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RVG Entscheidungen

Nr. 4100 VV

Grundgebühr; Bemessung; Kriterien

Gericht / Entscheidungsdatum: AG Pirna, Beschl. v. 02.07.2009, 6 Ds 191 Js 51097/07

Fundstellen:

Leitsatz: Bei der Bemessung der Grundgebühr sind Strafverfahren vor dem Amtsgericht nicht grundsätzlich dem unteren Gebührenrahmen zuzuordnen.


Amtsgericht Pirna
Aktenzeichen: 6 Ds 191 Js 51097/07
Beschluss vom 02.07.2009
In der Strafsache gegen pp.

Die aufgrund der rechtskräftigen Entscheidungen des Amtsgerichts Pirna vom 18.11.2008 und 07.01.2009 durch die Staatskasse an xxx zu erstattenden Kosten werden auf 764,87 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit 08.01.2009 festgesetzt.

Gründe:
Mit der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Dresden, Zwst. Pirna vom 20.08.2008 wurde der Angeklagten zur Last gelegt, am 17.07.2007 gemeinsam mit einer Mittäterin zwei Handys aus dem Umkleideraum einer Turnhalle gestohlen zu haben und sich im Zusammenhang mit einem am 31.05.2007 durch Mitschülerinnen begangenen Diebstahl einer Geldbörse einer Hehlerei schuldig gemacht zu haben. Insgesamt wurden durch die Anklageschrift 5 Angeklagte der Beteiligung an diesen Delikten beschuldigt. Gestützt wurden die Tatvorwürfe im Wesentlichen auf die „Geständnisse" von 4 der 5 Angeklagten.

Durch Beschluss vom 18.11.2008 hat das Gericht - soweit es die Angeklagte betraf die Eröffnung des Hauptverfahrens hinsichtlich des Tatvorwurfs der Hehlerei aus tatsächlichen Gründen abgelehnt. da es die von der Staatsanwaltschaft als Beweismittel angeführten Geständnisse überhaupt nicht gab und auch sonst keine geeigneten Beweismittel vorlagen. Zugleich sind im Umfang der Nichteröffnung des Verfahrens die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse auferlegt worden. Der Beschluss ist seit dem 24.12.2008 rechtskräftig.

Durch Urteil vorn 07.01.2009 ist die Angeklagte vom Vorwurf des Diebstahls freigesprochen worden und die Kosten des Verfahrens und ihre notwendigen Auslagen sind auch insoweit der Staatskasse auferlegt worden. Das Urteil ist seit dem 15.01.2009 rechtskräftig.

Mit Schriftsatz vom 07.01.2009, bei Gericht eingegangen am 08.01.2009, hat die Angeklagte über ihren Verteidiger beantragt, die zu erstattenden Kosten auf 764,87 Euro festzusetzen.

Durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 07.04.2009 wurden die zu erstattenden Kosten hiervon abweichend auf 687,52 Euro festgesetzt. Die Differenz ergibt sich aus einer Kürzung der Grundgebühr von der beantragten Mittelgebühr auf 100,00 Euro.

Auf die fristgerecht eingelegte sofortige Erinnerung, mit der der ursprüngliche Antrag weiterverfolgt wird, hat die Rechtspflegerin durch Beschluss vom 03.06.2009 der Erinnerung nicht abgeholfen und die Akte dem Richter zur Entscheidung vorgelegt.

Die zulässige sofortige Erinnerung ist auch begründet.

Gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 RVG bestimmt der Rechtsanwalt bei Rahmengebühren die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen.

Gemäß § 14 Abs. 1 S. 4 RVG ist die vom Rechtsanwalt getroffene Bestimmung für den Fall, dass die Gebühr - wie hier - von einem Dritten zu ersetzen ist, nur dann nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.

Die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass eine Gebührenbestimmung des Rechtsanwalts unbillig ist, trifft den Dritten (hier also die Staatskasse), wobei Zweifel zu seinen Lasten gehen (vgl. Gerold/Schmidt/v. Eicken, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 16. Aufl., § 14 RVG Rn. 21; Peter Hartmann, Kostengesetze, 38 Aufl., § 14 RVG Rn. 25).

Die hier beanspruchte Mittelgebühr soll grundsätzlich als billige Gebühr in allen „Normalfällen" gelten, d. h. in den Fällen, in denen sämtliche, vor allem die nach § 14 Abs. 1 RVG zu berücksichtigenden Umstände durchschnittlicher Art sind. Insoweit ist in der Praxis grundsätzlich von dem Mittelbetrag der einschlägigen Rahmengebühr auszugehen, wobei hinsichtlich der zu berücksichtigenden Faktoren eine Gesamtabwägung vorzunehmen ist (vgl. Hartmann, a. a. O., § 14 RVG Rn. 14, 18).

Die Rechtsansicht der Bezirksrevisorin, wonach Strafverfahren vor dem Amtsgericht grundsätzlich dem unteren Gebührenrahmen zuzuordnen seien, ist unzutreffend.

Im Ausgangspunkt richtig ist, dass in die Beurteilung, was ein durchschnittliches Verfahren darstellt, erstinstanzliche Strafverfahren sowohl vor den Amtsgerichten als auch vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten einzubeziehen sind. Dabei ist jedoch eben auch zu berücksichtigen, dass erstinstanzliche Strafverfahren vor Oberlandesgerichten in der Rechtswirklichkeit exotische Ausnahmen darstellen und die große Masse der Strafverfahren in erster Instanz vor den Amtsgerichten geführt wird. Unter weiterer Berücksichtigung der bis zu 4 Jahren Freiheitsstrafe reichenden Strafgewalt des Amtsgerichts und des Umstands, dass nur ein sehr geringer Teil aller Strafverfahren zu Verurteilungen von mehr als 4 Jahren Freiheitsstrafe führt, stellt das erstinstanzliche Strafverfahren vor dem Amtsgericht den Normalfall dar.

Der Verteidiger hat zur Rechtfertigung der begehrten Mittelgebühr u. a. ausgeführt, dass die Angelegenheit für die Angeklagte eher überdurchschnittliche Bedeutung gehabt habe, da ihr Straftaten an ihrer Ausbildungsstelle zur Last gelegt worden seien, so dass besondere berufliche Konsequenzen gedroht hätten. Zudem sei die Angelegenheit weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht unterdurchschnittlich gewesen, was sich schon daraus ergebe, dass die Staatsanwaltschaft die Anklage letztlich ohne klare Beweise nur auf Gerüchte aufgebaut habe.

Nicht gefolgt werden kann der Bezirksrevisorin auch insoweit als sie dieses Vorbringen des Verteidigers als für die Bemessung der Grundgebühr nicht maßgeblich bezeichnet. Das Vorbringen des Verteidigers bezieht sich auf die in § 14 Abs. 1 S. 1 RVG als Bemessungsfaktoren ausdrücklich genannten Punkte „Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit" und „Bedeutung der Angelegenheit". § 14 Abs. 1 S. 1 RV(:T gilt auch für die Bemessung der Grundgebühr.

Zudem läuft die Auffassung der Bezirksrevisorin im Ergebnis darauf hinaus, dass die Grundgebühr in Strafverfahren vor dem Amtsgericht ohne Berücksichtigung der tatsächlichen Umstünde, insbesondere der in § 14 Abs. 1 S. 1 RVG genannten Faktoren, grundsätzlich unterhalb der Mittelgebühr anzusetzen sei. Damit wäre eine reduzierte „Amtsgerichtsgebühr" eingeführt. Das ist so ziemlich das Gegenteil dessen, was das Gesetz sagt.
Im konkreten Fall ist neben den durch den Verteidiger aufgeführten Punkten zu berücksichtigen, dass die Akte zum Zeitpunkt der ersten Akteneinsicht mit 127 Blatt weder einen auffällig geringen noch einen besonders großen Umfang gehabt hat. Allerdings richtete sich das Verfahren gegen 5 Angeschuldigte, was die Sache für einen Verteidiger etwas unüberschaubarer macht, da damit gerechnet werden muss, dass die Interessen der verschiedenen Angeschuldigten im Verfahren divergieren. Zudem musste zweifellos die Aussagenbewertung durch die Staatsanwaltschaft beunruhigen. Bei einer Gesamtbewertung der Umstände vermag das Gericht daher die Bestimmung der Mittelgebühr seitens des Verteidigers nicht als unbillig zu bewerten, weshalb es bei dessen Bestimmung zu verbleiben hatte.

Gemäß § 11 Abs. 4 RPflG ist das Erinnerungsverfahren gerichtsgebührenfrei.

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