gerichtlichen Verfahren honoriert wird, sofern hierfür keine besonderen Gebühren vorgesehen sind, zu denen auch die Grundgebühr zählt (vgl. zum Nebeneinander der beiden Gebührentatbestände näher: Burhoff, RVG, Straf- und Bußgeldsachen, Randnr. 1 ff zu VV Nr. 4106; Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 16. Aufl., Randnr. 77 ff zu VV Nr. 4100-4105; Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl., Randnr. 1 ff zu VV Nr. 4106, 4107).
Nach der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 222) gehören zum Katalog der von der Grundgebühr erfassten Tätigkeiten
- das - pauschal und überschlägig beratende - erste Mandantengespräch,
- die erste Beschaffung der erforderlichen Informationen, wozu auch die erste Akteneinsicht zählt,
- sämtliche übrige Tätigkeiten, die in zeitlichem Zusammenhang mit der Übernahme des Mandats anfallen, wozu telefonische Anfragen zum Sachstand bei der Staatsanwaltschaft oder bei Gericht gehören können.
Die Gesetzessystematik bedingt, dass die Verteidigertätigkeit nach der Mandatsübernahme über die beschriebenen Tätigkeiten hinausgehen muss, um die Verfahrensgebühr zur Entstehung zu bringen. Ansonsten verbliebe für die Grundgebühr kein eigenständiger Anwendungsbereich.“
Der Beschwerdeführer hat über die erstmalige Einarbeitung hinausgehende Tätigkeiten, die nach dem dargelegten Verständnis geeignet wären, die gerichtliche Verfahrensgebühr auszulösen, nicht ausreichend dargetan. Er kann demnach nur die Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG i. H. v. 132 € und die Terminsgebühr nach Nr. 4108 VV RVG i. H. v. 184 € beanspruchen.
Des Weiteren sind die Gebührenansprüche des Beschwerdeführers - nicht anders als die eines Verteidigers - auch wegen der Postpauschale gemäß VV 7002 i. H. v. 20 € berechtigt.
Unter Hinzurechnung der Umsatzsteuer mit dem nach dem Zeitpunkt der Leistungsausführung maßgeblichen Satz von 16% (vgl. § 13 Abs. 1 Ziff.1 UStG, s. auch Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl., Randnr. 14 zu VV 7008) ergeben sich hiernach Gebühren von insgesamt 389,76 €, die zugunsten der Beschwerdeführerin festzusetzen sind.
Grundgebühr 132,00 €
Terminsgebühr 184,00 €
Postpauschale 20,00 €
336,00 €
16% Umsatzsteuer 53,76 €
389,76 €
Gegen die Kostenfestsetzung für die Berufungsinstanz im Beschluss des Amtsgerichts D. vom 18.1.2007 ist kein Rechtsmittel eingelegt worden. Insoweit teilt der Senat die Auffassung des Landgerichts, dass keine Beschwerdeentscheidung veranlasst ist. Dagegen ist mit der weiteren Beschwerde auch nichts erinnert worden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 S. 2 und 3 RVG.

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