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RVG Entscheidungen

§ 15a

Anrechnungsregelung; Neuregelung, Altfälle; Anwendbarkeit

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Bamberg, Beschl. v. 05.10.2009, 7 WF 201/09

Fundstellen:

Leitsatz: Die Verfahrensgebühr muss auch dann in voller Höhe festgesetzt werden, wenn für den Bevollmächtigten eine Geschäftsgebühr entstanden ist, soweit die Festsetzung nach Inkrafttreten von § 15a RVG erfolgt ist. Es handelt sich insoweit nicht um eine Vorschrift, für die Übergangsrecht gilt, sondern um eine gesetzgeberische Klarstellung einer existenten Rechtslage. Demnach kommt auf den Zeitpunkt der Beauftragung nicht an, sondern nur auf denjenigen der Festsetzung.


Oberlandesgericht Bamberg
Beschluss
In der Sache

wegen Prozesskostenhilfe
erlässt das Oberlandesgericht Bamberg – 7. Zivilsenat – Familiensenat – durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht PD Dr. Bernreuther, den Richter am Oberlandesgericht Fuchs und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Meyer am 05.10.2009 folgenden
Beschluss
I. Auf die zugelassene sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengerichts – Gemünden a. Main vom 10. August 2009 abgeändert.
II. Auf die Erinnerung der Rechtsanwältin … wird der Beschluss des Amtsgerichts Gemünden am Main vom 5.6.2009 dahin abgeändert, dass die der Rechtsanwältin aus der Staatskasse zu zahlende Prozesskostenhilfevergütung auf 387,82 Euro festgesetzt wird.
Gründe:
I.
Mit Beschluss des Amtsgerichts – Familiengerichts – Gemünden a. Main vom 16.01.2009 wurde Rechtsanwältin … der Klägerin für den ersten Rechtszug im Wege der Prozesskostenhilfe als Prozessbevollmächtigte beigeordnet (Bl. 16, 17 UH PKH).
Mit Beschluss vom 05.06.2009 (Bl. 20 UH PKH) hat dasselbe Amtsgericht die der Rechtsanwältin Dr. Bils aus der Staatskasse zu zahlende Prozesskostenhilfevergütung auf 316,60 Euro festgesetzt. Dabei hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Geschäftsgebühr nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV-RVG auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet. Eine beantragte 0,65 Gebühr aus dem Gegenstandswert von 1 635,35 wurde deshalb (einschließlich beantragter Umsatzsteuer) abgesetzt (handschriftliche Korrektur Bl. 20 UH PKH). Gegen diesen, ihr am 08.06.2009 bekannt gemachten Beschluss hat die beschwerte Rechtsanwältin mit am 17.06.2009 eingegangenem Schriftsatz vom 16.06.2009 Erinnerung eingelegt. Sie wendet sich lediglich gegen die Anrechnung der 0,65 Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr. Zur Begründung führt sie an, dass § 15a RVG, der durch Art. 7 Abs. 4 Nr. 3 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im antwaltlichen notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung, der Finanzgerichtsordnung und kostenrechtlicher Vorschriften in das RVG eingefügt worden sei. Nach dessen Abs. 1 sei die vorgenommene Anrechnung nicht mehr zulässig. Die Verfahrensgebühr sei unvermindert festzusetzen. Auf die Begründung der Erinnerung vom 16.06.2009 der Rechtsanwältin Dr. Bils (Bl. 25 ff. UH PKH) wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen. Das Amtsgericht – Familiengericht – Gemünden a. Main hat mit Beschluss vom 10.08.2009 die Erinnerung der Klägervertreterin gegen den PKH-Kostenfestsetzungsbeschluss vom 05.06.2009 als unbegründet zurückgewiesen und die Beschwerde zum OLG Bamberg wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass § 15a RVG zum Zeitpunkt der Entscheidung vom 10.08.2009 bereits in Kraft war, hat sich das Gericht den Ausführungen des hessischen Landesarbeitsgerichte in einem Beschluss vom 07.07.2009 angeschlossen. Auch nach dem 01.09.2009 sei § 15a RVG nicht anzuwenden, weil gem. § 60 Abs. 1 RVG das bis dahin geltende Recht Anwendung finde, wenn der Auftrag oder die Beiordnung vor Inkraftreten der Gesetzesänderung erfolgte, wie dies vorliegend der Fall gewesen sei.
Gegen den ihr am 24.08.2009 zugestellten Beschluss hat die Beschwerte Rechtsanwältin mit am 07.09.2009 beim Oberlandesgericht Bamberg eingegangenem Schriftsatz Beschwerde erhoben. Sie hat darauf hingewiesen, dass am 05.08.2009 die §§ 15a RVG und 55 Abs. 5 RVG in Kraft getreten seien. Bei ihnen handle es sich nicht um Übergangsvorschriften i.S.d. § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG, weshalb es nicht darauf ankomme, wann der Auftrag erteilt worden sei. Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/12717, Seite 67 rechte Spalte und Seite 68 linke Spalte) sei nur klar gestellt worden, wie die im RVG enthaltenen Anrechnungsvorschriften auszulegen seien. Mehrere Gerichte hätten sich schon für die Anwendung der neuen Vorschriften auf Altfälle ausgesprochen. Für die Einzelheiten des Beschwerdevorbringens wird auf den Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 07.09.2009 (Bl. 42 ff.d.A.) Bezug genommen. Das Amtsgericht – Familiengericht – Gemünden a. Main hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt (Beschluss vom 14.09.2009, Bl. 50 UH PKH).
II.
Die zulässige (1) Beschwerde ist begründet (2). Der angegriffene Beschluss war deshalb aufzuheben und der Erinnerung der Rechtsanwältin Bils stattzugeben (3).
1. Gem. § 56 Abs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 2 ZPO war die Beschwerde wegen der ausdrücklichen Zulassung des Gerichts in der angefochtenen Entscheidung im vorliegenden Fall zulässig, obwohl der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 Euro nicht übersteigt. Die übrigen in den oben genannten Bestimmungen enthaltenen Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Beschwerde liegen vor.
2. Auf den vorliegenden Antrag der beigeordneten Rechtsanwältin war § 15a Abs. 1 GKG in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 30.07.2009 anzuwenden. § 15a RVG ist gem. Art. 10 Satz 2 des genannten Gesetzes am Tag nach der Verkündung, also am 05.08.2009, in Kraft getreten. Die Bestimmung ist deshalb anzuwenden, weil § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG den vorliegenden Fall nicht erfasst und deshalb der Umstand, dass der unbedingte Auftrag an die Beschwerdeführerin bereits vor dem Inkrafttreten des § 15a RVG erteilt worden ist, ist rechtlich unerheblich ist. Mit der neu eingeführten Bestimmung hat der Gesetzgeber das RVG nicht geändert, sondern lediglich die seiner Ansicht nach bereits vor Einfügung von § 15a RVG bestehende Gesetzeslage klargestellt. Erkennbar ist der Sinn des Gesetzes, ein vom Gesetzgeber nicht so gewolltes Verständnis des Begriffs der Anrechnung durch den Bundesgerichtshof (BT-Drucks 16/12717 S. 67 re. Spalte) mit Hilfe einer inhaltlichen Bestimmung dessen, was der Gesetzgeber unter Anrechnung versteht (BT-Drucks 16/12717 S. 68 li. Spalte) zeitnah zu korrigieren. Diesem erkennbaren Sinn der gesetzlichen Bestimmung ist von den Gerichten Rechnung zu tragen, indem – so weit rechtlich möglich – das Verständnis des Gesetzgebers von der „Anrechnung“ an die Stelle desjenigen tritt, die der BGH in verschiedenen Entscheidungen seit derjenigen vom 22.1.2008 (VIII ZB 57/07 ) vertreten hat. Dazu ist der Anwendungsbereich der Bestimmung des § 60 Abs. 1 RVG entweder im Wege der Gesetzesauslegung (Klarstellung ist nicht Änderung, vgl. BGH a.a.O.) oder der Rechtsfortbildung (sog. teleologische Reduktion) dahin zu beschränken, dass die nicht beabsichtigte Reduzierung anwaltlicher Gebühren auch in Fällen wie dem vorliegenden, in denen das Kostenfestsetzungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist, nicht mehr stattfinden kann. In der Kostenfestsetzung muss daher vorliegend eine Verfahrensgebühr auch dann in voller Höhe festgesetzt werden, wenn für den Bevollmächtigten eine Geschäftsgebuhr entstanden ist ( BGH, Beschluss vom 02.09.2009, II ZB 35/07, Rn. 8). Die allenfalls als Gegenargument in Betracht zu ziehenden fiskalischen Gesichtspunkte habenhinter dem erkennbaren gesetzgeberischen Willen zurückzustehen.
III.
Auf die Erinnerung der Rechtsanwältin … wird deshab der Beschluss des Amtsgerichts Gemünden am Main vom 5.6.2009 dahin abgeändert, dass die der Rechtsanwältin aus der Staatskasse zu zahlende Prozesskostenhilfevergütung auf 387,82 Euro festgesetzt wird.
Kosten werden gem. § 56 Abs. 2 Satz 3 RVG nicht erstattet.
Die Zulassung einer weiteren Beschwerde zum BGH kam gem. § 56 Abs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 6 RVG nicht in Betracht.


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