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Bußgeldverfahren, vorbereitendes Verfahren, gerichtliches Verfahren, verschiedene Angelegenheiten
Gericht / Entscheidungsdatum: AG Frankenberg/Eder, Beschl. v. 16.03.2011 - 42 OWi-3 Js 12733/09
Fundstellen:
Leitsatz: Das behördliche Bußgeldverfahren sowie das gerichtliche Verfahren in Bußgeldsachen stellen verschiedenen Angelegenheiten im Sinne des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes dar.
________________________________________ In pp. Der Erinnerung vom 14.07.2010 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers des Amtsgerichts Frankenberg/Eder vom 09.07.2010 wird stattgegeben. Es wird eine weitere Auslagenpauschale nach § 7002 VV RVG i.H.v. 20, zuzüglich 19 Mehrwertsteuer hieraus als Verteidigervergütung gegen die Staatskasse festgesetzt. Die Beschwerde wird zugelassen. Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Auslagen werden nicht erstattet. Gründe: Gegen die Betroffene war unter dem oben genannten Aktenzeichen bei dem Amtsgericht Frankenberg/Eder ein Ordnungswidrigkeitenverfahren anhängig. Bereits in dem bei dem Regierungspräsidium anhängigen Bußgeldverfahren meldete sich der Beschwerdeführer unter Vollmachtsvorlage als Verteidiger zu den Akten. Durch Urteil des Amtsgerichts Frankenberg/Eder vom 20.04.2010 wurde die Betroffene freigesprochen. Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen der Betroffenen wurden der Staatskasse auferlegt. In der Kostenrechnung vom 21.04.2010 hat der Beschwerdeführer zwei Pauschgebühren Nr. 7002 zu je 20, in Ansatz gebracht. In dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 09.07.2010 hat der Rechtspfleger nur eine Pauschgebühr Nr. 7002 anerkannt. Zur weiteren Begründung hat er in dem Kostenfestsetzungsbeschluss auf die Stellungnahme der Bezirksrevisorin beim Landgericht Marburg verwiesen. Diese hat in ihrer Stellungnahme die Auffassung vertreten, dass bußgeldrechtliche Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und das anschließende gerichtliche Bußgeldverfahren würden eine Angelegenheit darstellen. Mit seiner Erinnerung vom 14.07.2010 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers des Amtsgerichts Frankenberg/Eder begehrt der Beschwerdeführer die Erstattung der zweiten Auslagenpauschale nebst Umsatzsteuer. Die nach §§ 464b StPO, 11 Abs. 2 RPflG, 567 ZPO zulässige Erinnerung ist auch begründet. Der Beschwerdeführer hat über die bereits gewährte Auslagenpauschale Nr. 7002 hinaus einen weiteren Anspruch auf die Festsetzung einer weiteren Auslagenpauschale Nr. 7002 aus der Staatskasse für seine Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Bußgeld verfahren. Die Auslagenpauschale in Höhe von 20, zuzüglich Umsatzsteuer ist daher ebenfalls zu erstatten. Die Gegenstände der anwaltlichen Tätigkeit des Beschwerdeführers stellen zwei verschiedene Angelegenheiten dar. Ein Rechtsanwalt kann in jeder Angelegenheit eine Auslagenpauschale in Höhe von maximal 20, nach Nr. 7002 VV RVG berechnen. Eine Definition des Begriffes Angelegenheit befindet sich im RVG nicht. Nach herrschender Ansicht ist darunter ein einheitlicher Lebensvorgang, der die gesamte Tätigkeit des Anwaltes von der Erteilung des jeweiligen Auftrages bis zur Erledigung desselben oder bis zu seinem Ausscheiden abdeckt, zu verstehen. In § 16 RVG hat der Gesetzgeber Fälle aufgeführt, bei denen es sich um dieselbe Angelegenheit handelt; in § 17 RVG finden sich Fälle, bei denen es sich um verschiedene Angelegenheiten handelt. Weder aus § 16 RVG ergibt sich, ob es sich ausdrücklich, ob es sich bei Bußgeld- und anschließendem gerichtlichen Verfahren um dieselbe Angelegenheit handelt, noch ist der zugrundeliegende Sachverhalt unter den verschiedenen Angelegenheiten des § 17 RVG aufgeführt. Die Frage, ob das behördliche und das gerichtliche Verfahren in Bußgeldsachen als dieselbe Angelegenheit anzusehen ist, ist streitig. Für die Annahme als eine Angelegenheit könnte sprechen, dass eine Vergleichbarkeit des behördlichen Bußgeldverfahrens mit dem Verwaltungsverfahren bei Verwaltungsakten nicht gegeben ist (vgl. LG Köln, Urt. vom 01.10.2008 m.w.N.). Für die Annahme zweier Angelegenheiten spricht zum einen die gegenüber der BRAGO in dem RVG nunmehr aufgenommenen gesonderten Regelungen über das Bußgeldverfahren. Zum anderen wird auf die Ähnlichkeit von Verwaltungs- und behördlichen Bußgeldverfahren hingewiesen (vgl. auch Mayer/Kroiß; Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 4. Auflage 2009, § 17 RVG, Rn. 66 und 67). Zur Überzeugung des Gerichtes ist im zugrundeliegenden Fall von zwei verschiedenen Angelegenheiten auszugehen. Das behördliche Bußgeldverfahren stellt ein verselbstständigtes Verfahren dar, das anders als das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren mit einer einseitig getroffenen, zur Rechtskraft fähigen und somit bestandskräftigen Entscheidung endet (AG Aachen, Beschluss vom 20.08.2009). Dies muss umso mehr gelten als § 17 Abs. 1 Nr. 10 RVG explizit ausführt, dass das strafrechtliche Ermittlungsverfahren und ein sich nach dessen Einstellung nach § 43 OWiG anschließendes Bußgeldverfahren zwei verschiedene Angelegenheiten sind. Wird in diesem Fall dem sich anschließenden Bußgeldverfahren eine eigenständige Angelegenheit zugesprochen, so ist es unter Berücksichtigung des vorgenannten nicht ersichtlich, warum es im umgekehrten Fall nur eine Angelegenheit sein soll. Die Zulassung der Beschwerde beruht auf § 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG. Die Frage der vergütungsrechtlichen Behandlung von Vertretung im Bußgeld- und anschließenden richterlichen Verfahren tritt häufiger auf und bedarf einer grundlegenden Entscheidung durch ein Obergericht. Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 RVG, 11 Abs. 4 RPflG.
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