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RVG Entscheidungen

Nr. 1008 VV

Zeugenbeistand, Abrechnung Tätigkeit, keine Einzeltätigkeit, mehrere Zeugen

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.09.2009, 4 Ws 322/09

Fundstellen:

Leitsatz: 1. Wird in einem Strafverfahren ein Rechtsanwalt gemäß § 68b StPO mehreren Zeugen beigeordnet, so ist seine Tätigkeit nach § 7 i.V. Nr. 1008 RVG unter Erhöhung der Verfahrensgebühr zu vergüten.
2. Dem einem Zeugen beigeordneten Rechtsanwalt stehen die in Teil 4 (Strafsachen) Abschnitt 1 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum RVG bestimmten Gebühren eines Verteidigers zu. Die Gleichstellung eines Zeugenbeistandes mit einem Verteidiger ist sachgerecht, da sich der Beistand ebenso wie ein Verteidiger umfassend über das Verfahren informieren muss. Er muss unter anderem prüfen, inwieweit der Zeuge involviert ist und ob und in welchem Maße etwa ein Aussageverweigerungsrecht besteht. Zudem wird die Arbeit des Zeugenbeistandes durch die Beschränkung des Akteneinsichtsrechts erschwert.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF
BESCHLUSS
In der Strafsache

wegen Bestechung u.a.
hat
a) Richter am Oberlandesgericht v.B., als Einzelrichter hinsichtlich der Entscheidung zu I.,
b) im Übrigen der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht S., den Richter am Oberlandesgericht v.B. und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. P.-D.
auf die Beschwerde des Rechtsanwalt J. in Eschweiler gegen den Beschluss des Einzelrichters der 4. Großen Strafkammer des Landgericht Duisburg vom 29. April 2009
am 16. September 2009
nach Anhörung des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Duisburg
beschlossen:
I. Die Sache wird wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 8 S. 2 RVG).
II. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
III. Die dem Rechtsanwalt J. in Eschweiler aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung wird auf
1 235,34 Euro
festgesetzt.
IV. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
V. Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
I.
Das Landgericht verurteilte den Angeklagten am 3. April 2009 wegen Bestechung in 112 Fällen und wegen Vorteilsgewährung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren. Die Kosten des Verfahrens wurden dem Angeklagten auferlegt; soweit das Verfahren zuvor gemäß §§ 154, 154a StPO beschränkt worden war, wurden die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse auferlegt.
Im Lauf der Hauptverhandlung, nämlich am 22. Januar 2009, vernahm die Strafkammer – zu dem Bereich, der später gemäß §§ 154, 154a StPO ausgesondert wurde – sowohl den Zeugen M. als auch den Zeugen M. Beiden Zeugen hatte der Vorsitzende der Strafkammer zuvor Rechtsanwalt J. in Eschweiler gemäß § 68b StPO als Zeugenbeistand beigeordnet.
Rechtsanwalt J. begehrt nunmehr von der Landeskasse für seine Tätigkeit hinsichtlich jeden der beiden Zeugen Gebühren und Auslagen von jeweils 980,79 Euro, insgesamt also 1 961,58 Euro. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ist dem im Wesentlichen gefolgt, jedoch wurde das Abwesenheitsgeld auf insgesamt 35 Euro (statt 2 × 20 Euro) ermäßigt und die Terminsgebühr i.H.v. 356 Euro jeweils nur zur Hälfte berücksichtigt. Insgesamt wurde die Vergütung auf 1 531,98 Euro festgesetzt.
Gegen diese Festsetzung haben sich sowohl der Bezirksrevisor als auch der Rechtsanwalt mit der Erinnerung gewandt. Während die Erinnerung des Rechtsanwalts zurückgewiesen wurde hat das Landgericht der Erinnerung des Bezirksrevsors stattgegeben und die Vergütung auf insgesamt 401,96 Euro festgesetzt. Im Wesentlichen wurde nur eine Verfahrensgebühr (Nr. 4301 VV RVG) i.H.v. 168,00 € sowie ein Erhöhungsbetrag (Nr. 1008 VV RVG) i.H.v. 50,00 € nebst weiterer Auslagen berücksichtigt.
Gegen diesen Beschluss des Einzelrichters wendet sich der Rechtsanwalt mit der Beschwerde. Das nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 und 3 RVG zulässige Rechtsmittel ist teilweise begründet.
II.
1.
Zutreffend geht der Einzelrichter der Strafkammer von einer einheitlichen Festsetzung der Vergütung aus, obwohl der Rechtsanwalt für zwei Zeugen, denen er beigeordnet wurde, tätig geworden ist. Dies folgt aus der Regelung in § 7 Abs. 1 RVG. Danach erhält der Rechtsanwalt die Gebühren nur einmal, wenn er in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber tätig geworden ist.
Vorliegend wurde der Rechtsanwalt zwar nur durch einen Auftraggeber beauftragt, jedoch im Interesse für verschiedenen Personen; dies steht der Regelung des § 7 RVG mit der Möglichkeit der Gebührenerhöhung nach § 7 Abs. 2 RVG gleich; denn die Beauftragung durch das Gericht für mehrere Zeugen im Rahmen einer Beiordnung kann gebührenrechtlich nicht anders zu behandeln sein als eine unmittelbare Beauftragung durch die Zeugen selbst. Nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift ist entgegen dem Wortlaut darauf abzustellen, wem die Beauftragung nützt (Hartmann, KostG, 39. Aufl., § 7 RVG Rdn. 4). Es ist i.S.v. § 7 RVG also von einer Beauftragung durch mehrere auszugehen.
Die Beauftragung des Rechtsanwalts erfolgte im Rahmen derselben Angelegenheit; dem steht nicht entgegen, dass die einzelnen Gegenstände, für die der Rechtsanwalt tätig geworden ist, verschieden sind (vgl. hierzu Riedel/Sußbauer, RVG, 9. Aufl., § 7 Rdn. 20).
Vorliegend handelt es sich um ein Strafverfahren mit einem einheitlichen Aktenbestand. Ein Rechtsanwalt, der in einem Strafverfahren mehrere Zeugen vertritt, wäre ohne sachlichen Grund bevorzugt, wenn er anders als ein Verteidiger für seine Einarbeitung in den Fall mehrfach entlohnt würde.
Insgesamt sind mithin auf der Grundlage des § 7 RVG einheitliche Gebühren festzusetzen (ebenso OLG Koblenz JurBüro 2005, 589; Hartmann a.a.O. 1008 VV Rdn. 15; a.A. Gerold/Schmidt/Madert/v. Eicken/Müller-Rabe, 17. Aufl., 1008 VV Rdn. 151).
Gemäß Nr. 1008 VV RVG tritt zwar für die zweite Angelegenheit, für die der Rechtsanwalt tätig geworden ist, also hier der Beistand für einen weiteren Zeugen, eine Erhöhung um 30 % ein, nach dem Wortlaut jedoch allein für die Verfahrensgebühr, hingegen nicht auch für andere Gebühren, etwa die Grund- und die Terminsgebühr (vgl. OLG Koblenz a.a.O.).
2.
Dem einem Zeugen beigeordneten Rechtsanwalt stehen die in Teil 4 (Strafsachen) Abschnitt 1 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum RVG bestimmten Gebühren eines Verteidigers zu. Dies ergibt sich aus der hierzu ergangenen Vorbemerkung 4 Abs. 1. Danach sind ausdrücklich die Vorschriften über die Gebühren eines Verteidigers für die Tätigkeit eines Rechtsanwalts als Beistand eines Zeugen entsprechend anwendbar.
Dies entspricht auch dem erklärten Willen des Gesetzgebers, wie er in der Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom 11. November 2003 niedergelegt ist. Danach soll einer stärkeren Stellung des Opfers im Strafverfahren Rechnung getragen werden; neu sei, dass der Rechtsanwalt auch im Strafverfahren als Beistand eines Zeugen die gleichen Gebühren wie ein Verteidiger erhalten solle (BT-Ds 15/1971 S. 220).
Es besteht kein Grund, von der nach dem gesetzlichen Wortlaut klaren und vom Gesetzgeber so auch gewollten Regelung abzuweichen. Insbesondere liegt in der Beistandsleistung für einen Zeugen keine Tätigkeit, die gemäß Nr. 4301 Nr. 4 VV RVG als Einzeltätigkeit zu vergüten wäre. Anders als in der oben dargestellten Vorbemerkung 4 Abs. 1 wird die Leistung des Rechtsanwalts als Beistand für einen Zeugen nicht ausdrücklich angesprochen; auch in der Entwurfsbegründung hierzu (BT-Ds 15/1971 S. 230) findet sie keine Erwähnung. Mithin ist eine derartige – reduzierte – Vergütung vom Gesetzgeber ausdrücklich nicht gewollt.
Die Gleichstellung eines Zeugenbeistandes mit einem Verteidiger ist auch sachgerecht. Gleich einem Verteidiger muss sich der Beistand umfassend über das Verfahren informieren, in dem der Zeuge aussagen soll. Er muss prüfen, inwieweit der Zeuge involviert ist und ob und in welchem Maße etwa ein Aussageverweigerungsrecht nach § 55 StPO besteht; hierbei muss er im Blick haben, ob bestimmte Anhaltspunkte Anlass für ein Strafverfahren gegen den Zeugen bilden können. Der Rechtsanwalt kann sich nicht allein auf die dem Zeugen vom Gericht übermittelte Beweisfrage beschränken, sondern hat den gesamten Vernehmungskomplex einschließlich möglicher Fragen von Prozessbeteiligten im Blick zu halten. Die Arbeit des Zeugenbeistandes wird durch die Beschränkung des Akteneinsichtsrechts über den in § 475 StPO dargestellten Umfang hinaus (vgl. OLG Düsseldorf NJW 2002, 2806) eher erschwert. Manches, was sich durch gezielte Einsicht in die Akten klären ließe, muss der Rechtsanwalt mit dem Zeugen mündlich besprechen. Eine Arbeitserleichtung ist insoweit nicht erkennbar.
Unter Berücksichtigung all dieser Überlegungen stellt der Senat vergütungsrechtlich die Tätigkeit eines Zeugenbeistandes derjenigen eines Verteidigers gleich (ebenso u.a. OLG Düsseldorf, 2. Strafsenat, Beschluss vom 7. November 2007 – III-2 Ws 257/07 – bei juris; OLG Köln, 2. Strafsenat, StraFo 2008, 350; OLG Stuttgart, 1. Strafsenat, NStZ 2007, 343; OLG München, OLG Koblenz a.a.O.; anderer Ansicht: OLG Düsseldorf, 3. Strafsenat, Beschluss vom 5. Februar 2009 – III-3 Ws 451/08 – bei juris; OLG Stuttgart, 5. Strafsenat, NStZ-RR 2008, 328; OLG Frankfurt, 2. Strafsenat, NStZ-RR 2008, 264).
Der Senat weist darauf hin, dass bei einer Einzeltätigkeit des Zeugenbeistandes – ebenso wie bei einem Verteidiger – lediglich die in Nr. 4301 Ziff. 4 VV RVG bestimmte Gebühr anfällt; ein derartiger Fall liegt hier jedoch nicht vor.
3.
Die dem Rechtsanwalt zu erstattende Vergütung berechnet sich daher wie folgt:
Grundgebühr, Nr. 4100 VV RVG 132,00 €
Verfahrensgebür, Nr. 4118 VV RVG 264,00 €
Erhöhung dieser Gebühr, Nr. 1008 VV RVG 79,20 €
Terminsgebühr, Nr. 4120 VV RVG 356,00 €
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 €
Fahrtkosten, Nr. 7003 VV RVG 60,60 €
Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 VV RVG 35,00 €
Zwischensumme 946,80 €
Umsatzsteuer 284,04 €
Parkgebühr 4,50 €
Gesamtbetrag der Vergütung 1 235,34 €
4.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 56 Abs. 2 S. 2 und 3 RVG.

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