Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ws 351/98

Leitsatz: Die Rechtsprechung des BVerfG (s. u.a. NJW 1997, 2163) zum Rechtsschutz gegen richterliche Durchsuchungsanordnungen gebietet es nicht, im Fall eines durch die Verurteilung des Angeklagten gegenstandslos gewordenen Haftbefehls, der auf § 230 II StPO gestützt war, diesen auf die (weitere) Beschwerde hin trotz der Gegenstandslosigkeit zur Erreichung eines effektiven Rechtsschutzes auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen.

Senat: 2

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: gegenstandslos, gegenstandsloser Haftbefehl, gerichtliche Überprfung, weitere Beschwerde

Normen: StPO 230 II

Fundstelle: NJW 1999, 229

Beschluss: OLG Hamm, Beschluß vom 01.10.1998

Zum Sachverhalt: Das AG Hagen hat am 27.05.1998 gegen den Angekl. Haftbefehl gem. § 230 II StPO erlassen, nachdem dieser zum Hauptverhandlungstermin vom gleichen Tage unentschuldigt nicht erschienen war. Nach seiner Festnahme erklärte der Angekl. anläßlich der Verkündung des Haftbefehls am 16.06.1998, er sei nicht zum Hauptverhandlungstermin gekommen, da er "einige Probleme" mit seinem Bruder und seiner sonstigen Familie habe. Er sei selten zu Hause und halte sich meist bei seiner Freundin auf, mit der er jetzt aber nicht mehr zusammen sei. Der Haftbefehl wurde bis zum 12.07.1998 vollstreckt; anschließend verbüßte der Angekl. in Unterbrechung der Untersuchungshaft eine Ersatzfreiheitsstrafe von 100 Tagen. Die zunächst anberaumte Hauptverhandlung vom 01.07.1998 wurde vertagt, nachdem der Verteidiger mehrere Beweisanträge gestellt hatte. Im Hauptverhandlungstermin vom 13.08.1998 wurde der Angekl. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln unter Einbeziehung einer durch Strafbefehl verhängten Geldstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt; gleichzeitig wurde der Haftbefehl vom 27.05.1998 aufgehoben. Der Angekl. hat durch seinen Verteidiger gegen das Urteil Rechtsmittel einlegen lassen, über das noch nicht entschieden ist. Mit Schreiben seines Verteidigers vom 02.07.1998 hatte der Angekl. gegen den Haftbefehl des AG Hagen vom 27.05.1998 Beschwerde eingelegt, die das LG Hagen mit ausführlich begründetem Beschluß vom 13.07.1998 als unbegründet verworfen hat. Die weitere Beschwerde des Angekl. hat der Senat mit Beschluß vom 04.08.1998 für gegenstandslos erklärt, da der fragliche Haftbefehl mit der Verurteilung des Angekl. im Hauptverhandlungstermin vom 01.08.1998 ebenfalls gegenstandslos geworden war.
Hiergegen wandte sich der Angekl. mit seinen Gegenvorstellungen vom 12.08.1998, die er auf den Beschluß des BVerfG vom 30.04.1997 (NJW 1997, 2163) stützt. Die dortigen Ausführungen zum Gebot eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 IV GG) in Fällen überholter Durchsuchungen beträfen eine vergleichbare Situation bei Erlaß eines Haftbefehls gem. § 230 II StPO. Werde dort bereits bei Wohnungsdurchsuchungen ein derart tiefgreifender Grundrechtseingriff angenommen, der ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse rechtfertige, so müsse dies um so mehr gelten in Fällen, in denen die Freiheitsgrundrechte des Beschuldigten betroffen seien. Die Gegenvorstellungen wurden zurückgewiesen.

Aus den Gründen: Der Senat hält an seiner im Beschluß vom 04.08.1998 dargelegten Auffassung fest.
Der vorgenannte Beschluß des BVerfG gibt zu einer anderen Beurteilung keine Veranlassung. Das BVerfG hat zur Frage des Rechtsschutzes in Fällen erledigter richterlichen Durchsuchungsanordnungen unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung ausgeführt, das aus Art. 19 IV GG folgende Erfordernis eines effektiven Rechtsschutzes gebe dem Betr. das Recht, in Fällen tiefgreifender, tatsächlich jedoch nicht mehr fortwirkender Grundrechtseingriffe auch dann die Berechtigung des Eingriffs gerichtlich klären zu lassen, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränke, in welcher der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in der von der Prozeßordnung gegebenen Instanz kaum erlangen könne. Effektiver Grundrechtsschutz gebiete es, daß der Betr. Gelegenheit erhalte, die Berechtigung schwerwiegender - wenn auch tatsächlich nicht mehr folgender - Grundrechtseingriffe (fach-)gerichtlich klären zu lassen. Die Funktionenteilung zwischen der Fach- und Verfassungsgerichtsbarkeit lasse es nicht zu, daß ein Bf., der von einem seiner Natur nach alsbald erledigten Eingriff schwerwiegend im Schutzbereich eines individuellen Grundrechts betroffen sei, erst und nur im Wege der Verfassungsbeschwerde effektiven Grundrechtsschutz einfordern könne.
Auf der Grundlage dessen läßt der vorliegende Fall die Verletzung des Anspruchs des Angekl. auf einen effektiven Grundrechtsschutz im Wege einer fach- = strafgerichtlichen Prüfung nicht erkennen. Im Gegensatz zu einer richterlichen Durchsuchungsanordnung, die vor ihrer Erledigung wegen der allgemein nur kurzfristigen Natur einer solchen Durchsuchungsmaßnahme in aller Regel keiner weiteren rechtlichen Prüfung zugänglich ist, hat ein Angekl. im Falle seiner Festnahme aufgrund eines Haftbefehls gem. § 230 II StPO bereits bei der Verkündung des Haftbefehls Gelegenheit, sich gegen die Haftanordnung zu wenden und im Falle des Vorhandenseins genügender Entschuldigungsgründe für sein Ausbleiben im Hauptverhandlungstermin seiner Inhaftierung zu entgehen. Ihm steht auch im weiteren Verlauf das Recht der Beschwerde sowie der weiteren Beschwerde zu, wovon der Angekl. im vorliegenden Fall auch Gebrauch gemacht hat. Auf
- Seite 230 -
seine Beschwerde hat das LG die Rechtmäßigkeit der Haftanordnung geprüft und mit ausführlicher - und im übrigen zutreffender - Begründung bestätigt. Der Forderung des BVerfG, daß effektiver Grundrechtsschutz nicht erst und nur im Wege der Verfassungsbeschwerde gegeben sein dürfe, sondern bereits zuvor im Wege fachgerichtlicher Prüfung zu erfolgen habe, ist damit vollständig Genüge getan. Ein darüber hinausgehendes Rechtsschutzinteresse des Angekl., das den Senat noch nach der Aufhebung des Haftbefehls zu einer nachträglichen Prüfung in der Sache hätte veranlassen müssen, ist mithin nicht gegeben, so daß die weitere Beschwerde, wie geschehen, für gegenstandslos zu erklären war (so auch die Rechtsprechung der hiesigen Senate im Falle der sofortigen Beschwerde gegen die Ablehnung der bedingten Entlassung nach vollständigen Verbüßung - Beschluß vom 30.04.1998 - 2 Ws 189/98 (NStZ 1998, 638) und 15.01.1998 - 3 Ws 11/98).


zur Startseite "Rechtsprechung"

zum Suchformular

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".