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RVG Entscheidungen

§ 51

Pauschvergütung; Verfahrensabsprache; Dauer der Hauptverhandlung

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 15. 6. 2005, 1 AR 22/05

Fundstellen: RVGreport 2005, 315

Leitsatz: 1.a. Findet unmittelbar vor Beginn der Hauptverhandlung eine verfahrens-abkürzende Besprechung zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidiger statt, so kann die hierdurch verursachte zeitliche Belastung des Verteidigers im Rahmen der Festsetzung einer Pauschgebühr be-rücksichtigt werden.
b. Die Beanspruchung des Verteidigers mindernde Verfahrensumstände können dabei im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtschau nur dann Berücksichtigung finden und zu einer Versagung der Festsetzung der Pauschgebühr oder zu deren Reduzierung führen, wenn dies für den Verteidiger zumutbar ist.

2. Der Senat ist der Auffassung, dass die im Gebührentatbestand der Nr. 4116 VV-RVG vorgesehene und zu einer zusätzlichen der Gebühr führende Teilnahme an der Hauptverhandlung von mehr als fünf bis zu acht Stunden nicht von dem tatsächlichen Beginn der Hauptverhandlung an zu rechnen ist, sondern von demjenigen Zeitpunkt an, auf welchen der Verteidiger geladen wurde und zu dem er auch erschienen ist.


OLG Karlsruhe
1 AR 22/05

Strafsache gegen
U.
wegen Verstoßes gegen das BtMG
hier: Pauschvergütung nach § 51 RVG

Rechtsanwalt X. aus S. wird für seine Tätigkeit als gerichtlich bestellter Verteidiger des Angeklagten U. eine an die Stelle der gesetzlichen Gebühren von € 576 tretende Pauschvergütung in Höhe von € 684 (i.W.: sechshundert-vier-undachtzig) bewilligt. Der weitergehende Antrag wird abgelehnt.

G r ü n d e :

I.

Rechtsanwalt X. wurde dem Angeklagten nach vorheriger Vertretungsanzeige vom Vorsitzenden der Strafkammer 6 des Landgerichts Z. zu Beginn der nach Sitzungsprotokoll von 14.24 Uhr bis 18.24 andauernden Hauptverhandlung am 23.09.2004 als Pflichtverteidiger bestellt. Mit seinem Antrag auf Festsetzung einer Pauschgebühr macht er geltend, die Hauptverhandlung habe in Wahrheit mehr als fünf Stunden angedauert, da dem für früher vorgesehenen Beginn der Hauptverhandlung verfahrensabkürzende Rechtsgespräche zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung vorausgegangen seien. Neben der hierfür nach Nr. 4116 VV-RVG vorgesehen zusätzlichen Gebühr von € 108 begehrt er die Zuerkennung einer fiktiven Vorverfahrensgebühr von € 137 nach Nr. 4104, 4105 VV-RVG.


II.

Dem Antrag, über welchen der Senat zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung in der Besetzung mit drei Richtern entschieden hat (§§ 51 Abs. 2 Satz 4, 42 Abs. 3 Satz 2 RVG), war teilweise stattzugeben.

1. Zwar sieht das RVG bei der Bemessung von Gebühren eines Pflichtverteidigers nunmehr in § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG ausdrücklich auch die Möglichkeit einer verfahrensabschnittsweisen Vergütung vor, dem Begehren des Verteidigers ist aber zu entnehmen, dass er insgesamt für seine Vertretung des Angeklagten vor der Strafkammer des Landgericht Karlsruhe eine höhere als die vom Gesetz für den Regelfall vorgesehene Vergütung anstrebt.

2. Durch die dem Verteidiger zuerkannte Verfahrensgebühr (Nr. 4112, 4113 VV-RVG) wird seine Tätigkeit für den Angeklagten in diesem Verfahrensabschnitt nicht zureichend erfasst und gestaltete sich insoweit besonders umfangreich. Neben der üblichen Aufgabenstellung des Verteidigers zwischen Anklageerhebung und Hauptverhandlung (vgl. hierzu Madert, RVG, 16. Aufl. 2004, VV 4106-4123, Rn. 8, S. 1321) kam hier eine über das Normalmaß hinausgehende zusätzliche weitere zeitliche Beanspruchung durch die Teilnahme an der unmittelbar vor Beginn der Hauptverhandlung und vor Bestellung (§ 51 Abs.1 Satz 3 RVG) stattgefundenen Besprechung zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidiger hinzu, welche - wäre sie im Rahmen der Hauptverhandlung erfolgt - aufgrund ihrer zeitlichen Dauer eine zusätzliche Gebühr nach Nr. 4116 VV-RVG in Höhe von € 108 begründet hätte.

In diesem - vom Gesetz an sich vorgesehenen - Umfang hält der Senat deshalb eine Erhöhung der angefallenen Pflichtverteidigergebühren für angemessen. Hingegen scheidet eine Berücksichtigung von Tätigkeiten des Verteidigers im „Vorverfahren“ aus, zumal die von ihm vorgelegte Vollmacht des Angeklagten erst nach Anklageerhebung datiert.

3. Soweit der Vertreter der Staatskasse vorliegend zutreffend darauf hinweist, dass die Strafsache im übrigen nicht besonders umfangreich gewesen sei und der Zeitwand des Verteidigers insgesamt gesehen nicht erheblich über demjenigen, welchen er auch in einer „normalen Sache“ zu erbringen gehabt hätte, gelegen habe, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Zwar können solche die Beanspruchung mindernden Umstände im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtschau nach Auffassung des Senats grundsätzlich Berücksichtigung finden und zu einer Versagung der Festsetzung der Pauschgebühr oder zu deren Reduzierung führen, jedoch wäre die Zuerkennung der nach Nrn. 4100, 4101, 4112, 4113, 4114, 4115 VV-RVG an sich vorgesehenen üblichen Pflichtverteidigergebühren für diesen im vorliegenden Fall nicht als zumutbar i.S.d. § 51 Abs.1 Nr. 1 RVG anzusehen. Insoweit hat der Senat zunächst berücksichtigt, dass die Höchstgebühr eines Wahlverteidigers mit € 1.300 erheblich über derjenigen des Pflichtverteidigers mit € 576 gelegen hätte, so dass - ohne eine Honorierung - die Teilnahme von Rechtsanwalt X. an dieser Besprechung für ihn eine von Gesetzgeber nicht intendierte erhebliche Schlechterstellung bedeutet hätte (zum Kriterium des Sonderopfers vgl. näher OLG Hamm StaFo 2005, 173 ff.; BVerfGE 54, 251 ff, 271; 68, 237 ff., 255; Madert, a.a.O., RVG, § 51 Rn. 14; BT-Dr. 15/1971, S. 252). Hinzu kommt, dass der Verteidiger des Angeklagten letztendlich durch seine Bereitschaft zur Teilnahme an einer verfahrensabkürzenden Absprache zu einer erheblichen Beschleunigung der sogleich nach Urteilsfällung rechtskräftig gewordenen Strafsache beigetragen hat, was sich bei der Gebührenbemessung unbeschadet von Nr. 4141 VV-RVG nicht zu seinem Nachteil auswirken darf.


III.

Bereits ausbezahlte gesetzliche Gebühren sind auf die Pauschvergütung anzurechnen. Die Geltendmachung von Auslagen bleibt unberührt.





IV.

Im übrigen ist der Senat der Auffassung, dass die vom Landgericht vorgenommene Auslegung des Begriffs der Hauptverhandlung im Gebührentatbestand der Nr. 4116 VV-RVG keineswegs zwingend ist. Dieser muss angesichts des unterschiedlichen Regelungszwecks der in Betracht kommenden Gesetze nicht die gleiche Bedeutung haben wie in § 243 Abs. 1 Satz 1 StPO. Vielmehr würde der Zweck der Regelung, den Verteidiger nach seiner vom Gericht veranlassten Anwesenheit zur Teilnahme an der Hauptverhandlung zu entschädigen, es durchaus erlauben, die Dauer der Hauptverhandlung von dem Zeitpunkt an zu rechnen, zu dem der Terminsbeginn vom Vorsitzenden bestimmt war, auf den der Verteidiger geladen und zu dem er erschienen war. Damit könnte eine weniger aufwändige Kostenfestsetzung unter Auslassung des Oberlandesgerichts erreicht werden.]

Einsender: RiOLG Böhm, Karlsruhe

Anmerkung:


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