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RVG Entscheidungen

§ 43

Erinnerung und Beschwerde gegen Festsetzung der Pflichtverteidigervergü-tung; Abtretung des Erstattungsanspruchs an Verteidiger; Differenztheorie; Anrechnung gezahlter Pflichtverteidigervergütung bei Teilfreispruch

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.02.2010 - III-1 Ws 700/09

Fundstellen:

Leitsatz: 1. Die Erinnerung gegen die Festsetzung der Pflichtverteidigervergütung ist unbefristet. Die auf eine Erinnerung ergangene Abhilfeentscheidung des Urkundsbeamten ist als abgeänderte Fest-setzung erneut mit der Erinnerung anfechtbar.
2. Nach Abtretung des Anspruchs auf Erstattung notwendiger Auslagen an den Verteidiger ist dieser antragsberechtigter "Beteiligter” im Sinne des § 464b StPO.
3. Bei einem Teilfreispruch bedarf es zur Ermittlung der erstattungsfä-higen Auslagen nach der herrschenden Differenztheorie eines Ver-gleichs der dem Verurteilten tatsächlich entstandenen notwendigen Auslagen mit denjenigen, die ihm im hypothetischen Falle eines be-schränkten Verfahrensgegenstandes erwachsen wären.
4. Mit Ausnahme der Umsatzsteuer kann der Pflichtverteidiger von sei-nem Mandanten im Verfahren nach § 52 RVG keine Auslagen verlan-gen.
5. Die gezahlten Pflichtverteidigergebühren sind bei einem Teilfreispruch in voller Höhe und nicht etwa nur im anteiligen Verhältnis von Freispruch zu Verurteilung auf den nach der Differenzmethode be-rechneten Erstattungsanspruch anzurechnen.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF
BESCHLUSS
III-1 Ws 700/09
In der Strafsache
gegen pp.
wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz
hat der 1. Strafsenat durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft am 24. Februar 2010 besachlossen:

1. Auf die Erinnerung des Rechtsanwalts gegen den Abhilfebeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle am Landgericht Düsseldorf vom 29. April 2009 ist eine Entscheidung des Senats nicht veranlasst.

2. Die sofortige Beschwerde des Rechtsanwalts gegen den Beschluss des Rechtspflegers am Landgericht Düsseldorf vom 19. August 2009 wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unbegründet verworfen.


Gründe:

Der vorliegenden Kostenangelegenheit liegt folgender Verfahrensablauf zugrunde:

Mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Düsseldorf vom 27. April 2005 wurde dem inhaftierten Verurteilten zur Last gelegt, im Zeitraum Dezember 2003 bis Februar 2004 in sieben Fällen unerlaubt Betäubungsmittel erworben und sich im Zeitraum November 2004 bis 8. März 2005 des fünffachen – in einem Fall bewaffneten – unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gemacht zu haben. In der Hauptverhandlung vor der großen Strafkammer am 25. Juli 2005 beschränkte das Landgericht Düsseldorf die Strafverfolgung auf die angeklagten Verbrechenstatbestände des Zeitraums November 2004 bis 8. März 2005 und verhängte dieserhalb gegen den Verurteilten eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren wegen 14fachen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Auf die Revision des Verurteilten hob der BGH das Urteil durch Beschluss vom 20. Dezember 2005 (3 StR 424/05) auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts. Die Staatsanwaltschaft leitete daraufhin ein zusätzliches Strafverfahren (60 Js 1621/06) gegen den Verurteilten ein und klagte ihn unter dem 7. April 2006 wegen weiterer neun Fälle des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, begangen im Zeitraum November 2004 bis 8. März 2005, an. Nach erfolgter Hinzuverbindung dieses Verfahrens wurde der Verurteilte durch Urteil der XI. großen Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 11. Mai 2006 – rechtskräftig seit dem 22. September 2006 – wegen fünffachen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen einer weiteren Tat des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und im Übrigen freigesprochen, wobei das Landgericht die dem Verurteilten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegte. Am 9. Mai 2006 trat der Verurteilte seinen Anspruch auf Er-stattung notwendiger Auslagen an den Beschwerdeführer ab.

Der am Landgericht Düsseldorf zuständige Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung für die Pflichtverteidigertätigkeit des Beschwerdeführers im landgerichtlichen Verfahren nach erfolgter Zurückverweisung der Sache am 12. Juni 2006 antragsgemäß auf 850,28 € festgesetzt und diese Festsetzung – auf Erinnerung des Bezirksrevisors – mit Abhilfebeschluss vom 29. April 2009 in Höhe von 346,84 € aufgehoben. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Festsetzung notwendiger Auslagen in Form von Wahlverteidigergebühren ist durch Rechtspflegerbeschluss vom 19. August 2009 abgelehnt worden. Mit Schriftsatz vom 25. August 2009 hat der Beschwerdeführer sowohl den Rechtspflegerbeschluss vom 19. August 2009 als auch die Abhilfeentscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 29. April 2009 mit dem jeweils zulässigen Rechtsmittel angefochten.

I.
Über die – entgegen den Ausführungen des Landgerichts in seinem Vermerk vom 14. Dezember 2009 (Bl. 420 d.A.) ausdrücklich erklärte (Bl. 413 d.A.) – Anfechtung der Abhilfeentscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 29. April 2009 hat der Senat nicht zu befinden.

Die angefochtene Entscheidung betrifft die Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 RVG. Diesbezügliche Beschlüsse des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle sind zunächst mit der nicht fristgebunde-nen Erinnerung anfechtbar, über die – im Fall der Nichtabhilfe – das Ursprungsge-richt – dort grundsätzlich der Einzelrichter – zu befinden hat (§ 56 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, § 33 Abs. 4 Satz 1, Abs. 7, Abs. 8 RVG; Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, RVG, 18. Auflage [2008], § 56 Rdnr. 3-15). Erst gegen dessen Entscheidung ist – nach Durchführung eines Abhilfeverfahrens – die Beschwerde beim nächsthöheren Gericht zulässig (§ 56 Abs. 2 Satz 1, § 33 Abs. 3-8 RVG; Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, aaO, § 56 Rdnr. 16 ff).

Entsprechendes gilt auch hier. Die auf eine Erinnerung des Bezirksrevisors ergangene Abhilfeentscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle stellt sich als (abgeänderte) Festsetzung der Pflichtverteidigergebühr dar und ist als solche – erneut – mit der Erinnerung anfechtbar. Dem insoweit mit Schriftsatz vom 25. August 2009 eingelegten Rechtsmittel des Beschwerdeführers hat die Rechtspflegerin nicht abgeholfen (Vermerk vom 23. Dezember 2009, Bl. 419R d.A.), so dass nunmehr die Strafkammer über die Erinnerung zu entscheiden hat (zur materiellen Rechtslage vgl. die nachfolgenden Ausführungen zu II 2 a cc).

II.
Das Rechtsmittel des Beschwerdeführers gegen den Rechtspflegerbeschluss vom 19. August 2009 ist als sofortige Beschwerde gemäß § 464b Satz 3 StPO, §§ 21 Nr. 1, 11 Abs. 1 RPflG, § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO zulässig, aber unbegründet.

1. Der Beschwerdeführer, der das Auslagenfestsetzungsverfahren nach erfolgter Vorlage der mit dem Verurteilten getroffenen Abtretungsvereinbarung im eigenen Namen betreibt, ist als Zessionar der Erstattungsforderung seines Mandanten an-tragsberechtigter „Beteiligter” im Sinne des § 464b StPO (vgl. hierzu Meyer-Goßner, StPO, 52. Auflage [2009], § 464b Rdnr. 2).

2. Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.

Nach der maßgeblichen Auslagenentscheidung des landgerichtlichen Urteils kann der Verurteilte nur die Erstattung derjenigen notwendigen Auslagen verlangen, die durch die vom Freispruch umfassten Anklagevorwürfe entstanden sind. Zur Ermitt-lung dieser erstattungsfähigen Auslagen bedarf es nach der herrschenden Differenztheorie (vgl. OLG Düsseldorf JurBüro 1990, 1662 und 1991, 1532, jeweils m.w.N.; Meyer-Goßner, aaO, § 465 Rdnr. 8, 9) eines Vergleichs der dem Verurteilten tatsächlich entstandenen notwendigen Auslagen mit denjenigen, die ihm im hypothetischen Falle eines beschränkten Verfahrensgegenstandes erwachsen wären. Im Hinblick auf die – hier zur Rede stehende – Verteidigervergütung ist mithin zu prüfen, welcher Honoraranspruch dem Verteidiger gegen den Verurteilten tatsächlich zusteht und wie hoch sich dieser Anspruch belaufen würde, wenn nur die von der Verurteilung umfassten Taten Gegenstand des Verfahrens und der Verteidigerbemühungen gewesen wären; grundsätzlich erstattungsfähig ist nur die Differenz dieser beiden Rechnungsposten.

Bei der Berechnung der dem Verurteilten entstandenen notwendigen Auslagen für die Tätigkeit des Beschwerdeführers als Verteidiger ist ferner zu berücksichtigen, dass ein Honoraranspruch des Pflichtverteidigers gegen seinen Mandanten – abge-sehen vom hier nicht vorliegenden Fall besonderer Vereinbarungen – nur in den durch § 52 Abs. 1 RVG gezogenen Grenzen besteht. Hiernach kann der gerichtlich bestellte Rechtsanwalt von seinem Mandanten zwar die Zahlung der Gebühren eines gewählten Verteidigers verlangen, deren Höhe in Anwendung der Bemessungsgrundsätze des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG zu bestimmen ist; der Anspruch entfällt jedoch insoweit, als die Staatskasse Gebühren gezahlt hat. Auch Auslagen kann der Pflichtverteidiger von seinem Mandanten im Verfahren nach § 52 RVG nicht beanspruchen; hiervon ausgenommen ist lediglich die auf den Gebührenaufwand entfallende Mehrwertsteuer (Gerold/Schmidt-Madert, aaO,§ 52 Rdnr. 4, 5).

Nach diesen Grundsätzen sind im vorliegenden Fall keine notwendigen Auslagen für die Verteidigertätigkeit des Beschwerdeführers erstattungsfähig. Sein Honoraranspruch belief sich auf 3.174,92 € (a); im Falle eines von vornherein auf die abgeurteilten Delikte beschränkten Verfahrensgegenstandes wären Wahlverteidiger-gebühren in Höhe von 2.601,30 € entstanden (b). Die nach der Auslagengrundentscheidung des Landgerichts auf die Staatskasse entfallende Differenz von 573,62 € wird durch die bereits gezahlten Pflichtverteidigergebühren in Höhe von 2.081,04 € vollständig aufgezehrt (c).

a) Der gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 RVG tatsächlich entstandene Honoraranspruch beträgt 3.174,92 € und setzt sich wie folgt zusammen:

• Erstinstanzliches Verfahren bis zum Urteil vom 25. Juli 2005
Grundgebühr Nr. 4101 VV 202,50 €
Vorverfahrensgebühr Nr. 4105 VV 171,25 €
Verfahrensgebühr Nr. 4113 VV 188,75 €
Terminsgebühr Nr. 4115 VV 440,00 €
• Revisionsverfahren
Verfahrensgebühr Nr. 4131 VV 842,00 €
• Erstinstanzliches Verfahren nach Zurückverweisung
Grundgebühr hinzuverb. Verfahren Nr. 4101 VV 202,50 €
Verfahrensgebühr Nr. 4113 VV 250,00 €
Terminsgebühr Nr. 4115 VV 440,00 €
2.737,00 €
zzgl. 16% MWSt 437,92 €
3.174,92 €

aa) Ansatzpunkt für die Gebührenbemessung anhand der Merkmale des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG ist innerhalb eines gesetzlich festgelegten Betragsrahmens die sogenannte Mittelgebühr, die für Strafsachen durchschnittlicher Bedeutung, durchschnittlichen Umfangs und durchschnittlicher Schwierigkeit bei dem Bevölkerungsdurchschnitt entsprechenden Einkommensverhältnissen des Mandanten gilt. Sie deckt die Tätigkeit des Beschwerdeführers im erstinstanzlichen Verfahren bis zur Hauptverhandlung vom 25. Juli 2005 (in Bezug auf Grundgebühr, Vorverfahrensgebühr und Verfahrensgebühr) angemessen ab, ohne dass Umstände erkennbar sind, die eine Erhöhung oder Ermäßigung rechtfertigen.

Zwar ist die Angelegenheit für den Mandanten des Beschwerdeführers von hoher Bedeutung gewesen, denn der Verurteilte war des vielfachen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz, unter anderem der fünffachen Verwirklichung eines Verbrechenstatbestandes (§ 29a Abs. 1 Nr. 2, § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG), angeklagt und hatte dieserhalb mit der Verhängung einer empfindlichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Der erheblichen Bedeutung der Angelegenheit für den Verurteilten einerseits stehen jedoch dessen unterdurchschnittliche Vermögens- und Einkommensverhältnisse andererseits gegenüber, denn der in Haft befindliche Verurteilte war ausweislich der Urteilsfeststellungen seit 2003 ohne Arbeit oder geregeltes Einkommen. Im Hinblick auf Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit kommt dem hier zur Rede stehenden Verfahren – gemessen an den üblicherweise vor der großen Strafkammer verhandelten Fällen – nicht mehr als durchschnittliche Bedeutung zu, denn die Klärung der Tatvorwürfe beruhte von Anbeginn auf der geständigen Einlassung des Verurteilten und wies keine außergewöhnlichen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf. Unter Berücksichtigung dieser Gesamtumstände ist der anwaltlichen Tätigkeit des Beschwerdeführers im Vorfeld der Hauptverhandlung – auch unter Berücksichtigung der in diesem Stadium gestellten Anträge (auf Herausgabe sichergestellter Gegenstände und auf Außervollzugsetzung des Haftbefehls) – durch den Ansatz der Mittelgebühr in angemessener und ausreichender Weise Rechnung getragen.

bb) Für den weiteren Verlauf des Verfahrens 60 Js 1168/05 ist nach den Bemes-sungsgrundsätzen des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG die jeweils maßgebliche Mittelgebühr um ein Drittel zu erhöhen. Die Strafkammer hat im Termin vom 25. Juli 2005 darauf hingewiesen, dass sie die im Zeitraum November 2004 bis 8. März 2005 begangenen Delikte aufgrund der Einlassung des Verurteilten rechtlich als 14faches Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge werte. Mit diesem Hinweis wuchs die Bedeutung der Angelegenheit für den Verurteilten, da er nunmehr – im Vergleich zum bisherigen Anklagevolumen – die rechtskräftige Verurteilung wegen neun weiterer Verbrechenstatbestände und damit die Verhängung einer sehr viel höheren Gesamtfreiheitsstrafe zu befürchten hatte. Für die im weiteren Verfahrensverlauf angefallenen Gebührentatbestände (Termins- und Verfahrensgebühren) ist aufgrund dieses Umstandes die Mittelgebühr um ein Drittel zu erhöhen. Eine weitergehende Erhöhung erscheint nicht angemessen, da die Angelegenheit auch im weiteren Verlauf nicht mit besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art verbunden war und die Tätigkeit des Beschwerdeführers – auch im Revisionsverfahren – keinen außergewöhnlichen Umfang erreichte.

cc) Zu Recht hat der Beschwerdeführer in seinem Festsetzungsantrag für das Ver-fahrensstadium nach erfolgter Zurückverweisung der Sache durch den BGH eine zusätzliche Grundgebühr in Ansatz gebracht, denn diese ist für das hinzuverbundene Verfahren 60 Js 1621/06 entstanden (vgl. Gerold/Schmidt-Burhoff, aaO, Nr. 4100, 4101 VV Rdnr. 16). Der Senat hält insoweit die Mittelgebühr für angemessen, da die im hinzuverbundenen Verfahren angeklagten Taten bereits Gegenstand des landgerichtlichen Urteils vom 25. Juli 2005 gewesen waren und die Verfahrensverbindung daher für den Beschwerdeführer keinen hohen Einarbeitungsaufwand mehr erforderte.

Eine (zusätzliche) Vorverfahrensgebühr ist – entgegen dem Antrag des Beschwerdeführers – im Stadium nach erfolgter Zurückverweisung der Sache nicht mehr entstanden, denn es ist nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer für seinen Mandanten in dem hinzuverbundenen Verfahren 60 Js 1621/06 bereits vor der Anklageerhebung als Verteidiger tätig gewesen war.

dd) Soweit der Beschwerdeführer selbst im Auslagenfestsetzungsverfahren für sämtliche angefallenen Gebührentatbestände jeweils die Höchstgebühr angesetzt hat, ist seine anwaltliche Gebührenbestimmung nicht verbindlich, da sie die vom Senat für angemessen erachtete Gebühr um mehr als 20% übersteigt und deshalb unbillig zu hoch ist (§ 14 Abs. 1 Satz 4 RVG; vgl. Senat AnwBl 1982, 262; Gerold/Schmidt-Mayer, aaO, § 14 Rdnr. 12). Umstände, die insoweit eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könnten, sind weder aus der Akte ersichtlich noch vom Beschwerdeführer dargelegt worden. Dessen Vorbringen ist insbesondere nicht zu entnehmen, dass und inwieweit die behauptete problematische Persönlichkeitsstruktur des Verurteilten besondere Schwierigkeiten speziell für dessen anwaltliche Beratung mit sich gebracht hat.

b) Die „fiktive“ Wahlverteidigergebühr, die im Falle eines von vornherein auf die letztlich abgeurteilten Tatvorwürfe beschränkten Verfahrensgegenstandes angefallen wäre, beläuft sich auf 2.601,30 € und setzt sich wie folgt zusammen:

• Erstinstanzliches Verfahren bis zum Urteil vom 25. Juli 2005
Grundgebühr Nr. 4101 VV 202,50 €
Vorverfahrensgebühr Nr. 4105 VV 171,25 €
Verfahrensgebühr Nr. 4113 VV 188,75 €
Terminsgebühr Nr. 4115 VV 328,75 €
• Revisionsverfahren
Verfahrensgebühr Nr. 4131 VV 631,25 €
• Erstinstanzliches Verfahren nach Zurückverweisung
Grundgebühr hinzuverb. Verfahren Nr. 4101 VV 202,50 €
Verfahrensgebühr Nr. 4113 VV 188,75 €
Terminsgebühr Nr. 4115 VV 328,75 €
2.242,50 €
zzgl. 16% MWSt 358,80 €
2.601,30 €

aa) Für die Berechnung der „fiktiven“ Wahlverteidigergebühr ist zu unterstellen, dass das Landgericht den Verurteilten aufgrund seiner Einlassung zu den im Zeitraum November 2004 bis 8. März 2005 begangenen Taten bereits am 25. Juli 2005 nur wegen sechs – und nicht vierzehn – Fällen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt und daher eine entsprechend niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte. Die vom Beschwerdeführer im Termin beantragte Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren wäre aber hierbei – dies zeigen die im Urteil vom 25. Juli 2005 festgesetzten Einzelfreiheitsstrafen von jeweils zwei Jahren – immer noch überschritten worden. Mit Rücksicht hierauf ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die landgerichtliche Entscheidung auch im Falle einer Aburteilung von nur sechs Taten mit dem Rechtsmittel der Revision angefochten und hierbei – wie geschehen – mit der allgemeinen Sachrüge Rechtsfehler bei der Strafrahmenwahl (Nichtanwendung des § 29a Abs. 2 BtMG) beanstandet hätte. Die auch für diesen Fall ferner zu unterstellende Aufhebung und Zurückverweisung der Sache wegen vorhandener Differenzen zwischen Anklage- und Urteilsgegenstand (Aburteilung von sechs statt fünf Taten) hätte im weiteren Verlauf die Erhebung einer neuen Anklage wegen nur einer weiteren Tat und die Hinzuverbindung des insoweit eingeleiteten Verfahrens nach sich gezogen.

bb) Im Falle eines derartigen Verfahrensablaufs wäre die Verteidigertätigkeit des Beschwerdeführers durchgängig mit der jeweiligen Mittelgebühr angemessen abgegolten gewesen. Maßgeblich hierfür sind die zu II 2 a aa angestellten Erwägungen. Die von der ursprünglichen Anklage abweichende Verurteilung wegen sechs statt fünf Taten hätte die Bedeutung der Sache für den Verurteilten nicht maßgeblich erhöht, so dass eine Erhöhung der Mittelgebühr für das Verfahrensstadium ab 25. Juli 2005 im Falle des „fiktiven“ Ablaufs nicht in Betracht gekommen wäre.

c) Die nach vorstehenden Ausführungen auf den Teilfreispruch entfallende Gebührendifferenz von 573,62 € ist nicht erstattungsfähig, da der diesbezügliche Honoraranspruch des Beschwerdeführers infolge geleisteter Gebührenzahlungen der Staatskasse vollständig entfallen ist.

aa) Gemäß § 52 Abs. 1 Satz 2 RVG entfällt der Honoraranspruch des Pflichtverteidi-gers gegen seinen Mandanten insoweit, als die Staatskasse Gebühren gezahlt hat. Dies war hier in Höhe von insgesamt 2.081,04 € der Fall, wie sich aus der nachfol-genden Aufstellung ergibt.

Aus der Staatskasse gezahlte Gebühren:
• Erstinstanzliches Verfahren bis zum Urteil vom 25. Juli 2005
(Festsetzung vom 6. September 2005, Bl. 234R d.A)
Grundgebühr Nr. 4101 VV 162,00 €
Vorverfahrensgebühr Nr. 4105 VV 137,00 €
Verfahrensgebühr Nr. 4113 VV 151,00 €
Terminsgebühr Nr. 4115 VV 263,00 €
• Revisionsverfahren
(Festsetzung vom 6. April 2006, Bl. 239R d.A.)
Verfahrensgebühr Nr. 4131 VV 505,00 €
• Erstinstanzliches Verfahren nach Zurückverweisung
(Festsetzung vom 12. Juni 2006, Bl. 362R d.A.)
Grundgebühr Nr. 4101 VV 162,00 €
Verfahrensgebühr Nr. 4113 VV 151,00 €
Terminsgebühr Nr. 4115 VV 263,00 €
1.794,00 €
zzgl. 16% MWSt 287,04 €
2.081,04 €

bb) Die gezahlten Pflichtverteidigergebühren sind bei einem Teilfreispruch in voller Höhe – und nicht etwa nur im anteiligen Verhältnis von Freispruch zu Verurteilung (so OLG Düsseldorf, 3. Strafsenat, NStZ-RR 1999, 64; OLG Celle NJW 2004, 2396; OLG Oldenburg StraFo 2007, 127) – auf den nach der Differenzmethode berechne-ten Erstattungsanspruch anzurechnen. Insoweit schließt sich der Senat den über-zeugenden Ausführungen des OLG Hamburg (Rpfleger 1999, 413 und Beschluss vom 3. September 2007 [2 Ws 194/07] ; dem folgend OLG Frankfurt NStZ-RR 2008, 264; OLG Saarbrücken Rpfleger 2000, 564, 565) an. Maßgeblich hierfür ist zunächst der Wortlaut des § 52 Abs. 1 Satz 2 RVG, der in Bezug auf die gezahlten Gebühren nicht nach deren Fallbezogenheit trennt und insbesondere keine Beschränkung auf diejenigen Verfahrensteile vornimmt, deretwegen dem Be-schuldigten ein Erstattungsanspruch gegen die Staatskasse zusteht. Mit diesem Regelungsgehalt nimmt die Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck ein andernfalls durch Inanspruchnahme des Verurteilten erzielbares Ergebnis vorweg und dient insoweit nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers (hierzu OLG Hamburg Rpfleger 1999, 413 f. m.w.N.) dem Interesse der Staatskasse, für die es oft schwierig ist, von Verurteilten die Kosten und Auslagen der Staatskasse einzutreiben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

Beschwerdewert: 2.849,54 €.

Einsender: Dipl.Rechtspfleger J. Volpert, Willich

Anmerkung:


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