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Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Bamberg, Beschl. v. 15.09.2009, 4 W 139/09
Fundstellen:
Leitsatz: Bei der am 05.08.2009 in Kraft getretenen Neuregelung zur Anrechnung handelt es sich um eine Gesetzesänderung, welche auf Altfälle nicht anzuwenden ist. Die Neuregelung hat nicht nur klarstellende Funktion.
Oberlandesgericht Bamberg Beschluss In Sachen
wegen Werkvertrag hier: Beschwerde erlässt das Oberlandesgericht Bamberg 4. Zivilsenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Köster, die Richterin am Oberlandesgericht Firlus und den Richter am Oberlandesgericht Münchmeier am 15.09.2009 folgenden Beschluss 1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Würzburg (Rechtspfleger) vom 06.08.2009 wird zurückgewiesen. 2. Die Beklagten tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner. 3. Der Beschwerdewert wird auf (281,25 + 19 % MWSt =) 334,69 festgesetzt. 4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen. Gründe: I. Die Klägerin hat nach dem Beschluss des Landgerichts vom 05.05.2009 die Kosten des Rechtstreits zutragen, weil sie die Klage zurückgenommen hat (Protokoll vom 05.05.2009, S. 2, Bl. 40 d.A.). Die Beklagten haben die Festsetzung von Rechtsanwaltsgebühren und Parteiauslagen in Höhe von 1 353,03 beantragt (Schriftsatz 04.08.2009, Bl. 51 d.A.). Der Rechtspfleger hat mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 06.08.2009 die von der Klägerin an die Beklagten zu erstattenden Kosten auf 1 033,56 festgesetzt (Bl. 52 ff. dA). Dabei hat er die entstandene (vorgerichtliche) Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr angerechnet (Vorbemerkung 3 Abs. 4 von Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses Anlage 1 zum RVG). Die Beklagten haben gegen den ihnen am 20.08.2009 zugestellten Beschluss am 24.08.2009 sofortige Beschwerde eingelegt (Bl. 56 ff.d.A.). Sie wenden sich gegen die Anrechnung der Geschäftsgebühr im Hinblick auf § 15a RVG. Diese Vorschrift sei lediglich eine Klarstellung des Gesetzgebers und deshalb auch auf Altfälle anzuwenden. Die Klägerin sieht in § 15a RVG eine Neuregelung, die erst seit 15.08.2009 in Kraft und deshalb nicht anzuwenden sei. Der Rechtspfleger hat der Beschwerde nicht abgeholfen ( Beschluss vom 02.09.2009, Bl. 60 f.d.A.), weil § 15a RVG wegen § 60 RVG nicht anwendbar sei. II. Das zulässige Rechtsmittel ist unbegründet. Die Entscheidung des Rechtspflegers entspricht der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Entscheidung vom 22.1.2008 VIII ZB 57/07, NJW 08, 1323; Beschluss vom 3.4.2008, III ZB 8/08 = Beck RS 2008, 10 235). Die Beklagten können sich nicht auf die erst am 05.08.2009 in Kraft getretene Neuregelung des § 15a Abs. 2 RVG berufen, weil es sich dabei um eine Gesetzesänderung handelt, die der Übergangsbestimmung des § 60 Abs. 1 RVG unterliegt, und auf Altfälle nicht anzuwenden ist. Der Senat folgt den Entscheidungen des Kammergerichts Berlinvom 13.08.2009 (2 W 128/099 ), des OLG Cellevom 26.08.2009 (2 W 240/09 ), des OLG Frankfurtvom 10.08.2009 (12 W 91/09 ), des Hessischen Landesarbeitsgerichtsvom 07.07.2009 (13 Ta 301/09 ) und anderer. Die gegenteiligen Entscheidungen der Oberlandesgerichte Stuttgart(8 W 339/09 vom 11.08.2009), Koblenz(14 W 553/09 vom 01.09.2009) und Dresden(3 W 0793/09 vom 13.08.2009) überzeugen nach ihren Begründungen nicht. Bei der Auslegung von Gesetzen kommt es grundsätzlich nicht auf den subjektiven Willen des historischen Gesetzgebers an, sondern maßgeblich ist der im Gesetzeswortlaut objektivierte Wille des Gesetzgebers (BVerfGE 1, 299, 312; sogenannte objektive Theorie, Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Auflage, vor § 1 Einleitung 40 m.z.w.N.). Dementsprechend hat sich der BGH bei der Anwendung der Anrechnungsvorschrift in erster Linie auf deren klaren Wortlaut gestützt (VIII ZB 57/07). Zudem lässt die Gesetzesbegründung zum Kostenmodernisierungsgesetz nicht erkennen, dass der Gesetzgeber sich überhaupt mit diesen Praxisdetails beschäftigt hat (vergleiche hierzu ausführlich: BGH, Beschluss vom 22.01.2008 VIII ZB 57/07 Tz. 8, NJW 2008, 1323). Die Auffassung, die Neuregelung habe nur klarstellende Funktion, lässt sich aber auch nicht mit der Begründung des Gesetzentwurfes (vgl. Bi. 59 d.A.) rechtfertigen. Als Begründung für die Gesetzesänderung wird ausdrücklich nur das Verständnis des Bundesgerichtshofes von der Anrechnungsvorschrift benannt, das zu unbefriedigenden Ergebnissen führe. Die Anrechnung auf die Verfahrensgebühr bewirke, dass eine kostenbewusste Partei die außergerichtliche Einschaltung eines Rechtsanwalts ablehnen und ihm stattdessen sofort Prozessauftrag erteilen müsste. Auch werde das Kostenfestsetzungsverfahren wegen der Anrechnung von Rahmengebühren mit einer materiell-rechtlichen Prüfung belastet. Beides laufe unmittelbar der Absicht zuwider, die der Gesetzgeber mit dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz verfolgt habe. Damit nimmt der Gesetzgeber aber selbst nicht in Anspruch, dass der mit der Gesetzesänderung eingetretene Regelungsgehalt bereits in der bisherigen Fassung der Anrechnungsvorschrift enthalten gewesen sei (so zutreffend KG Berlin 2 W 128/09 vom 13.08.2009). Ergänzend ist die vom OLG Celle a.a.O. gefundene Begründung überzeugend, die zusammengefasst folgendes aussagt: 1. Durch die Vorschrift des § 15a RVG wird die Anrechnungsvorschrift in der Vorbemerkung 3 Abs. 4 Teil 3 W-RVG nicht außer Kraft gesetzt worden ist. Der mit der Anrechnungsvorschrift gesetzgeberisch verfolgte Zweck, dass ein Rechtsanwalt der in derselben Angelegenheit bereits einmal tätig geworden ist nicht doppelt verdienen soll, hat weiterhin seine Gültigkeit und wird durch die Neuregelung in § 15a RVG nicht in Frage gestellt. 2. Die Vorschriften des RVG regeln von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen allein das Innenverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant. Für dieses konkrete Innenverhältnis sieht die Vorbemerkung 3 Teil 3 W-RVG vor, dass eine vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr anzurechnen ist wenn der Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit bereits vorgerichtlich tätig geworden ist. Durch die neue Regelung in § 15a RVG hat sich für das Innenverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant nichts geändert. 3. Weder der damaligen Gesetzesbegründung noch dem Wortlaut der Vorbemerkung lässt sich entnehmen, dass der Gesetzgeber damals beabsichtigt hatte, auch eine abschließende Regelung darüber zu treffen, ob und inwieweit ein Prozessgegner sich im Rahmen der Kostenfestsetzung, also im Außenverhältnis zwischen dem Mandanten und dem Prozessgegner, darauf berufen kann, dass der Mandant keinem Anspruch seines Rechtsanwalts auf Zahlung einer vollen Geschäftsgebühr ausgesetzt ist. Der Gesetzgeber hat, weil diese weiterhin gültige Anrechnungsvorschrift der Vorbemerkung 3 Teil 3 Abs. 4 W-RVG nach seiner Auffassung zu unbefriedigenden Ergebnissen führte, indem sie den Auftraggeber benachteiligte, den neuen § 15a Abs. 2 RVG eingefügt. Dadurch hat er eine Vorschrift geschaffen, die nunmehr erstmals auch regelt wann sich ein Dritter, wie z.B. der Gegner im Kostenfestsetzungsverfahren, auf eine Anrechnungsvorschrift wie diejenige der Vorbemerkung 3 Abs. 4 Teil 3 Abs. 4 W-RVG berufen kann. Es wird deutlich, dass der damalige Gesetzgeber diese Frage ersichtlich nicht bedacht hatte und sich erst jetzt auf Initiative der Rechtsanwaltschaft veranlasst gesehen hat, tätig zu werden. 4. In den Gesetzgebungsmaterialien zu § 15a RVG findet sich auch kein Beleg dafür, dass der Gesetzgeber die vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung unter den Hinweis auf den eindeutigen Wortlaut vertretene Auslegung der Anrechnungsvorschrift in Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Teil 3 W-RVG für unzutreffend hält. 5. Die gegenteilige Auffassung einer gesetzgeberischen Klarstellung vermag zudem auch deshalb nicht zu überzeugen, weil eine ungeprüfte Anwendung des § 15a Abs. 2 RVG auf in der Vergangenheit liegende Tatbestände eine (unechte) Rückwirkung bedeuten würde, der aber gerade die Regelung des § 60 Abs. 1 RVG entgegensteht. Eine mit Einführung des § 15a RGV geschaffene Regelung, die deutlich macht dass § 60 Abs. 1 RVG keine Gültigkeit haben soll, existiert nicht. Eine Rückwirkung entgegen § 60 Abs. 1 RVG würde daher einen klaren Gesetzesverstoß darstellen. Ungeachtet dessen würde sich im Falle einer unechten Rückwirkung auch die Frage stellen, wie weit diese Rückwirkung auf Tatbestände vor ihrem Inkrafttreten reicht (vgl. hierzu auch die Ausführungen des Rechtspflegers im Nichtabhilfebeschluss vom 02.09.2009). 6. Für den Begriff der Gesetzesänderung ist aus Gründen der Rechtssicherheit an formale Kriterien anzuknüpfen. Eine Gesetzesänderung liegt bereits dann vor, wenn der Text eines Gesetzes geändert oder neue Vorschriften eingefügt werden. III. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO (Kosten), 62 f. GKG (Festsetzung des Beschwerdewerts) und 547 Abs. 1, 2 ZPO (Rechtsbeschwerde). Die Rechtsbeschwerde war zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung wegen abweichender Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte zuzulassen.
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