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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ws 27/99 OLG Hamm

Leitsatz: Zu den Voraussetzungen, unter denen dem Angeklagten ein zweiter Pflichtverteidiger beigeordnet werden kann.

Senat: 3

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Beschleunigungsgebot in Haftsachen, Bestellung eines zweiten Pflichtverteidigers, Pflichtverteidiger, Recht auf Verteidiger des Vertrauens

Normen: StPO 140

Anmerkung: Der Senat hat sich nicht damit auseinandergesetzt, daß das Strafverfahren im Zeitpunkt der Entscheidung bereits rechtskräftig abgeschlossen war.

Beschluss: Strafsache gegen 1. M.Y.,
2. L.H.,
wegen Raubes,
(hier: Beschwerde des Angeklagten H. gegen die Bestellung eines zweiten Pflichtverteidigers).

Auf die Beschwerde des Angeklagten H. vom 30.12.1998 gegen den Beschluß des Landgerichts Bielefeld vom 23.12.1998 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 28.01.1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Die Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unbegründet verworfen.

Gründe: I. Der Angeklagte H. befand sich nach seiner vorläufigen Festnahme am 21.04.1998 seit dem 22.04.1998 in Untersuchungshaft, zuletzt aufgrund des Haftbefehls des Landgerichts Bielefeld vom 11.08.1998, mit dem ihm zur Last gelegt wurde, in Bad Laer am 10.08.1997 und in Werther am 14.09.1997 gemeinschaftlich mit dem Mitangeklagten Y. sowie mit anderweitig verfolgten Mittätern jeweils einen bewaffneten Raubüberfall auf eine Spielhalle begangen zu haben. Mit Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 19.01.1999, das seit demselben Tage rechtskräftig ist, ist der Angeklagte H. wegen dieser Taten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren und 3 Monaten verurteilt worden.
Der Senat hatte in dem besonderen Haftprüfungsverfahren gemäß §§ 121, 122 StPO mit Beschluß vom 10.11.1998 die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus angeordnet. Seinerzeit hatte die Strafkammer Termin zur Hauptverhandlung für den 30.11.1998 mit Folgeterminen im 12. 1998 anberaumt. Der Senat hatte in dem genannten Beschluß u.a. ausgeführt, daß die im vorliegenden Verfahren eingetretene Verzögerung bei der Anberaumung des Hauptverhandlungstermins aufgrund der Terminslagen der Verteidiger des Angeklagten und seiner Mitangeklagten im Hinblick auf das in der Regel bestehende besondere Vertrauensverhältnis zwischen dem Angeklagten und seinem Verteidiger noch hinzunehmen seien, ohne daß die Kammer gehalten gewesen wäre, sich über dieses Vertrauensverhältnis hinwegzusetzen und dem Angeklagten im Interesse einer zügigen Durchführung des Verfahrens andere Verteidiger als Pflichtverteidiger beizuordnen. Gleichzeitig hat der Senat in dem Haftfortdauerbeschluß aber ausdrücklich darauf hingewiesen, daß bei einer noch längeren Verfahrensverzögerung als im vorliegenden Fall, die allein oder im wesentlichen durch die Terminslage des Verteidigers bedingt sei, die Beiordnung eines anderen Verteidigers als Pflichtverteidiger zur zügigen Verfahrensförderung zwingend geboten sein werde.
Die Strafkammer hatte im vorliegenden Verfahren die Hauptverhandlung dann zunächst auch am 30.11.1998 begonnen. Im Hauptverhandlungstermin vom 30.11.1998 war dem Angeklagten H. Rechtsanwalt K. aus Bielefeld als Pflichtverteidiger beigeordnet worden. Mit Beschluß vom 14.12.1998 hatte die Strafkammer sodann das Verfahren gegen die Angeklagten Y. und H. von dem Verfahren gegen die Mitangeklagten abgetrennt und ausgesetzt. Die Verteidiger der Angeklagten Y. und H. hatten zuvor mehrere Beweisanträge gestellt, die nach Auffassung der Kammer zusätzliche, kurzfristig einzuschiebende Verhandlungstage erforderlich machten, an denen aber die Verteidiger der genannten beiden Angeklagten jeweils verhindert waren.
Mit der Abtrennung und Aussetzung des Verfahrens hat die Kammervorsitzende gleichzeitig neuen Hauptverhandlungstermin auf den 12.01.1999 mit Folgeterminen am 19., 21., 28.01., 4., 9., 11., 16., 23. und 25.02. sowie am 02.03.1999 anberaumt.
Rechtsanwalt K. als Pflichtverteidiger des Angeklagten H. teilte der Kammer daraufhin mit Schriftsatz vom 14.12.1998 mit, daß von den bekanntgegebenen Hauptverhandlungsterminen die Terminstage am 11.02.1999, 23. und 25.02.1999 sowie am 02.03.1999 von ihm und dem Verteidiger des Mitangeklagten Y., Rechtsanwalt Dr. B., wahrgenommen werden könnten. Mit Schreiben vom 16.12.1998 hat die Strafkammervorsitzende dem Angeklagten H. sodann eröffnet, daß beabsichtigt sei, ihm Rechtsanwalt T. aus Bielefeld als Pflichtverteidiger beizuordnen und daß er hierzu bis zum 22.12.1998 Stellung nehmen könne. Daraufhin teilte der Angeklagte durch seinen bisherigen Pflichtverteidiger Rechtsanwalt K. mit Schriftsatz vom 21.12.1998 mit, daß er neben seinem bisherigen Verteidiger keinen weiteren Verteidiger haben möchte und daß insoweit auch kein Erfordernis bestehe. Es werde nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, daß davon ausgegangen werde, daß die mitgeteilten Termine ggf. noch im einzelnen mit dem Büro des Rechtsanwaltes K. abgesprochen würden. Es könne sowohl ein Großteil dieser Termine von Rechtsanwalt K. durchgeführt werden, ggf. könnten auch Ausweichtermine in dem gleichen Zeitraum vereinbart werden.
Mit dem angefochtenen Beschluß hat die Kammervorsitzende dem Angeklagten H. sodann Rechtsanwalt T. aus Bielefeld als Pflichtverteidiger beigeordnet. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Beiordnung sei erforderlich, um eine zügige Durchführung des Verfahrens im Interesse des Angeklagten zu gewährleisten, zumal Rechtsanwalt K. aus Bielefeld bereits mitgeteilt habe, nicht alle anberaumten Hauptverhandlungstermine wahrnehmen zu können. Nachdem der letzte Hauptverhandlungstermin wegen weiterer Beweisanträge und Verhinderung von Rechtsanwalt K. und Rechtsanwalt Dr. B. betreffend kurzfristig eingeschobener zusätzlicher Verhandlungstage habe ausgesetzt werden müssen, sei nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Hamm zur zügigen Verfahrensförderung die Beiordnung eines anderen Verteidigers zwingend geboten. Dies gelte um so mehr, als sich der Angeklagte H. inzwischen 8 Monate in Untersuchungshaft befinde.
Gegen diesen Beschluß hat der Angeklagte H. mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 30.12.1998 "sofortige Beschwerde" eingelegt und beantragt, den angegriffenen Beschluß aufzuheben. Der Angeklagte wolle ausschließlich durch Rechtsanwalt K. verteidigt werden, der den bisherigen Gang der ausgesetzten Hauptverhandlung miterlebt habe und aus eigenem Erleben ggf. zu wiederholende Zeugenaussagen auf ihre Übereinstimmung mit bisher getätigten Aussagen überprüfen könne. Die Nutzung dieser Erkenntnisquelle sei in Ermangelung von Wortprotokollen über die bisherigen Einlassungen und Zeugenvernehmungen in der ausgesetzten Verhandlung erforderlich, zudem sei nicht ersichtlich, wie ein neu eintretender Verteidiger bei dieser Sachlage sachgerecht solle verteidigen können.
Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen und zur Begründung ausgeführt, daß die Bestellung eines Pflichtverteidigers mangels Beschwer grundsätzlich der Anfechtung entzogen sei. Anhaltspunkte für eine mangelnde Eignung des bestellten Verteidigers oder für eine Interessenkollision seien nicht ersichtlich.
II. Die gemäß § 300 StPO als einfache Beschwerde gemäß § 304 StPO anzusehende sofortige Beschwerde ist zulässig.
Die Einlegung der Beschwerde ist im Namen des Angeklagten erfolgt. Dies ergibt sich hier aus den Umständen ihrer Einlegung. Rechtsanwalt K. wäre nämlich nicht befugt, in eigenem Namen die Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers mit der Beschwerde anzufechten (OLG Frankfurt/Main, StV 1994, 288; KK-Laufhütte, StPO, 3. Aufl., § 141 Rdnr. 12 m.w.N.). Im Zweifel ist deshalb davon auszugehen, daß die Einlegung des Rechtsmittels nicht im eigenen Namen des Verteidigers, sondern namens des Angeklagten erfolgt ist (vgl. OLG Frankfurt/Main, a.a.O.). Gegenteilige Anhaltspunkte sind vorliegend nicht ersichtlich.
Die Beschwerde ist auch nicht nach § 305 S.1 StPO unstatthaft. Danach sind Entscheidungen der erkennenden Gerichte, die der Urteilsfällung vorausgehen, nicht mit der Beschwerde anfechtbar. § 305 S.1 StPO bezieht sich aber nur auf solche Entscheidungen, die im inneren Zusammenhang mit der Urteilsfällung stehen, ausschließlich ihrer Vorbereitung dienen und bei der Urteilsfällung selbst der nochmaligen Prüfung des Gerichts unterliegen (OLG Stuttgart, NStZ-RR 1996, 207). Demgegenüber handelt es sich bei der Bestellung eines zweiten Pflichtverteidigers um eine Entscheidung des Vorsitzenden, die über die Vorbereitung der Urteilsfällung hinaus selbständige prozessuale Bedeutung hat, da sie in das Recht des Angeklagten auf ein faires Verfahren eingreifen und zu im Nachhinein nicht mehr behebbaren Nachteilen für den Angeklagten durch Zeitablauf oder durch Unterlassung prozessualer Handlungen führen kann (OLG Stuttgart, a.a.O.; vgl. auch OLG Frankfurt/Main, StV 1987, 379; StV 1994, 288; StV 1997, 575; OLG Celle, StV 1988, 100). Dieser Ansicht haben sich sämtliche Strafsenate des erkennenden Oberlandesgerichts angeschlossen (vgl. OLG Hamm, StV 1989, 242 (3. Strafsenat); NStZ 1990, 143 (2. Strafsenat) je m.w.N.; vgl. zum Meinungsstand auch Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., § 141 Rdnr. 10 m.w.N.).
Entgegen der Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft ist der Angeklagte durch die Bestellung eines zweiten Pflichtverteidigers auch beschwert. In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, daß der Angeklagte die Bestellung eines Pflichtverteidigers neben einem Wahlverteidiger oder auch die Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers anfechten kann, wenn er geltend macht, die (weitere) Pflichtverteidigung sei unzulässig oder sachlich nicht gerechtfertigt (OLG Frankfurt/Main, StV 1994, 288 m.w.N.; StV 1997, 575; vgl. auch Senat, StV 1989, 242, 243). Aus dem Recht des Angeklagten auf ein faires Verfahren folgt nämlich das Recht, sich ausschließlich durch einen von ihm gewählten Verteidiger bzw. durch einen Verteidiger seines Vertrauens verteidigen zu lassen. Darüber hinaus kann nicht ausgeschlossen werden, daß die Verteidigungskonzeptionen der beiden Pflichtverteidiger zu Lasten des Angeklagten divergieren. Dem Angeklagten ist damit auch das Recht zuzubilligen, sich gegen eine unzulässige oder sachlich nicht gerechtfertigte zusätzliche Pflichtverteidigerbestellung zu wehren. Rechtsanwalt K. aus Bielefeld genießt hier ersichtlich im gleichen Umfang wie ein Wahlverteidiger das Vertrauen des Angeklagten. Eine Beeinträchtigung von dessen Rechten durch die Beiordnung eines weiteren Pflichtverteidigers erscheint damit möglich. Mithin ist eine Beschwer gegeben (vgl. auch OLG Frankfurt/Main, StV 1994, 288; StV 1987, 379; StV 1997, 575).
Die zulässige Beschwerde ist in der Sache jedoch nicht begründet.
Das Recht des Angeklagten auf ein faires Verfahren ist durch die Bestellung des zweiten Pflichtverteidigers nicht verletzt. Die Beeinträchtigung dieses Rechtes ist nämlich durch die gleichfalls rechtsstaatlich abgesicherten Grundsätze der Sicherung eines ordnungsgemäßen Verfahrensablaufs i.V.m. dem besonderen Beschleunigungsgebot in Haftsachen von dem Angeklagten hinzunehmen.
Der Zweck des Institutes der Pflichtverteidigung besteht ausschließlich darin, im öffentlichen Interesse dafür zu sorgen, daß der Beschuldigte in schwerwiegenden Fällen (§ 140 StPO) rechtskundigen Beistand erhält und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet wird. Dieser Zweckbestimmung entspricht es, daß die Auswahl des Pflichtverteidigers Sache des Gerichtsvorsitzenden ist (§§ 141, 142 StPO), der nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet, ohne daß der Anwalt, der die Verteidigung führen will, seine Beiordnung durchsetzen könnte. Insbesondere verleiht das Institut der Pflichtverteidigung dem Rechtsanwalt keinen Anspruch darauf, in einer bestimmten Strafsache zum Verteidiger bestellt zu werden, eine ihm übertragene Pflichtverteidigung weiterzuführen und seiner - drohenden oder vollzogenen - Abberufung entgegenzutreten. Sinn der Pflichtverteidigung ist es nämlich nicht, dem Anwalt zu seinem eigenen Nutzen und Vorteil eine zusätzliche Gelegenheit beruflicher Betätigung zu verschaffen (BVerfGE 39, 238, 242; vgl. bereits BVerfGE 9, 36, 38). Vielmehr hat der Rechtsanwalt, der in Fällen der notwendigen Verteidigung in einer über mehrere Wochen sich hinziehenden Hauptverhandlung zum Verteidiger gewählt wird und die Wahl annimmt, dafür Vorsorge zu treffen, daß seine Aufgaben in der Hauptverhandlung im Falle kurzfristiger Verhinderung durch sonstige Geschäfte von einem anderen Verteidiger wahrgenommen werden oder daß er in seinen übrigen termingebundenen Geschäften vertreten wird. Anderenfalls hätte er es nämlich in der Hand, das Gericht mit der Behauptung, durch andere unaufschiebbare Aufgaben verhindert zu sein, immer wieder zu Unterbrechungen der Hauptverhandlung zu zwingen (BGHSt 15, 306, 308). Dem entspricht die Befugnis des Gerichts, neben dem Wahlverteidiger (bzw. dem bereits bestellten ersten Pflichtverteidiger) einen (weiteren) Pflichtverteidiger zu bestellen, um so den reibungslosen Fortgang der Verhandlung zu sichern, wenn sich die Gefahr abzeichnet, daß der Verteidiger die zur reibungslosen Durchführung der Hauptverhandlung erforderlichen Maßnahmen nicht treffen kann oder nicht treffen will (BGHSt 15, 306, 309).
Andererseits hat der Angeklagte einen Anspruch auf ein faires Verfahren bzw. ein Recht auf wirksame Verteidigung (Art. 6 Abs. 3 lit. c MRK). Der verfassungsmäßig verbürgte Anspruch auf ein rechtsstaatlich faires Verfahren als Ausfluß des Rechtsstaatsprinzips (vgl. BVerfGE 26, 66, 71; 39, 238, 243) umfaßt das Recht des Beschuldigten, sich im Strafverfahren von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen (BVerfGE 39, 238, 243; BGH, NJW 1992, 849; StV 1998, 414; OLG Frankfurt/Main, StV 1987, 379; StV 1991, 9; StV 1994, 288; StV 1997; 575; NStZ-RR 1996, 304, 305; OLG Stuttgart, NStZ-RR 1996, 207; OLG Hamburg, NStZ-RR 1997, 203). In Fällen der Pflichtverteidigung erfährt dieses Recht nur insoweit eine Einschränkung, als der Beschuldigte keinen unbedingten Anspruch auf Bestellung des von ihm gewünschten Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger hat (BVerfGE 39, 238, 243; BGH, NJW 1992, 849). Ein solcher Anspruch besteht nämlich dann nicht mehr, wenn der weitere Zweck des Institutes der Pflichtverteidigung, einen ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu sichern, im Falle der Bestellung des Verteidigers des Vertrauens zum Pflichtverteidiger nicht mehr erreicht werden könnte (BGH, NJW 1992, 849; vgl. bereits BGHSt 15, 306, 308 f). Dabei sind im Rahmen der Sicherung eines ordnungsgemäßen Verfahrensablaufs das Gebot der Verfahrensbeschleunigung, insbesondere der besonderen Beschleunigung in Haftsachen, sowie die Terminsplanung und Gesamtbelastung des Gerichtes zu berücksichtigen (BGH StV 1998, 414; NJW 1992, 849; OLG Hamburg, NStZ-RR 1997, 203, 204; OLG Frankfurt, NStZ-RR 1996, 304, 305; OLG Düsseldorf, StV 1997, 576). Diese Grundsätze, die für die Frage der Bestellung eines zweiten Pflichtverteidigers oder eines Pflichtverteidigers neben einem bereits bestehenden Wahlverteidiger sowie für den Antrag auf Abberufung eines Pflichtverteidigers in gleicher Weise gelten wie für die Behandlung von Anträgen auf Terminsverlegung bei Verhinderung des Verteidigers des Vertrauens (vgl. BGH StV 1998, 414; BGH NJW 1992, 849; OLG Hamburg NStZ-RR 1997, 203; OLG Stuttgart NStZ-RR 1996, 207; OLG Hamm, StV 1989, 242; OLG Celle, StV 1988, 100; OLG Frankfurt/Main, StV 1987, 379; StV 1991, 9; StV 1994, 288; NStZ-RR 1996, 304, 305; StV 1997, 575) greifen jedenfalls dann zum Nachteil des Angeklagten ein, wenn das Gericht sich ernsthaft aber erfolglos bemüht, innerhalb der durch § 229 StPO gezogenen zeitlichen Grenzen mit dem Verteidiger des Vertrauens Terminstage abzustimmen, (BGH, NJW 1992, 849; vgl. auch BGH StV 1998, 414; OLG Frankfurt/Main, StV 1997, 575).
Im vorliegenden Verfahren hatte die terminliche Verhinderung der Verteidiger bereits dazu geführt, daß die ursprüngliche Hauptverhandlung nicht vor Ablauf der 6-Monats-Frist des § 121 Abs. 1 StPO durchgeführt werden konnte. Die dann zunächst durchgeführte Hauptverhandlung mußte aus demselben Grunde ausgesetzt werden. Gleichzeitig befand sich der Angeklagte H. zu diesem Zeitpunkt bereits acht Monate in Untersuchungshaft. Deshalb war aufgrund des in Haftsachen geltenden besonderen Beschleunigungsgebotes eine umgehende Neuansetzung der Hauptverhandlung hier zwingend geboten. Dem hat die Kammervorsitzende durch die umgehende Bestimmung der Terminstage für die erneute Hauptverhandlung gleichzeitig mit Erlaß des Aussetzungsbeschlusses durch die Kammer genügt. Der Verteidiger des Angeklagten H. hatte in der Folgezeit ausreichend Gelegenheit, sich auf die von der Kammervorsitzenden bestimmten Terminstage in seiner eigenen Terminsplanung einzustellen, war aber gleichwohl nicht in der Lage, sein Erscheinen in der Hauptverhandlung an mehr als vier der insgesamt elf festgesetzten Terminstage sicherzustellen, wobei der erste der von ihm mitgeteilten Terminstage (11.02.1999) noch außerhalb der 10-Tages-Frist des § 229 Abs. 1 StPO (Ablauf 22.02.1999) lag. Konkrete Ausweichtermine sind von ihm ebenfalls nicht benannt worden. Allein seine allgemeine Versicherung, solche Ausweichtermine könnten kurzfristig vereinbart werden, reicht angesichts des bisherigen Verfahrensablaufs, insbesondere der erfolgten Aussetzung der Hauptverhandlung gerade aufgrund der Unmöglichkeit der kurzfristigen Vereinbarung derartiger Ausweichtermine, zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Verfahrensablaufs nicht aus. Hinzu kommt, daß die Terminslage der erkennenden Kammer, wie dem Senat aus dem besonderen Haftprüfungsverfahren bekannt ist, sich äußerst angespannt gestaltet. Bei dieser Sachlage war nach den oben aufgeführten Grundsätzen die Bestellung eines zweiten Pflichtverteidigers für den Angeklagten H. zur Sicherung eines ordnungsgemäßen, insbesondere das besondere Beschleunigungsgebot beachtenden Verfahrensablaufs zwingend geboten. Da der Angeklagte insoweit keinen weiteren Anwalt seines Vertrauens benannt hatte, ist auch die Auswahl des Rechtsanwalts T. aus Bielefeld durch die Kammervorsitzende nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.


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