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Leitsatz: Die Bestellung zum Pflichtverteidiger umfasst nicht die Vertretung des Angeklagten im Adhäsionsverfahren.
OLG Stuttgart, Beschl. v. 6. 4. 2009, 1 Ws 38/09 In PP. am 6. April 2009 In der Strafsache gegen hier: Vergütung des gemäß § 140 StPO als Verteidiger beigeordneten Rechtsanwalts für seine Tätigkeit im Adhäsionsverfahren in erster Instanz wird beschlossen. Die weitere Beschwerde des Verteidigers gegen den Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 04. Februar 2009 wird als unbegründet verworfen. Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet. Gründe: I. Der Beschwerdeführer wurde durch Beschluss des Amtsgericht Stuttgart vom 14.11.2007 dem Angeklagten zum Pflichtverteidiger beigeordnet. Am 13.2.2008 wurde der Angeklagte vom Amtsgericht Stuttgart wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung, wegen Beleidigung in zwei tateinheitlichen Fällen und wegen Beleidigung in Tateinheit mit Verwenden von Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil das Amtsgerichts Schorndorf vom 10.9.2007 zu der Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr zur Bewährung verurteilt wurde. Außerdem wurde der Angeklagte aufgrund des in der Hauptverhandlung von einem Verletzten gestellten Adhäsionsantrags zur Zahlung von 2.500.- Schadensersatz und Schmerzensgeld verurteilt. Auf die Berufung des Angeklagten, welche auf den zivilrechtlichen Teil der Verurteilung beschränkt wurde, hat das Landgericht Stuttgart mit zwischenzeitlich rechtskräftigem Urteil vom 28.4.2008 den Anspruch des Adhäsionsklägers auf 1.371,89 nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit 28.4.2008 festgesetzt. Der Beschwerdeführer begehrt nun im Kostenfestsetzungsverfahren auf Grund seiner Beiordnung als Pflichtverteidiger auch die Zubilligung der Verfahrensgebühr RVG VV 4143 für das erstinstanzliche Verfahren über vermögensrechtliche Ansprüche des Verletzten in Höhe von 322.- . Diese wurde ihm von der Kostenbeamtin des Amtsgerichts Stuttgart zugebilligt. Nach Zurückweisung ihrer Erinnerung hat die Bezirksrevisorin als Vertreterin der Staatskasse dagegen Beschwerde eingelegt. Mit seiner Beschwerdeentscheidung hat das Landgericht Stuttgart die Festsetzung der genannten Verfahrensgebühr versagt und den angefochtenen Beschluss dementsprechend abgeändert. Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde des Pflichtverteidigers. II. Das Rechtsmittel ist gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 6 RVG zulässig, weil das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden hat, dabei die weitere Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen hat und weil die weitere Beschwerde form- und fristgerecht gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 6 Satz 4, Abs. 3 Satz 3 RVG eingelegt wurde. Die weitere Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, weil die Gebühr zwar zweifelsfrei angefallen ist, der Beschwerdeführer aber auch nach Auffassung des Senats durch seine Tätigkeit im Adhäsionsverfahren erster Instanz keinen Gebührenanspruch gegen die Landeskasse hat. 1. Prozesskostenhilfe gemäß §§ 404 Abs. 5 StPO, 114 ZPO ist dem Angeklagten mangels entsprechender Antragstellung nicht bewilligt worden, sodass ein Gebührenanspruch des Verteidigers hieraus ausscheidet. 2. Ein Erstattungsanspruch ergibt sich auch nicht aus der Bestellung des Beschwerdeführers als Pflichtverteidiger gemäß §§ 140 ff StPO. a) Zwar wird von einem Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur die Auffassung vertreten, dass die Beiordnung des Pflichtverteidigers für das gesamte Strafverfahren und damit auch für das Adhäsionsverfahren gelte (OLG Köln, StraFO 2005, 394; OLG Hamburg, NStZ-RR 2006, 347, 349; OLG Hamm, JurBüro 2001, 531; KK-Laufhütte, StPO, 6. Auflage, Rn. 4 zu § 140; Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage, Rn. 5 zu § 140; Gerold/Schmidt, RVG, 18. Auflage, Rn. 5 zu VV 4143). Dies wird vor allem damit begründet, dass eine Trennung der Tätigkeit des Verteidigers mit derjenigen des anwaltlichen Vertreters im Adhäsionsverfahren nicht möglich sei. Denn es sei praktisch keine Tätigkeit des Pflichtverteidigers für den Angeklagten denkbar, die nicht zugleich zumindest auch Einfluss auf die Höhe des im Adhäsionsverfahren geltend gemachten Anspruchs haben könnte. Ein Angeklagter könne davon ausgehen, dass sich bereits die Verteidigungstätigkeit auch auf das Adhäsionsverfahren auswirke (vgl. zum Beispiel OLG Köln a. a. O.). Die Regelung des § 404 Abs. 5 Satz 1 StPO, wonach einem Angeschuldigten auf Antrag Prozesskostenhilfe unter den Voraussetzungen der §§ 114 ff ZPO zu bewilligen ist, gelte nur für die Fälle, in denen die Voraussetzungen des § 140 StPO nicht vorlägen. Dadurch sei der Angeklagte insofern zwar besser gestellt als der Nebenkläger, weil die Bestellung zum Beistand des Nebenklägers gemäß § 397 a Abs. 1 Satz 1 StPO nicht die Beiordnung für das Adhäsionsverfahren umfasst (BGH NJW 2001, 2486). Diese Besserstellung sei aber gerechtfertigt, weil der Angeklagte es nicht in der Hand habe, ob überhaupt und ggf. in welcher Höhe Ansprüche im Adhäsionsverfahren geltend gemacht werden. Bei ihm bestehe daher - im Gegensatz zum Nebenkläger - kein Missbrauchsrisiko durch Geltendmachung von Gebührenansprüchen infolge von aussichtslosen Adhäsionsanträgen. b) Der Senat folgt jedoch der gegenteiligen Ansicht (OLG Bamberg, NStZ-RR 2009, 114; OLG Brandenburg, AGS 2009, 69; Thüringer OLG, Rpfleger 2008, 529; OLG Celle NStZ-RR 2008, 190; OLG Zweibrücken, JurBüro 2006, 643; OLG München StV 2004, 38; Hartmann KostenG, 38. Auflage, Rn. 1 zu VV RVG 4143, 4144), wonach die Vertretung im Adhäsionsverfahren ohne ausdrückliche Beiordnung gemäß § 404 Abs. 5 StPO von der Pflichtverteidigerbestellung nicht erfasst wird. aa) Das ergibt sich in erster Linie aus der gesetzlichen Regelung der §§ 404 Abs. 5 Satz 1 StPO, 48 Abs. 4 Satz 1 RVG. Nach § 404 Abs. 5 Satz 1 StPO kann dem Angeschuldigten im Adhäsionsverfahren nur auf Antrag und nur unter den Voraussetzungen der §§ 114 ff ZPO - und zwar unabhängig vom Antragsteller - Prozesskostenhilfe gewährt werden (KK - Engelhardt, 6. Auflage, Rn. 6 zu § 404). Dass dies nur gelten soll, wenn der Angeschuldigte keinen beigeordneten Verteidiger hat, ist weder dem Wortlaut der Vorschrift noch ihrer Entstehungsgeschichte (vergl. hierzu Löwe - Rosenberg, 25. Auflage, vor § 403 und Rn. 23 zu § 404) zu entnehmen. Vielmehr stellt § 404 Abs. 5 Satz 2 StPO klar, dass einem Angeschuldigten, der (bereits) einen Verteidiger hat, nach entsprechender Antragstellung und nur unter den Voraussetzungen der §§ 114 ff ZPO (KK - Engelhardt, a. a. O.) dieser dann auch zur Abwehr des Adhäsionsantrags und nicht nach § 121 Abs. 2 ZPO zusätzlich ein anderer Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet werden soll (Meyer-Goßner, a. a. O., Rn. 16 zu § 404). Würde § 404 Abs. 5 Satz 1 StPO - wie die oben unter Ziffer 2a dargestellte Gegenmeinung annimmt - nur in den Fällen gelten, in denen die Voraussetzungen einer Pflichtverteidigerbestellung nach § 140 StPO nicht vorliegen, wäre die Vorschrift des § 404 Abs. 5 Satz 2 StPO überflüssig. Denn einem Angeschuldigten, dem ein Pflichtverteidiger beigeordnet wurde, müsste darüber hinaus ein Rechtsanwalt als Vertreter im Adhäsionsverfahren überhaupt nicht mehr beigeordnet werden. bb) Nicht nur der eindeutige Wortlaut des § 404 Abs. 5 Satz 1 StPO sondern auch der Sinn und Zweck dieser Vorschrift verlangen, dass es einer ausdrücklichen Beiordnung für eine Vertretung im Adhäsionsverfahren bedarf, wenn daraus Gebührenansprüche gegen die Staatskasse begründet werden sollen. Denn die Beiordnung nach § 404 Abs. 5 Satz 1 StPO erfolgt unter anderen Voraussetzungen und mit anderen Zielen als diejenige nach §§ 140 ff StPO. Während Letztere ohne Rücksicht auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse sich am strafrechtlichen Vorwurf ausrichtet und allein dem im öffentlichen Interesse liegenden Zweck dient, in schwerwiegenden Fällen eine ordnungsgemäße Verteidigung und einen ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten, soll die Beiordnung im Adhäsionsverfahren - davon unabhängig - nur erfolgen, wenn der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die entstehenden Kosten ganz oder teilweise nicht aufbringen kann und wenn die beabsichtigte Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und diese nicht mutwillig erscheint (§ 114 Abs. 1 ZPO). Denn das Adhäsionsverfahren dient nicht der Gewährleistung des staatlichen Strafanspruchs sondern dem individuellen zivilrechtlichen Interesse des Verletzten, der seinen aus der Tat erwachsenen Schadensersatzanspruch aus prozessökonomischen Gründen als Annex des Strafverfahrens gelten machen kann. Diesen unterschiedlichen Zielsetzungen der jeweiligen Beiordnung entsprechen die unterschiedlichen Beiordnungsvoraussetzungen der §§ 140 ff StPO einerseits und der §§ 404 Abs. 5 Satz 1 StPO, 114 ff ZPO andererseits. Danach erscheint es nicht überzeugend, die Beiordnung nach § 140 StPO "automatisch" auch auf das Adhäsionsverfahren zu erstrecken, nachdem beide unter unterschiedlichen Voraussetzungen zu gewähren sind und unterschiedlichen Regeln folgen. Auch wenn es zutrifft, dass die Tätigkeit des Verteidigers im Strafverfahren häufig gleichzeitig auch Auswirkungen auf die Abwehr zivilrechtlicher Ansprüche eines durch die Straftat Verletzten gegen den Angeklagten haben mag, bedeutet dies nicht, dass dem Verteidiger damit ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 404 Abs. 5 Satz 1 StPO gebührenrechtliche Ansprüche gegen die Staatskasse erwachsen. cc) Nach § 48 Abs. 4 Satz 1 RVG erhält ein Rechtsanwalt in Angelegenheiten, die - wie vorliegend - mit dem Hauptprozess nur zusammenhängen, Vergütung aus der Staatskasse nur dann, wenn er für sie ausdrücklich beigeordnet ist. Die in § 48 Abs. 4 Satz 2 RVG aufgeführten Angelegenheiten, unter denen das Adhäsionsverfahren nicht ausdrücklich aufgeführt ist, sind, wie das Wort "insbesondere" zeigt, nur häufig vorkommende Beispiele, nicht Ausnahmen von der entgegen gesetzten Regel. Das Wort "ausdrücklich" enthält eine klare Absage an alle Versuche, eine stillschweigende Beiordnung zu konstruieren (Gerold/Schmidt/von Eicken/Müller-Rabe, RVG, so noch in der 17. Auflage, Rn. 76 zu § 48). Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass dem beiordnenden Richter zum Zeitpunkt der Beiordnung noch gar nicht bekannt war, dass sich ein Verletzter am Strafverfahren beteiligen wird. Eine spätere stillschweigende Ausdehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist daher auch nach dieser Norm unzulässig (Hartmann, KostenG, 38. Auflage, Rn. 10 zu § 48 RVG). dd) Schließlich ist auch das (Haupt-) Argument der oben unter Ziffer 2a dargestellten Auffassung, die Pflichtverteidigerbestellung umfasse deswegen auch das Adhäsionsverfahren, weil sich die notwendige Mitwirkung eines Verteidigers stets auf "das gesamte Verfahren" erstrecke, wenig überzeugend. Denn davon werden auch andere Ausnahmen gemacht. So kann die Pflichtverteidigerbestellung nach § 140 Abs. 2 StPO (zum Beispiel auf den 1. Rechtszug) beschränkt werden (Meyer-Goßner, a. a. O. Rn. 6 zu § 140), bei Verhandlungsverbindungen nach § 237 StPO beurteilt sich die Notwendigkeit einer Beiordnung getrennt nach jedem Verfahren (KK - Laufhütte, a. a. O., Rn. 4 zu § 140) und für die Mitwirkung in einer Revisionshauptverhandlung bedarf es einer gesonderten Bestellung nach § 350 Abs. 3 Satz 1 StPO oder nach § 140 Abs. 2 StPO (KK - Kuckein, a. a. O., Rn.12 zu § 350), wenn damit gebührenrechtliche Ansprüche gegen die Staatskasse in Anspruch genommen werden sollen. Erst recht wird eine ausdrückliche Beiordnung zu verlangen sein, wenn sich die Mitwirkung eines Verteidigers auch auf die Abwehr zivilrechtlicher Ansprüche eines oder mehrerer Verletzten erstrecken und daraus gebührenrechtliche Ansprüche gegen die Staatskasse hergeleitet werden sollen. Im angefochtenen Beschluss wurde die Zubilligung einer Gebühr nach RVG Nr. 4143 daher zu Recht versagt. III. Gemäß § 56 Abs. 2 Satz 2 RVG ist das Verfahren über die weitere Beschwerde gebührenfrei. Kosten werden gemäß § 56 Abs. 2 Satz 3 RVG nicht erstattet.
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