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Leitsatz: Es besteht kein Anspruch auf volle Festsetzung von Wahlverteidigergebühren ohne Verzicht des Anwalts auf die Pflichtverteidigergebühren
In pp. Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Marburg vom 02. März 2010 wird auf Kosten des Beschwerdeführers (§ 473 Abs. 1 StPO) verworfen. Der Beschwerdewert wird auf 1.946,84 festgesetzt Gründe: Mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Marburg vom 28. Juli 2009 sind die dem freigesprochenen Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegt worden. Mit Schreiben vom 30. Juli 2009 und 15. Februar 2010 beantragte der frühere Angeklagte über seinen Verteidiger die Festsetzung der zu erstattenden Auslagen, wobei er die Wahlverteidigervergütung geltend machte. Die Rechtspflegerin des Landgerichts Marburg setzte daraufhin mit Beschluss vom 02. März 2010 die zu erstattenden Auslagen in Höhe von 230,86 fest. Dabei wurde u.a. eine Gebührenkürzung in Höhe von 1.946,84 vorgenommen, indem nicht die geltend gemachten Wahlverteidigergebühren, sondern lediglich die Differenz zwischen Wahlanwalts- und Pflichtverteidigergebühren festgesetzt wurde, nachdem der Verteidiger einer Aufforderung, vor Festsetzung der Wahlanwaltsvergütung die Auszahlung seiner Pflichtverteidigervergütung zu beantragen oder hierauf zu verzichten, nicht nachgekommen war. Dagegen wendet sich der frühere Angeklagte mit seiner Beschwerde. Er ist der Auffassung, die Gebührenkürzung sei zu Unrecht erfolgt, da er selbst gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 RVG gegenüber dem Verteidiger zur Zahlung von Gebühren eines gewählten Verteidigers verpflichtet sei und dieser Anspruch gemäß § 52 Abs. 1 Satz 2 RVG nur entfalle, soweit die Staatskasse Gebühren an den Verteidiger bereits gezahlt habe. Die sofortige Beschwerde ist nach § 464b StPO i.V.m. § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO und § 11 Abs. 1 RPflG zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Zwar ist dem Beschwerdeführer insoweit zuzustimmen, als der Gebührenerstattungsanspruch des Pflichtverteidigers gegenüber der Staatskasse selbständig neben den Vergütungsanspruch gegenüber dem Mandanten aus § 52 RVG tritt und diesem gegenüber nicht subsidiär ist, sondern wahlweise geltend gemacht werden kann (vgl. Hartmann. Kostengesetze. 39. Aufl., Rn. 9 zu § 52; Mayer/Kroiß, RVG, 3. Aufl., Rn. 2 zu § 52). Die Kostenbeamtin des Landgerichts hat jedoch zu Recht den Erstattungsanspruch des Beschwerdeführers auf der Grundlage der Differenz zwischen Wahlverteidiger- und Pflichtverteidigergebühr berechnet, um eine Doppelbelastung der Staatskasse zu vermeiden, nachdem der Pflichtverteidiger zu einem Verzicht auf seine Pflichtverteidigergebühren nicht bereit war und auch eine Rechnung bzgl. der Inanspruchnahme des Beschwerdeführers nicht vorlag. Die Staatskasse hat bei der Kostenfestsetzung zu berücksichtigen, dass der gesetzliche Anspruch des Pflichtverteidigers auf Festsetzung und Auszahlung der Pflichtverteidigergebühren durch eine Auszahlung an dessen Mandanten aufgrund der Eigenständigkeit dieses Anspruchs nicht erlischt. Anderes folgt auch nicht aus § 58 Abs. 3 RVG; denn nach dieser Bestimmung kommen auf die Pflichtverteidigergebühren nur solche Vorschüsse und Zahlungen zur Anrechnung, die der Rechtsanwalt auch tatsächlich erhalten hat. Dementsprechend besteht nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgericht vom 04. Mai 2005 (Az. 1 BvR 2251/08, in JurBüro 2009, 418-420) ein Anspruch auf Pflichtverteidigervergütung auch dann, wenn bereits Wahlverteidigervergütung festgesetzt wurde; eine Verweigerung der Festsetzung und Auszahlung von Pflichtverteidigervergütung kommt so das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung in diesem Fall einer Verletzung der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) des als Pflichtverteidiger zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben herangezogenen Rechtsanwaltes gleich. Die danach grundsätzlich mögliche Doppelbelastung der Staatskasse muss jedoch nicht hingenommen werden. Vielmehr kann sich die Staatskasse etwa dadurch schützen, dass sie den Rechtsanwalt vor Festsetzung der Wahlverteidigergebühren zum Verzicht auf seine Pflichtverteidigervergütung auffordert; falls ein solcher Verzicht wie im vorliegenden Fall nicht erklärt wird, lassen sich Doppelbelastungen dadurch vermeiden, dass Kosten nur in der Höhe festgesetzt werden, als diese das Pflichtverteidigerhonorar übersteigen (vgl. BVerfG. Beschl. v. 04. Mai 2005. Rn. 23 zit. nach juris, m.w.N.). Dies beschwert auch den Mandanten des Pflichtverteidigers nicht unangemessen: Macht der Pflichtverteidiger seinen Vergütungsanspruch gegenüber der Staatskasse geltend, so ist der Mandant gemäß § 52 Abs. 1 Satz 2 RVG nur noch zur Zahlung der so auch festgesetzten Differenz zwischen Wahl- und Pflichtverteidigervergütung verpflichtet. Begehrt der Pflichtverteidiger hingegen die Zahlung der Wahlverteidigervergütung in voller Höhe von seinem Mandanten, so ist es dem früheren Angeklagten unbenommen, insoweit unter Vorlage der entsprechenden Rechnung des Verteidigers die Festsetzung der Auslagen durch die Staatskasse zu beantragen. Denn durch die Vorlage der Rechnung ist gewährleistet, dass der Pflichtverteidiger im Falle einer späteren Geltendmachung der Pflichtverteidigergebühren gegenüber der Staatskasse auf § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG, wonach die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal gefordert werden können, verwiesen werden kann; eine doppelte Inanspruchnahme der Staatskasse ist damit ausgeschlossen. Der Beschwerdewert entspricht dem Wert der nach Auffassung des Beschwerdeführers zu Unrecht abgezogenen Pflichtverteidigergebühren (1.636, zzgl. 19 % MWSt).
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