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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 4 Ss OWi 1053/97

Leitsatz: Eine entgegen der Anordnung des Richters an den Betr. und nicht an seinen Verteidiger veranlaßte Urteilszustellung ist unwirksam und setzt die Fristen zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde nicht in Lauf.

Senat: 4

Gegenstand: OWi

Stichworte: Begründung der Rechtsbeschwerde, Frist, ordnungsgemäße Ausführung der richterlichen Zustellungsanordnung, Zustellung an Betroffenen statt an Verteidiger

Normen: StPO 36, StPO 341 Abs. 1, StPO 341 Abs. 2, StPO 345 Abs. 1, OWiG 79

Fundstelle: NZV 1998, 475

Beschluss: OLG Hamm, Beschluß vom 11.11.1997

Zum Sachverhalt: Der Oberkreisdirektor hat gegen den Betr. mit Bußgeldbescheid vom 22.02.1996 wegen Geschwindigkeitsüberschrei-
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tung eine Geldbuße von 200 DM und ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt. Den hiergegen gerichteten Einspruch des Betr. hat das AG durch Urteil vom 28.08.1996 gem. § 74 Il OWiG verworfen. Mit Verfügung vom selben Tage hat der Amtsrichter durch entsprechendes Ankreuzen auf dem Vordruck "OWi 10" die Zustellung einer Urteilsausfertigung an den Verteidiger (mit "EB") und die formlose Benachrichtigung des Betr. von dieser Zustellung angeordnet. Diese Anordnung ist (so) nicht ausgeführt worden; vielmehr ist im Kanzleibetrieb die postalische Zustellung der Urteilsausfertigung an den Betr. unter dessen Wohnungsanschrift veranlaßt und im Wege der Ersatzzustellung durch Niederlegung der Briefsendung am Postamt des Wohnortes am 18.10.1996 bewirkt worden. Ob dem Verteidiger hiervon formlos Nachricht gegeben worden ist, ist dem Kanzleivermerk vorn 05.09.1996 nicht zu entnehmen.
Mit am28.10.1996 bei dem AG eingegangenen Telefax hat der Verteidiger "wegen des versäumten Termins vom 28.08.1996 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" und gegen das Urteil "vorsorglich und hilfsweise ... Rechtsmittel ..." eingelegt. Der Wiedereinsetzungsantrag ist bestandskräftig verworfen worden. Das Rechtsmittel hat der Verteidiger mit am 28.11.1996 bei dem AG eingegangenem Telefax als Rechtsbeschwerde bezeichnet und zur Begründung die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt. Das Original dieses Schriftsatzes ist bisher nicht zu den Akten gelangt.
Auf Antrag der StA hat das AG mit Beschluß vom 25.07.1997 die Rechtsbeschwerde gem. § 79 III OWiG i.V. mit § 346 I StPO wegen Versäumung der Begründungsfrist als unzulässig verworfen. Gegen diesen, ihm am 01.08.1997 zugegangenen Beschluß hat der Verteidiger mit am 08.08.1997 bei dem AG eingegangenem Telefax die Entscheidung des RechtsbeschwGer. beantragt und geltend gemacht, daß die Beschwerdebegründung fristgerecht erfolgt sei.
Das Rechtsmittel führte zur Aufhebung des amtsgerichtlichen Beschlusses.

Aus den Gründen: ... II. Der innerhalb der Wochenfrist des § 346 II StPO (i.V. mit § 79 III OWiG) bei dem AG eingegangene Antrag auf Entscheidung des RechtsbeschwGer. ist zulässig und begründet.
Entgegen der Auffassung des AG ist die Rechtsbeschwerde-Begründungsfrist bisher (wie übrigens auch die Frist zur Einlegung dieses Rechtsmittels) nicht versäumt, so daß die Voraussetzungen für einen Verwerfungsbeschluß nach § 346 I StPO i.V. mit § 79 III OWiG nicht vorgelegen haben. Beide Fristen sind bisher nicht einmal in Lauf gesetzt worden.
Wenn - wie hier - die Verkündung des Urteils nicht in Anwesenheit des Betr. stattgefunden hat, so beginnt die Wochenfrist, innerhalb derer die Rechtsbeschwerde einzulegen ist, mit der Zustellung des Urteils (§ 79 III OWiG i.V mit § 341 I und Il StPO). Die einmonatige Rechtsbeschwerde-Begründungsfrist beginnt sodann mit dem Ablauf der Einlegungsfrist.
Das Verwerfungsurteil vom 28.08.1996 ist dem Betr. aber bis heute noch nicht wirksam zugestellt worden. Soweit ihm eine Urteilsausfertigung am 18.10.1996 durch Niederlegung "zugestellt" worden ist, war dieser Vorgang als Zustellung unwirksam, weil er nicht gem. § 36 I StPO, der nach § 46 I OWiG auch für das Bußgeldverfahren gilt, durch den Amtsrichter angeordnet worden war.
Nach § 36 I StPO ordnet der Vorsitzende die Zustellung von gerichtlichen Entscheidungen an, während die Geschäftsstelle dafür sorgt, daß die (angeordnete) Zustellung bewirkt wird. Hieraus ist abzuleiten, daß der Vorsitzende auch anordnen muß, wie und an wen die Entscheidung zugestellt werden soll (vgl. OLG Koblenz, NStZ 1992, 194 m.w.Nachw.) und daß eine unter Verstoß gegen seine Anordnung veranlaßte Zustellung unwirksam ist. Denn gerade die Bestimmung des Zustellungsempfängers, insbesondere im Fall einer schriftlichen, mündlichen oder konkludent erteilten Bevollmächtigung eines oder mehrerer Verteidiger, erfordert Akten- und Rechtskenntnisse, die dem Vorsitzenden als Richter, nicht aber dem Geschäftsstellen- oder Kanzleibediensteten abverlangt werden können (vgl. OLG Düsseldorf JMBl NW 1997, 238 (239)).
Der Ansicht, daß damit Förmlichkeiten eine zu große Bedeutung zugemessen würde (vgl. Göhler, OWiG, 11. Aufl., § 74 Rdnr. 43 m.w.Nachw. aus der Kommentarliteratur), folgt der Senat in Übereinstimmung mit der überwiegenden Auffassung in Literatur und Rechtsprechung (vgl. dazu z. B. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., § 36 Rdnrn. 7 u. 8 m.w.Nachw.) nicht. Der Wortlaut des § 36 I StPO ("...ordnet der Vorsitzende an...") belegt den zwingenden Charakter der Vorschrift, deren strikte Einhaltung gerade im Hinblick auf den Lauf von Rechtsmittelfristen der Rechtsklarheit und -sicherheit dient; sie wäre ihres Sinnes entleert, wenn das Fehlen einer Anordnung des Vorsitzenden oder deren Nichtbefolgung folgenlos bliebe. Deshalb ist daran festzuhalten, daß eine ohne oder gar entgegen der Anordnung des Vorsitzenden nicht an den Verteidiger, sondern an den Betr. bewirkte Zustellung keine Wirkung entfalten kann.
Vorliegend hat der Amtsrichter durch entsprechendes Ankreuzen auf dem Vordruck "OWi 10" die Zustellung einer Urteilsausfertigung an den Verteidiger (mit "EB") und die formlose Benachrichtigung des Betr. von dieser Zustellung angeordnet. Entgegen dieser Anordnung ist die Zustellung der Urteilsausfertigung am 18.10.1996 an den Betr. und nicht an den Verteidiger veranlaßt werden. (Es kann in Anbetracht des Fehlens einer entsprechenden Verfügung der Geschäftsstelle/Kanzlei nicht einmal davon ausgegangen werden, daß der Verteidiger hiervon formlos unterrichtet worden ist). Da die Zustellung demgemäß nicht auf einer entsprechenden Anordnung des Vorsitzenden beruht, war sie unwirksam mit der Folge, daß die Frist zur Einlegung und damit auch zur Begründung der Rechtsbeschwerde bisher nicht in Lauf gesetzt worden ist.
Vor diesem Hintergrund war der Verwerfungsbeschluß vom 25.07.1997 aufzuheben. Die Sache ist zur Bewirkung einer ordnungsgemäßen Zustellung des Verwerfungsurteils vom 28.08.1996 an das AG zurückzugeben.


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