Aktenzeichen: 4 Ss OWi 706/99 OLG Hamm
Senat: 4
Gegenstand: OWi
Stichworte: Aufhebung, Alkohol, keine Feststellungen zur Fahrlässigkeit, lückenhafte Feststellungen
Normen: StVG 24 a, StPO 267 Abs. 1
Beschluss: Bußgeldsache gegen R. S.,
wegen Verstoßes gegen § 24 a StVG.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Ahaus vom 05.02.1999 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 27.07.1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht Ahaus zurückverwiesen.
Gründe: I. Das Amtsgericht Ahaus hat durch das angefochtene Urteil gegen den Betroffenen wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeuges nach Alkoholgenuß gestützt auf "§§ 24 a StVG, 49 StVO, 69 a StVZO in Verbindung mit § 24 StVG" eine Geldbuße von 650,00 DM festgesetzt und ihm für die Dauer eines Monats untersagt, Kraftfahrzeuge jeglicher Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.
Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er unter näheren Ausführungen die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gemäß § 79 OWiG in Verbindung mit § 349 Abs. 2 StPO mit der Maßgabe zu verwerfen, daß die Geldbuße 600.- DM beträgt. Die Herabsetzung sei geboten, weil ein Teil der vom Amtsgericht bußgelderhöhend berücksichtigten Voreintragungen des Betroffenen im Verkehrszentralregister wegen Tilgungsreife nicht mehr verwertbar seien.
II. Die Rechtsbeschwerde hat - jedenfalls vorläufigen - Erfolg.
Die angefochtene Entscheidung hält der auf die Sachrüge vorzunehmenden rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Es bedarf daher keiner Ausführungen dazu, ob das Urteil mit weiteren Rechtsfehlern behaftet ist, wie sie mit der Rechtsbeschwerde geltend gemacht werden.
1 ) Das Urteil genügt den Anforderungen von § 71 Abs. 1 OWiG i.V. m. § 267 Absatz 1 StPO nicht. Danach müssen in den Urteilsgründen die Tatsachen so vollständig wiedergegeben sein, daß dadurch jedes Merkmal der angewendeten Rechtsnorm ausgefüllt wird. Dies gilt auch für die Voraussetzungen des subjektive Tatbestandes. Wird der Betroffene wegen einer fahrlässigen Tat verurteilt, so sind Feststellungen zu der Frage erforderlich, aufgrund welcher konkreten Umstände er voraussehen konnte, daß infolge seines Verhaltens die einschlägige Norm - hier: § 24 a StVG - tatbestandsmäßig verwirklicht wird.
Daran fehlt es vorliegend.
In dem amtsgerichtlichen Urteils heißt es hierzu lediglich:
"Der Betroffene befuhr am 23.05.1998 gegen 4.10 Uhr mit seinem PKW, amtliches Kennzeichen: KO - NJ 302, die Straße Neue Mühle in Legden. In Folge des zuvor genossenen Alkohols hatte er eine Alkoholmenge im Körper, die zu einer Blutalkoholkonzentration von 0,95 führte."
....
"Diese Feststellungen beruhen auf der Einlassung des Betroffenen sowie auf den in der Hauptverhandlung verlesenen Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Münster vom 27.05.1998.
Der Angeklagte hat danach durch sein Verhalten fahrlässig gegen § 24 a StVG verstoßen."
Die Feststellungen lassen Art und Umstände der Alkoholaufnahme durch den Betroffenen nicht erkennen. Die Mitteilung, daß der Alkohol "zuvor" aufgenommen worden ist, sagt nichts darüber aus, in welcher Weise und über welchen Zeitraum er Alkohol konsumiert hat. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der angegebenen Uhrzeit. Es sind vorliegend nämlich keine Umstände aufgezeigt - etwa die Beobachtung des Betroffenen beim Verlassen einer Gaststätte oder die nähere Beschreibung der Örtlichkeit der Kontrollstelle -, die auf einen unmittelbar vor Fahrtantritt erfolgten Alkoholkonsum als Grundlage des Fahrlässigkeitsvorwurfes schließen lassen können. Die Lücke in den Feststellungen wird auch nicht durch die Wiedergabe der Einlassung des Betroffenen geschlossen. Denn deren Inhalt wird nicht mitgeteilt. Das in den Urteilsgründen mitgeteilte Ergebnis der Blutanalyse gibt ebenfalls keinen Aufschluß über das Trinkverhalten. Aus der festgestellten Blutalkoholkonzentration von 0,95 kann ohne weitere Feststellungen nicht auf eine fahrlässige Tatbestandsverwirklichung des Betroffenen geschlossen werden. Wenn nämlich dieser Wert etwa auf dem Vorhandensein von Restalkohol nach länger zurückliegendem Trinkende und längerer Eliminationsphase beruht, was hier aufgrund der fehlenden Feststellungen nicht ausgeschlossen werden kann, bedarf es ebenfalls noch der Darlegungen zusätzlicher konkreter Umstände zur Annahme fahrlässiger Tatbegehung (vgl. Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 35. Auflage 1999, § 24 a StVG Rdnr. 25). Schließlich läßt sich angesichts der Feststellungen auch eine unbewusste Alkoholaufnahme des Betroffenen nicht ausschließen. Bei einer solchen schiede eine Bestrafung möglicherweise aus (vgl. dazu: Jagusch/Hentschel a.a.O.).
Schon dieser sachlich - rechtliche Mangel zwingt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, weil der Senat nicht prüfen kann, ob die Überzeugung des Tatgerichts von der Schuld des Betroffenen auf rechtlich fehlerfreien Erwägungen beruht ( vgl. BGHSt 3, 213 (215); Dahs Dahs, Die Revision im Strafprozeß, 5. Auflage 1993, Rdnr. 401 ).
2) Das angefochtene Urteil ist daher mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache ist gemäß § 79 Abs. 6 OWiG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Ahaus zurückzuverweisen, das auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde zu befinden haben wird, da deren Erfolg im Sinne des § 473 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG noch nicht feststeht. Für die Verweisung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts besteht kein Anlaß.
Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass die tatsächlichen Voraussetzungen der Verwertbarkeit von Vorbelastungen so umfassend in den Urteilsgründen mitzuteilen sind, dass das Rechtsbeschwerdegericht die Tilgungsreife der Entscheidungen selbst prüfen kann. Insoweit kommt bei Bußgeldentscheidungen dem Datum der Rechtskraft entscheidende Bedeutung zu (vgl. Jagusch/Hentschel, a.a.O., § 29 StVG Rdnr. 2 und 7 m.w.N., OLG Brandenburg DAR 1995, 301).
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