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RVG Entscheidungen

§ 14 – Bußgeldverfahren

Rahmengebühr, angemessene Gebühr, Bußgeldverfahren

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Chemnitz, Beschl. v. 07.07.2011 – 2 Qs 113/11

Leitsatz: Verkehrsordnungswidrigkeiten mit einfachen Sach- und Rechtsfragen, niedrigen Geldbußen und wenigen "Punkten im Verkehrszentralregister als unterdurchschnittlich anzusehen (Festsetzung von Gebühren jeweils in Höhe der Hälfte der Mittelgebühr).


Landgericht Chemnitz
2 Qs 113/11
Landgericht Chemnitz
Beschluss
der 2. Großen Strafkammer
- Beschwerdekammer - des Landgerichts Chemnitz
vom 07.07.2011
in der Bußgeldsache gegen
pp.
Verteidiger:
Rechtsanwalt Andreas Michl,
-Beschwerdeführer-
wegen hier: Verkehrsordnungswidrigkeit
Sofortige Beschwerde gegen die Kostenfestsetzung
Die sofortige Beschwerde des Rechtsanwalts M. gegen den Beschluss des Amtsgerichts Döbeln vom 28.03.2011 (3 OWi 510 Js 3929710) wird kostenpflichtig als unbegründet verworfen.

Gründe:
Der Verteidiger macht im Bußgeldverfahren nach der Kostenentscheidung des am 07.01.2011 ergangenen Einstellungsbeschlusses gemäß § 47 Abs.2 OWiG den an ihn abgetretenen Anspruch des Betroffenen gegen die Staatskasse auf Erstattung von dessen notwendigen Auslagen, Rechtsanwaltsgebühren und Parteiauslagen, geltend.

Das gemäß §§ 464 b S.3 StPO, 104 Abs.3 S.1 ZPO, 11 Abs.1 RPfIG als sofortige Beschwerde gegen die Kostenfestsetzung vom 28.03.2011 zulässige Rechtsmittel vom 18.04.2011 hat in der Sache keinen Erfolg.

Dem Betroffenen lag aufgrund Geschwindigkeitsmessung mit Anhalten des Fahrzeugs durch Polizeibeamte zur Last, am 26.07.2010 als Fahrer des Pkw Opel, amtl. Kenzeichen XXXXX, in Waldheim innerorts die zugelassene Höchstgeschwindigkeit um 25 Km/h überschritten zu haben. Es erging am 20.08.2010 ein Bußgeldbescheid über 80,00 € nebst Auslagen sowie einem Punkt im Verkehrszentralregister. Der Betroffene legte über seinen Verteidiger am 24.08.2010 Einspruch ein. Nach Abgabe am 02.11.2010 und Terminsladung vor dem Amtsgericht für 07.01.2010 beantragte der Verteidiger die Entbindung des Betroffenen vom persönlichen Erscheinen; dem wurde stattgegeben. In der Hauptverhandlung vernahm das Gericht den Zeugen POM F. zur Geschwindigkeitsmessung. Dann wurde das Verfahren gemäß § 47 Abs.2 OWiG eingestellt mit der Kostenfolge der Auferlegung der Verfahrenskosten und notwendigen Auslagen des Betroffenen auf die Staatskasse.

Das Amtsgericht hat zu Recht die zu erstattenden Verteidigergebühren nach Nr.5100, 5103, 5109 und 5110 VV-RVG jeweils mit der Hälfte der „Mittelgebühr" festgesetzt. Auch Reisekosten des in Oschatz ansässigen Verteidigers zum Amtsgericht Döbeln (Nr. 7003 W-RVG) wurden zutreffend nur in der Höhe erstattet, in welcher Fahrtkosten bei Mandatierung eines am Gerichtsort ansässigen Verteidigers angefallen wären. Das Beschwerdevorbringen gibt zu einer anderen Würdigung des Sachverhalts keinen Anlass.

Bei den Rahmengebühren bestimmt sich nach § 14 Abs.1 S.1 RVG die im Einzelfall festzusetzende Vergütung nach Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber, seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen sowie den sonstigen Gesamtumständen des Falls. Die in Teil 5 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG vorgesehenen Gebührenrahmen stellen den Rahmen für die Vergütung der Bearbeitung sämtlicher Bußgeldsachen dar. Dies sind neben Verkehrsordnungswidrigkeiten indessen auch solche aus den Bereichen des Bau, Gewerbe-, Umwelt- und Steuerrechts etc., die häufig mit Bußgeldern im oberen Bereich des Bußgeldrahmens bis 5.000 € geahndet werden und oft mit rechtlichen Schwierigkeiten und/oder umfangreicher Sachaufklärung verbunden sind (vgl. LG Hamburg, VRR 2008, 237; LG Hannover, RVGreport 2008, 182). Zwar können auch Verkehrsordnungswidrigkeiten im Einzelfall einen gleich hohen oder höheren Aufwand als anderen Ordnungswidrigkeiten verursachen (vgl. Gerold/Schmidt, RVG 19. Aufl., Vorbem. Teil 5, Rn. 20; Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl., RVG, Vorbem. Teil 5, Rn.7). Hingegen sind Verkehrsordnungswidrigkeiten mit einfachen Sach- und Rechtsfragen, niedrigen Geldbußen und wenigen „Punkten" im Verkehrszentralregister als unterdurchschnittlich anzusehen (vgl. LG Chemnitz, Beschl. v. 11.09.2007, 1 Qs 300/07; Beschl. v. 09.10.2007, 1 Qs 378/07; Beschl. v. 04.08.2008, 1 Qs 276/08; LG Dresden, Beschlüsse vom 24.02.2009, 5 Qs 1/09 und 5 Qs 101/08, LG Osnabrück, JurBüro 2008, 143; LG Koblenz, JurBüro 2008, 144; LG Cottbus ZfSch 2007, 529; LG Göttingen Beschl. v. 05.12.2005, 17 Qs 131/05).

Im vorliegenden Fall war von Folgendem auszugehen:

Die Grundgebühr gemäß Nr. 5100 W-RVG mit einem Rahmen von 20 € bis 150 € vergütet die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall durch Akteneinsicht und Einholung von Informationen des Mandanten. Eine Staffelung nach der späteren Geldbuße hat der Gesetzgeber nicht vorgenommen. Vorliegend umfasste die Akte zur erstmaligen Akteneinsicht insgesamt 14 Blätter; der eigentliche Ermittlungsvorgang ist recht kurz. Es handelt es sich um den häufig vorkommenden und tatsächlich und rechtlich unterdurchschnittlich einfach gelagerten Routinesachverhalt einer technischen Geschwindigkeitsmessung, bei der die Fahrereigenschaft außerdem feststand. Für einen durchschnittlichen oder höheren Besprechungsaufwand ergeben sich keine Anhaltspunkte. In Anbetracht dessen hat das Amtsgericht hier im Ergebnis zutreffend 42,50 €, nicht aber 85,00 € festgesetzt.

Die Verfahrensgebühr für das vorgerichtliche Verfahren gemäß Nr. 5103 VVRVG, welche einen Rahmen von 20 € bis 250 € vorsieht, vergütet die gesamte Tätigkeit des Verteidigers im vorgerichtlichen Verfahren vor der Verwaltungsbehörde bis zum Eingang der Akten beim Amtsgericht (Gerold/Schmidt, a. a. 0., W-RVG Nr. 5107, Rn.3), wenn ein Bußgeld zwischen 40 € und 5000 € verhängt wurde. Hier legte der Verteidiger ohne Abgabe einer Begründung Einspruch ein und nahm nochmals Akteneinsicht, ohne dass sich in der Akte neue Ermittlungsergebnisse befanden. Das Bußgeld bewegt sich mit 80,00 € im unteren Bereich, auch wenn noch zusätzlich 1 Punkt verhängt wurde. Letzteres führt auch unter Berücksichtigung der Voreintragung von 3 Punkten nicht zu unmittelbaren Folgen. Damit wurden zutreffend nur 67,50 € und nicht 135,00 € zuerkannt.
Die Verfahrensgebühr für das gerichtliche Verfahren gemäß Nr. 5109 VV-RVG, welche denselben Rahmen wie Nr. 5103 vorsieht, vergütet die gesamte Tätigkeit des Verteidigers im gerichtlichen Verfahren außerhalb der Hauptverhandlung, wenn ein Bußgeld zwischen 40 € und 5000 € verhängt wurde. Hier umfasste die Tätigkeit die Anträge auf Terminsverlegung bzw. Entbindung des Betroffenen vom persönlichen Erscheinen unter Verweisung auf dessen eingeräumte Fahrereigenschaft und Aussageverweigerung sowie eine weitere Akteneinsicht, ohne dass neue Erkenntnisse vorhanden waren. Zur Sache wurde kein Schriftsatz abgegeben. Damit ist ein mindestens durchschnittlicher sonstiger Arbeits- und Beratungsaufwand bei dem einfachen Sachverhalt nicht ersichtlich. Das verhängte Bußgeld bewegt sich im unteren Bereich des Rahmens. Im Ergebnis dieser Gesamtumstände und der Bedeutung der Sache wurden zu Recht statt 135,00 € nur 67,50 € festgesetzt.

Die Terminsgebühr gemäß Nr. 5110 VV-RVG, die einen Rahmen von 30 € bis 400 € vorsieht, vergütet die Tätigkeit des Verteidigers für die Vorbereitung und Wahrnehmung der Hauptverhandlung bei Bußgeldern zwischen 40 € und 5000 €. Hier dauerte die Hauptverhandlung vom 07.01.2011 einschließlich Beschlussverkündung 31 Minuten. Die Beweislage stellt sich als einfach dar, es ging um den bei Verkehrsordnungswidrigkeiten sehr häufig vorkommenden Fall der Überprüfung der Zuverlässigkeit einer Geschwindigkeitsmessung. Auch ist bei der Terminsvorbereitung kein im Durchschnittsbereich liegender Aufwand ersichtlich. In Anbetracht dessen und der Bedeutung der Sache hat das Gericht zu Recht nicht 215,00 €, sondern 107,50 € festgesetzt.

Das Amtsgericht war hier auch nicht an die vom Verteidiger angesetzten Gebühren gebunden. Gemäß § 14 Abs.1 S.4 RVG ist die vom Rechtsanwalt gegenüber einem Dritten - und auch der Staatskasse - getroffene Gebührenbestimmung dann nicht verbindlich, wenn sie unbillig hoch ist. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn die vom Rechtsanwalt bestimmte Gebühr die vom Gericht als angemessen erachtete um mehr als 20 bis 30 % überschreitet (vgl. Gerold/Schmidt, a. a. 0., § 14, Rn. 12; Hartmann, a. a. 0., § 14 RVG, Rn. 24). Hier wurde vom Rechtsanwalt das Doppelte der als angemessen erachteten Rahmengebühren angesetzt.

Das Amtsgericht hat außerdem zutreffend statt der Fahrtkosten des in Oschatz ansässigen Verteidigers zum Amtsgericht Döbeln von 21,00 € für 70 Kilometer nur 7,80 € für 13 Kilometer als fiktive Fahrtkosten des Betroffenen aus Hartha zu einem am Gerichtsort Döbeln wohnenden Rechtsanwalt erstattet.

Dem Betroffenen sind nach der Kostengrundentscheidung durch die Staatskasse als notwendige Auslagen die Kosten zu erstatten, welche zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich waren, §§ 464 a Abs.2 S.2 StPO, 91 ZPO. Reisekosten eines auswärtigen Verteidigers zum Gerichtsort sind grundsätzlich nur dann zu erstatten, wenn die Zuziehung des nicht am Prozessort wohnenden Rechtsanwalts notwendig war, § 91 Abs.2 S.1 ZPO (Meyer-Goßner, StPO 54. Aufl. 2011, § 464 a, Rn. 12 m. w. N.). Die Beurteilung, ob Prozesskosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, ist danach auszurichten, ob eine vernünftig und wirtschaftlich denkende Partei die die Kosten auslösende Maßnahme im damaligen Zeitpunkt als sachdienlich ansehen durfte. Dabei durfte sie berechtigte Interessen verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte tun. Sie trifft allerdings die Obliegenheit, unter mehreren gleichgearteten Maßnahmen die kostengünstigste auszuwählen (BGH NJW 2003, 898). Hier handelt es sich bei der Verkehrsordnungswidrigkeit nicht um ein Spezialgebiet, für das es am Gerichtsort keinen Verteidiger gibt. Soweit der Beschwerdeführer auf ein besonderes Vertrauensverhältnis des Betroffenen zum Verteidiger und den geänderten § 142 Abs.1 StPO über die Bestellung auswärtiger Pflichtverteidiger sowie Rechtsprechung zur entsprechenden Wahlverteidigervergütung in solchen Fällen verweist, gilt Folgendes: Konkrete Tatsachen für ein besonderes Vertrauensverhältnis des Betroffenen zum auswärtigen Verteidiger sind hier weder vorgetragen noch aus der Akte ersichtlich. Jedenfalls wäre ein solches vorliegend auch nicht von Bedeutung, da es sich nur um eine geringfügige Verkehrsordnungswidrigkeit handelt und nicht eine erhebliche Straftat, die die Bestellung eines Pflichtverteidigers erforderlich macht (vgl. Meyer-Goßner, a. a. 0., § 464 a, Rn.12; Löwe-Rosenberg, StPO 26. Aufl. 2010, § 464 a, Rn.46). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Beschwerdeführer angeführten Rechtsprechung zur Reisekostenerstattung in Strafverfahren. Insbesondere lagen der zitierten Entscheidung des OLG Nürnberg vom 06.12.2010 (2 Ws 567/10; ZfSch 2011, 226) über die Erstattung von Reisekosten des auswärtigen Wahlverteidigers ein schwerer Tatvorwurf - Verbrechen der Geldfälschung - und eine über 5 Monate dauernde Untersuchungshaft zugrunde.

Damit war es hier dem Betroffenen zumutbar, sich von einem Rechtsanwalt aus Döbeln verteidigen zu lassen. Die Mehrkosten für die Reise des auswärtigen Verteidigers von Oschatz nach Döbeln sind nur in dem Umfang als notwendige Kosten zu erstatten als dem Betroffenen für eine Besprechung Reisekosten von seinem Wohnsitz Hartha zu einem Rechtsanwalt in Döbeln erstattet worden wären.

Die sofortige Beschwerde war insgesamt als unbegründet zu verwerfen.

III.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ergibt sich aus § 473 Abs. 1 S. 1 StPO.


Einsender: RA Andreas Michl., Oschatz

Anmerkung:


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