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RVG Entscheidungen

Nr. 7002 VV

Vorbereitendes Verfahren, gerichtliches Verfahren, dieselbe Angelegenheit

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Saarbrücken, Beschl. v. 27.11.2006 - 8 Qs 124/06

Fundstellen:

Leitsatz: Vorbereitendes und gerichtliches Verfahren sind dieselbe Angelegenheit.


Saarbrücken, den 27.11.2006
8 Qs 124/06
Landgericht Saarbrücken
Beschluss
In der Strafsache
gegen pp.
wird die Beschwerde des Verteidigers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Saarbrücken vom 09.10.2006 (Az.: 28-485/05) als unbegründet verworfen.
Die weitere Beschwerde gegen diesen Beschluss wird zugelassen.

Gründe:
I.
Durch den angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht die Erinnerung des Verteidigers gegen die Festsetzung seiner Pflichtverteidigervergütung vom 21.02.2006 zurückgewiesen, soweit ihr nicht schon durch den Urkundsbeamten abgeholfen worden war. Gegenstand der Erinnerung und der Beschwerde ist in der Sache - nur noch - die vom Verteidiger sowohl für das Ermittlungsverfahren als auch für das Hauptverfahren erster Instanz in Ansatz gebrachte Auslagenpauschale nach VV 7002 RVG. Während das Amtsgericht der Auffassung ist, diese könne für das Vorverfahren und das Hauptverfahren nur insgesamt einmal geltend gemacht werden, macht der Verteidiger mit seinem Rechtsmittel die gegenteilige Auffassung geltend.

II.
Das Rechtsmittel ist zulässig, insbesondere innerhalb der Frist des § 33 III 3 RVG eingelegt. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat das Amtsgericht gern. § 33 III 2 RVG die Beschwerde zugelassen, so dass der Umstand, dass der Beschwerdewert des § 33 III 1 RVG unterschritten ist, für die Zulässigkeit ohne Bedeutung ist.

In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg.

Gem. VV 7002 kann der Rechtsanwalt anstelle der tatsächlich angefallenen Auslagen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen gern. VV 7001 eine Pauschale in Höhe von 20 % der Gebühren, höchstens jedoch 20,-- € verlangen. Wie sich aus der Anmerkung zu VV 7002 ergibt, kann die Pauschale in jeder Angelegenheit gefordert werden. Entscheidend ist dabei, ob gebührenrechtlich eine Angelegenheit vorliegt. Unerheblich ist hingegen, ob auch prozessual eine solche gegeben ist (vgl. Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl., VV 7001, 7002, Rdnr. 21).

Da es sich bei dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und dem strafprozessualen Hauptverfahren erster Instanz um dieselbe Angelegenheit in diesem Sinne handelt, kann der Verteidiger die Pauschale nur einmal geltend machen.

Ob es sich bei dem Gegenstand anwaltlicher Tätigkeit um dieselbe oder verschiedene Angelegenheiten handelt, beurteilt sich zunächst nach §§ 16 — 19 RVG, kann sich aber auch sonst aus dem Aufbau des Gesetzes ergeben, z. B. wenn dieses für in § 19 RVG nicht genannte Verfahrensabschnitte besondere „Betriebsgebühren" vorsieht (GeroId/Schmidt/v.Eicken/Madert/Müller-Rabe, a.a.O., VV 7001, 7002, Rdnr. 24).

In §§ 16 - 19 RVG ist das Verhältnis von strafrechtlichem Ermittlungsverfahren und erstinstanzlichem strafprozessualem Hauptverfahren nicht angesprochen. Geregelt ist dort demgegenüber in § 17 Nr. 10, dass das strafrechtliche Ermittlungsverfahren und ein sieh anschließendes Bußgeldverfahren gebührenrechtlich verschiedene Angelegenheiten sind. Diese Vorschrift wäre überflüssig, ihr Inhalt vielmehr selbstverständlich, wenn der Gesetzgeber auch das strafrechtliche Ermittlungsverfahren und ein sich anschließendes strafprozessuales Hauptverfahren erster lnstanz als verschiedene Angelegenheiten angesehen hätte.

Dies gilt umso mehr als nach altem Recht, also unter Geltung der BRAGO, beide Konstellationen ebenfalls diskutiert wurden. Während der Gesetzgeber mit § 17 Nr. 10 RVG die eine - umstritten gewesene - Thematik einer eindeutigen Regelung zugeführt hat, hat er offenbar keinen Anlass gesehen, die andere Frage ebenfalls ausdrücklich zum Gegenstand einer gesetzlichen Vorschrift zu machen. Dies spricht eindeutig dafür, dass er an der unter Geltung der BRAGO allgemeinen Meinung, nach der Ermittlungsverfahren und erstinstanzliches strafprozessuales Hauptverfahren dieselbe Angelegenheit darstellten, keine Änderung herbeiführen wollte (vgl. Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert/Müller-Rabe, a.a.O., § 17 Rdnr. 59).

Der Umstand, dass für Ermittlungsverfahren und Hauptverfahren eigene Verfahrensgebühren vorgesehen sind (VV 4104, 4106) ändert an dieser Sichtweise nichts; nach der BRAGO galt insoweit nämlich nichts anderes (vgl. §§ 83, 84 BRAGO). Es handelt sich schlicht um eigenständige Gebührentatbestände innerhalb derselben Angelegenheit, weshalb auch die Vorschrift des § 15 Abs. 1 RVG entgegen der Ansicht des Verteidigers zu keinem anderen Ergebnis führt.

Gleiches gilt für die Anmerkung zu VV 4102, die der Verteidiger für seine Auffassung ins Feld führt: Dass der Gesetzgeber dem Verteidiger im Ermittlungsverfahren je drei und im erstinstanzlichen Verfahren je weitere drei Termine mit einer Terminsgebühr vergilt, macht das Ermittlungsverfahren gebührenrechtlich nicht ohne weiteres selbständig.

Die vom Verteidiger weiter herangezogene Anmerkung Abs. 3 zu VV 4142, wonach die Verfahrensgebühr für Einziehung und verwandte Maßnahmen „für das Verfahren des ersten Rechtszugs einschließlich des vorbereitenden Verfahrens und für jeden weiteren Rechtszug" entsteht, dient nach Auffassung der Kammer lediglich der Klarstellung und macht dabei schon sprachlich unmissverständlich klar, dass das vorbereitende Verfahren jedenfalls grundsätzlich zum ersten Rechtszug gehört, von diesem nämlich „eingeschlossen" wird.

Zwar trifft es zu, dass in anderen Verfahrensarten außergerichtliches und gerichtliches Verfahren als eigenständige Angelegenheiten angesehen werden. Nichts anderes galt allerdings nach altem Recht; gleichwohl wurde schon unter Geltung der BRAGO das Ermittlungsverfahren, das seiner Ausrichtung nach einen engeren Bezug zum Hauptverfahren hat als außergerichtliche Abschnitte zu gerichtlichem Verfahren in anderen Rechtsgebieten, als gebührenrechtlich unselbständiger Teil des erstinstanzlichen Hauptverfahrens angesehen (vgl. die Nachweise bei Hartmann, KostG, 36. Aufl., § 15 RVG Rdnr. 44).

Insgesamt hat daher das Amtsgericht die Pauschale VV 7102 zu Recht nur einmal festgesetzt.

III.
Die weitere Beschwerde lässt die Kammer nach § 33 VI 1 i. V. m. § 5611 RVG zu.
Die Frage, ob das Ermittlungsverfahren und das Hauptverfahren nach neuem Recht, d. h. unter der Geltung des RVG, gebührenrechtlich als unterschiedliche Angelegenheiten anzusehen sind, ist, soweit ersichtlich, in der veröffentlichten obergerichtlichen Rechtsprechung noch nicht entschieden worden. Die Rechtssache hat daher im Sinne der genannten Vorschrift grundsätzliche Bedeutung.

IV. Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei; Auslagen werden nicht erstattet (§ 56 II 2, 3 RVG).

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