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RVG Entscheidungen

§ 9

Vorschuss, Rückforderung, Bindungswirkung, straf-/bußgeldrechtliche Entscheidung

Gericht / Entscheidungsdatum: AG Charlottenburg, Urt. v. 03.03.2010 - 207 C 463/09

Eigener Leitsatz:

Für die Beurteilung der Angemessenheit der gesetzlichen Gebühren ist, wenn von der Rechtsschutzversicherung ein Vorschuss (teilweise) zurückgefordert wird, allein das vertragliche Verhältnis zwischen dem beklagten Rechtsanwalt und dessen Mandanten bzw. der klagenden Rechtsschutzversicherung und dem Mandanten maßgeblich, nicht jedoch die Beurteilung der Kostenhöhe durch das für das Bußgeld-/Strafverfahren zuständige Gericht.


Amtsgericht Charlottenburg

Im Namen des Volkes

Urteil gem. § 313a ZPO

Geschäftsnummer: 207 C 463/09
verkündet am : 03.03.2010

In dem Rechtsstreit pp. (RSV gegen Rechtsanwalt)

hat das Amtsgericht Charlottenburg, Zivilprozessabteilung 207, auf die mündliche Verhandlung vom 03.03.2010 durch den Richter am Amtsgericht für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. 3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

(von de Abfassung des Tatbestandes wird gemäß § 313a ZPO abgesehen)

Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Zahlungsanspruch aus §§ 675, 667 BGB oder § 812 Abs. 1 BGB.

Der Rechtsübergang von Ansprüchen des Mandanten gegen den Beklagten ergibt sich dabei aus § 67 Abs. 1 S. 1 WG in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung (WG aF.) bzw. aus § 86 Abs. 1 WG in der ab dem 1. Januar 2008 geltenden Fassung in Verbindung mit den dem Rechtsschutzversicherungsvertrag zu Grunde liegenden ARB 2004.

Ist der Vorschussbetrag, den der Versicherer dem Versicherungsnehmer oder Versicherten oder dem Rechtsanwalt unmittelbar zur Verfügung gestellt hat, höher als die Kostenschuld, dann entsteht zugunsten des Mandanten grundsätzlich ein Anspruch auf Rückzahlung aus §§ 675, 667 BGB. Dieser geht als Anspruch "auf Erstattung" nach den genannten Klauseln auf den Versicherer über (vgl. OLG Düsseldorf, VersR 2008, 1347; Harbauer, Rechtsschutzversicherung, 7. Auflage, § 20 ARB75 Rdn. 25). Entsprechend verhält es sich mit Kostenerstattungen, die Dritte an den Rechtsanwalt gezahlt haben. Zunächst geht der Anspruch des mitversicherten Mandanten auf Kostenerstattung gegen Dritte sogleich mit seiner Entstehung auf den Rechtsschutzversicherer als Schadensversicherer über (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 2000, 174; OLG München, RuS 1999, 158 f.). Geht dieser Anspruch durch Zahlung an den einziehungsberechtigten Rechtsanwalt unter, so entsteht wiederum ein Herausgabeanspruch des Mandanten gegen den Rechtsanwalt, der die Kostenerstattung vereinnahmt und darüber abzurechnen hat. Auch dieser Anspruch geht nach den genannten Bestimmungen als Kostenerstattungsanspruch auf den Versicherer über (vgl. OLG Düsseldorf aaO).

Der Beklagte hat unstreitig von der Staatskasse einen Betrag in Höhe von 498,21 Euro erhalten; von der Klägerin einen Betrag in Höhe von 435,- Euro. Ferner hat der Beklagte unstreitig an die Klägerin einen Betrag von 195,31 Euro gezahlt.

Es besteht ein Rechtsgrund zum Behaltendürfen bzw. ein vertraglicher Honoraranspruch des Beklagten hinsichtlich des von der Klägerin an den Beklagten ausgekehrten (Rest-) Betrages von 238,11 Euro.

An die Kostenfestsetzung durch das für das Bußgeldverfahren zuständige Gericht ist das Zivilgericht nicht gebunden. Maßgeblich ist insoweit allein das vertragliche Verhältnis zwischen dem Beklagten und dessen Mandanten bzw. der Klägerin und dem Mandanten, nicht jedoch die Beurteilung der Kostenhöhe durch das für das Bußgeldverfahren zuständige Gericht; insbesondere haben die Parteien hier nicht vorgetragen, dass eine Vereinbarung dahingehend getroffen wurde, dass die gerichtliche Kostenfestsetzung die Höhe der Honoraranspruchs begrenzen soll. Dies ergibt sich auch nicht ohne Weiteres aus den Umständen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss die Rechtsschutzversicherung den Differenzbetrag zahlen, wenn ein Verteidiger von seinem Mandanten, für den er einen Freispruch erzielt hat, innerhalb des gesetzlichen Gebührenrahmens eine höhere Vergütung verlangen kann, als im Verfahren nach § 464b StPO gegenüber der erstattungspflichtigen Staatskasse festgesetzt worden ist (vgl. BGH, VersR 1972, 1141). Dies folgt aus dem Vergleich zu dem Falle der Verurteilung, in dem der Mandant bzw. die Rechtsschutzversicherung ebenfalls die vollen Gebühren tragen muss. Nichts anderes kann für das Bußgeldverfahren gelten.

Die Klägerin hat, was die geleisteten Vorschüsse anbelangt, gegen den Beklagten nur einen Anspruch auf Rückzahlung der Honoraranteile, welche das dem Beklagten nach dem RVG zustehende Honorar übersteigen. Denn der Beklagte schuldet gemäß §§ 667, 670 BGB nur die Beträge, die er nicht zur bestimmungsgemäßen Ausführung des Mandats verwandt hat. Dabei ist der Beklagte für die Honorarhöhe darlegungs- und beweispflichtig. Dies resultiert daraus, dass er gegenüber dem Mandanten aus § 667 BGB herausgabepflichtig ist und deshalb die Darlegungs- und Beweislast für die bestimmungsgemäße Verwendung der zur Auftragsausführung (vgl. BGH, NJW-RR 2004, 121 und 927; WM 1988, 763) oder den bestimmungsgemäßen Verbrauch (vgl. BGH, NJVV 1997, 47) zur Verfügung gestellten Gelder hat, seien sie als Vorschuss der Klägerin oder im Wege der Kostenerstallung des Prozessgegners an ihn geflossen (vgl. auch OLG Düsseldorf aa0; Palandt/Sprau, BGB, 69. Auflage, § 667 Rcln. 10) . An der Darlegungs- und Beweislast ändert sich durch den Rechtsübergang auf die Klägerin als Rechtsschutzversicherung nichts. Denn die Klägerin rückt in die Position des Mandanten ein. Dabei hat sich der Rechtsnachfolger zwar grundsätzlich seiner Informationsrechte, die ihm im Zusammenhang mit dem Rechtsübergang zustehen, zu bedienen (vgl. OLG Düsseldorf aa0 und MDR 2002, 1148).

Der Beklagte muss demnach seine Erwägungen, welche Kriterien er seinem Bestimrnungs- und Ermessensausübungsrecht nach § 14 RVG zugrunde legt, in dem Gebührenprozess vortragen. Dieser Darlegungslast ist der Beklagte in einem ausreichenden Maße nachgekommen. Nach Auffassung des Gerichts sind die geltend gemachten Gebühren nach Nr. 5100, 5103, 5109, 5110 VVRVG der Höhe nach nicht zu beanstanden - dass diese dem Grunde nach entstanden sind, ist zwischen den Parteien unstreitig.

Ausgangspunkt bei der Bestimmung der Gebührenhöhe ist - entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (WW 2006, 247 ff.) - zunächst, dass allein die Bestimmung des Mittelwerts einer gesetzlichen Rahmengebühr billigem Ermessen entspricht, wenn keine besonderen Umstände vorliegen (vgl. auch BGH NJW 2004, 1043, 1046). Ein Rechtsanwalt hat grundsätzlich unter den in § 14 Abs. 1 RVG genannten Voraussetzungen denjenigen Gebührensatz selbst zu bestimmen, der billigem Ermessen entspricht und dabei alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Dabei wird dem Rechtsanwalt ein Rahmen zugestanden, innerhalb dessen seine Entscheidung durch das Gericht nicht überprüfbar ist. In diesem Zusammenhang wird teilweise vertreten, Bußgeldverfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten die durchschnittlichen Bußgeldverfahren sind, sodass stets von der Mittelgebühr auszugehen sei (vgl. die Nachweise bei Madert, in Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/Müller-Rabe, Kommentar zum RVG, 16. Aufl., § 14 Rdn. 93). Teilweise wird vertreten, dass im Rahmen der Bestimmung der Angemessenheit der Gebühr in Bußgeldverfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten im Regelfall von der Mittelgebühr auszugehen ist (vgl. AG Saarbrücken, Uri. v. 19.05.2006 - 42 C 377/05). Dem kann sich das Gericht nicht ohne weiteres anschließen. Bei Verkehrsverstößen, die mit eintragungspflichtigem Bußgeld bedroht sind, kann nicht generell von Durchschnittlichkeit ausgegangen werden. Es ist eine Differenzierung nach den individuellen Umständen - Höhe des Bußgeldes und Einkommen, drohendes Fahrverbot, Angewiesenheit auf das Fahrzeug, inwieweit ist der Betroffene bereits in Flensburg vorbelastet zu treffen. Soweit ein Umstand vom Durchschnitt abweicht, kann jedes der Bemessungskriterien des § 14 RVG Anlass sein, vom Mittelwert nach oben oder unten abzuweichen.

Hier war nach dem substantiierten Vortrag des Beklagten zunächst zu berücksichtigen, dass der Mandant als Ingenieur über ein zumindest durchschnittliches Einkommen verfügte; ferner, dass bereits 9 Punkte in dem Verkehrszentralregister in Flensburg eingetragen waren und aufgrund des weiteren drohenden Punktes in naher Zukunft ein Entzug des - obendrein für die Ausübung des Berufes des Mandanten zwingend benötigten - Führerscheins drohte. Schließlich war zu berücksichtigen, dass die das Bußgeldverfahren betreffende Akte mit 20 Seiten einen durchaus als durchschnittlich zu bewertenden Umfang aufwies. Soweit auf die Dauer der Hauptverhandlung von lediglich vier Minuten abgestellt wird, ist insoweit festzustellen, dass diese für sich genommen als unterdurchschnittlich angesehen werden kann, indes wird dieser Umstand insoweit relativiert, als dies bei Einstellungen in Bußgeldverfahren, die in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht Schwierigkeiten aufweisen, nicht unüblich sein dürfte.

Die Beantwortung der zwischen den Parteien streitigen Frage, ob für die Tätigkeit jeweils der Ansatz der Mittelgebühr gerechtfertigt war, kann im Ergebnis dahinstehen. Nach Auffassung des Gerichts liegt die jeweils angemessene Gebühr zumindest nicht mehr als 20 Prozent unter der Mittelgebühr. Bestimmt aber der im Rahmen eines üblichen Verkehrsunfalls tätige Rechtsanwalt seine Gebühren mit dem Mittelwert überschreitet er jedenfalls unter Berücksichtigung einer Toleranzgrenze von 20 Prozent (vgl. hierzu OLG Koblenz, MW 2005, 917; OLG Düsseldorf, AnwBl 1998, 539; LG Leipzig, VRR 2009, 119; LG Zweibrücken, ZfS 1992, 172) nicht das ihm bei der Gebührenbestimmung eingeräumte Ermessen (vgl_ AG Geinhausen, AGS 2007, 453). Insofern ist es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte jeweils die Mittelgebühr abrechnete.

Hiernach bestand ein Anspruch gegen den Mandanten auf Zahlung eines Betrages von insgesamt 737,90 Euro. Hiervon waren die Zahlungen der Klägerin (435,- Euro) und der Staatskasse (498,21 Euro) in Abzug zu bringen, so dass lediglich ein Anspruch der Klägerin auf (Rück-) Zahlung eines Betrages von 195,31 Euro bestand, den der Beklagte unstreitig (vor Anhängigkeit des Rechtsstreits) erfüllt hat.

Der Einholung eines Gutachtens der Rechtsanwaltskammer bedurfte es nach § 14 Abs. 2 RVG nur im Gebührenprozess zwischen dem Anwalt und seinem Auftraggeber. im Rechtsstreit zwischen dem Auftraggeber und seinem Rechtsschutzversicherer steht es im Ermessen des Gerichts, ein solches Gutachten einzuholen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Die Berufung wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 ZPO nicht vorliegen; es handelt sich um eine auf den Umständen des Einzelfalls beruhende Entscheidung.


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