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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 4 Ws 49/99 OLG Hamm

Senat: 4

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Ablehnung der Pflichtverteidigerbestellung, Pflichtverteidiger, notwendige Verteidigung

Normen: StPO 140 Abs. 2

Beschluss: Strafsache gegen M.P.,
wegen Diebstahls,
(hier: Ablehnung der Pflichtverteidigerbestellung).

Auf die Beschwerde der Angeklagten vom 11.01.1999 gegen den Beschluß des Vorsitzenden der 13. kleinen Strafkammer des Landgerichts Münster vom 07.01.1999 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 17.02.1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

1. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.
2. Der Angeklagten wird Rechtsanwalt J. zum Pflichtverteidiger bestellt.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Angeklagten trägt die Staatskasse.

Gründe: I. Die Angeklagte, die armenische Staatsangehörige ist und 1994 in die Bundesrepublik Deutschland einreiste, wurde vom Amtsgericht Warendorf in der Hauptverhandlung vom 18.11.1998, in der wegen der Sprachschwierigkeiten der Angeklagten ein Dolmetscher anwesend war, zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten wegen Diebstahls verurteilt. Mit dem am 23.11.1998 im Wege der Fernkopie übermittelten Schriftsatz vom selben Tage zeigte Rechtsanwalt J. aus Steinheim an, daß die Angeklagte ihn mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt habe und erklärte, er gehe davon aus, daß kein Urteil ergangen sei - anderenfalls werde Berufung eingelegt; falls ein Beschluß ergangen sei, werde Beschwerde erhoben. Zugleich beantragte Rechtsanwalt J., ihn als Pflichtverteidiger beizuordnen.
Am 18.12.1998 wurde die Angeklagte, nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils vom Amtsgericht Rotenburg am 05.05.1997 zu fünf Monaten Freiheitsstrafe mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden war, aus der Bundesrepublik Deutschland abgeschoben. Rechtsanwalt J. beantragte unter dem 28.12.1998 im Hinblick auf die erfolgte Abschiebung der Angeklagten die Einstellung des Verfahrens; ferner bat er unter Hinweis darauf, daß er von der Angeklagten keinerlei Zahlungen erhalten habe, erneut um seine Pflichtverteidigerbestellung.
Mit Beschluß vom 07.01.1999 lehnte der Vorsitzende der 13. kleinen Strafkammer des Landgerichts Münster die Beiordnung von Rechtsanwalt J. zum Pflichtverteidiger ab. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Angeklagten.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Beschwerde der Angeklagten als unbegründet und - soweit die Beschwerde im Hinblick auf die Nichtzahlung des Honorars als Beschwerde des Rechtsanwalts J. auszulegen sei - als unzulässig zu verwerfen.
II. Die zulässige Beschwerde der Angeklagten, die nicht (auch) als Beschwerde ihres Verteidigers selbst auszulegen ist, ist begründet.
Gemäß § 140 Abs. 2 StPO war der Angeklagten ein Pflichtverteidiger zu bestellen, da ersichtlich ist, daß sie sich nicht selbst hinreichend verteidigen kann.
Die Unfähigkeit eines Angeklagten zur Selbstverteidigung ist dann anzunehmen, wenn erhebliche Zweifel daran bestehen, daß ein Angeklagter aufgrund seiner persönlichen Fähigkeiten im konkreten Fall in der Lage ist, seine Verteidigung selbst sachgerecht wahrzunehmen, wobei auch zu berücksichtigen ist, inwieweit dem Angeklagten eine sprachliche Verständigung möglich ist (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl. 1997, § 140 Randnummern 30 und 30 a). Zwar können sprachliche Verständigungsschwierigkeiten in der Regel mit Hilfe eines Dolmetschers behoben werden, jedoch ist im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, daß die Angeklagte ersichtlich nicht in der Lage war, ihrem Verteidiger das Ergebnis der erstinstanzlichen Hauptverhandlung, nämlich ihre Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten, zutreffend mitzuteilen, obwohl in der Verhandlung ein Dolmetscher hinzugezogen worden war. Dieser Umstand begründet erhebliche Zweifel daran, daß die Angeklagte die Fähigkeit besitzt, in diesem Strafverfahren, welches nicht nur zu einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten, sondern als weitere Folge zu einem Widerruf der zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von fünf Monaten führen kann, ihre Verteidigung selbst hinreichend wahrzunehmen.


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