Aktenzeichen: 3 Ws 660/93
Leitsatz: Der Zweck des Art. 6 MRK, Ungleichbehandlungen zwischen Angeklagten, die die Gerichtssprache beherrschen und solchen, die ihrer nicht mächtig sind, zu vermeiden, gebietet die Beiordnung eines Dolmetschers bereits für die verfahrensvorbereitenden Gespräche mit dem Wahlverteidiger.
Senat: 3
Gegenstand: Beschwerde
Stichworte: Beiordnung, Dolmetscher, Dolmetscherkosten, Kosten, Gerichtssprache, MRK, Wahlverteidiger
Normen: MRK Art 6, StPO § 137
Fundstelle: StV 1994, 475
Beschluss: OLG Hamm, Beschluß vom 04.01.1994
Aus den Gründen: Dagegen ist die Beschwerde gegen den die unentgeltliche Beiordnung eines Dolmetschers ablehnenden Beschluß vom 14.10.1993 begründet. Hierzu hat die GStA wie folgt Stellung genommen:
"Die Frage, unter welchen Umständen einem Untersuchungshäftling unentgeltlich ein Dolmetscher für Gespräche mit seinem Verteidiger beizuordnen ist bzw. unter welchen Umständen solche Dolmetscherkosten von der Staatskasse zu tragen sind, ist in der Vergangenheit durch die OLGe kontrovers diskutiert worden (vgl. zum Meinungsstreit Kleinknecht/Meyer, StPO, 41. A., Rdnr. 23 ff., 25 zu Art. 6 MRK m.w.N.).
Die vorliegend von dem LG vertretene Auffassung ist dabei, sofern sie von der Rspr. in letzter Konsequenz auch für die vorliegende Fallgestaltung vertreten worden ist, soweit ersichtlich damit begründet worden, daß sich aus Art. 6 Abs. 3 c MRK lediglich das Recht des Angekl., der über die Mittel zur Bezahlung eines Verteidigers nicht verfügt auf unentgeltlichen Beistand eines Pflichtverteidigers und aus Art.6 Abs.3 e MRK das Recht des der Gerichtssprache unkundigen Angekl. auf unentgeltliche Beiordnung eines Dolmetschers in der Hauptverhandlung ergebe. Eine Pflicht der Staatskasse zur Tragung auch der Kosten, die wegen des Tätigwerdens eines Übersetzers für Gespräche zwischen dem Angekl. und dem Wahlverteidiger entständen, bestehe deshalb nicht, weil der Angekl. im Falle der notwendigen Verteidigung einen Anspruch auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers habe. Der Angekl., der dieses Recht ausschlage und sich eines Wahlverteidigers bediene, müsse auch selbst für die Möglichkeit einer Verständigung mit diesem sorgen (vgl. Kleinknecht/Meyer, a.a.O., m.w.N.; KG GA 1977, 278; OLG Zweibrücken, NJW1980, 2143; OLG Düsseldorf, MDR 1989, 668; NJW 1989, 677).
Die Gegenmeinung begründet ihre Auffassung im wesentlichen damit, daß es unbillig erscheine, wenn dem Angekl., dem wegen des Vorliegens der Voraussetzungen der notwendigen Verteidigung zwar ein Pflichtverteidiger zustehe, der sich aber gleichwohl eines Wahlverteidigers bediene und damit die Kosten der Verteidigung übernehme, darüber hinaus noch die Kosten des Dolmetschers aufgebürdet würden, die im Fall der Pflichtverteidigung über den Anspruch des Pflichtverteidigers dagegen die Staatskasse zu übernehmen habe (vgl. etwa OLG Düsseldorf, StV 1984, 112). Darüber hinaus ergebe sich aus der Rechsprechung des EuGMR zu Art. 6 Abs. 3 e MRK, insbes. aus dessen Urteil vom 23.10.1978, daß Zweck dieser Vorschrift sei, Ungleichbehandlungen zwischen Angekl., die die Gerichtssprache beherrschten, und solchen, die ihrer nicht mächtig seien, zur Durchführung eines fairen Verfahrens zu verhindern. Dies bedürfe auch der Beiordnung eines Dolmetschers bereits für die verfahrensvorbereitenden Gespräche mit dem Verteidiger (vgl. unter Aufgabe seiner bisherigen Rspr. KG NStZ 1990, 402 m.w.N.) .
Dieser Auffassung, deren Voraussetzungen bei der gegebenen Fallgestaltung vorliegen, ist nach hiesiger Auffassung zu folgen. Die gegenteilige Auffassung erscheint im Hinblick auf den Rechtsgedanken des Art. 6 Abs. 3 MRK überwiegend formalistisch und benachteiligt den Angekl., der bereit ist, das Wahlverteidigerhonorar zu tragen, in unangemessener Weise."
Dem schließt sich der Senat in vollem Umfang an.
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