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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 4 Ws 133/99 OLG Hamm

Senat: 4

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: mündliche Anhörung, Aufhebung und Zurückverweisung, Auflagen- und Weisungsverstoß, Rechtsmittelfrist, Zustellung, Zustellungsanordnung

Normen: StPO 453 Abs. 1 Satz 3, StPO 36 Abs. 1 Satz 1

Beschluss: Strafvollstreckungssache gegen M. L.
wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz,
(hier: Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung sowie Antrag des Verurteilten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde).

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 20.01.1999 gegen den Beschluß der 2. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen vom 09.12.1998 sowie auf den Antrag des Verurteilten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die vermeintliche Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 15. 4 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Der angefochten Beschluß wird aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an die 2. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen zurückgegeben.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde ist gegenstandslos.

Gründe: Der Beschwerdeführer wurde vom Amtsgericht Dorsten am 23.10.1996 wegen unerlaubten Erwerbes von Heroin in sechs Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit unerlaubtem Handel mit Heroin, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt. Nach Verbüßung von 2/3 dieser Freiheitsstrafe wurde durch Beschluß der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen vom 10.11.1997 die restliche Freiheitsstrafe aus dem vorgenannten Urteil zur Bewährung ausgesetzt. Zugleich wurde die Bewährungszeit auf drei Jahre festgesetzt und der Verurteilte der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt. Der Verurteilte wurde zudem angewiesen, jeden Wohnsitzwechsel unverzüglich mitzuteilen sowie sich nach der Haftentlassung unmittelbar bei der Drogenberatung Dorsten zu melden und an einer ambulanten Therapie teilzunehmen. Wegen Verstoßes gegen Auflagen und Weisungen aus diesem Beschluß hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen am 09.12.1998 die durch Beschluß vom 10.11.1997 gewährte Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen. Hierzu hatte sie den Verurteilten nicht mündlich, sondern lediglich schriftlich angehört. Der Einzelrichter der Strafvollstreckungskammer verfügte am 09.12.1998 u.a.: "Beschluß an a) Verurteilten". Der Beschluß vom 09.12.1998 wurde dem Verurteilten ausweislich der Zustellungsurkunde (Bl. 39 b des Bewährungsheftes) am 15.12.1998 im Wege der Ersatzzustellung durch Niederlegung am Postamt des Wohnortes zugestellt. Mit seinem am 22.01.1999 bei dem Landgericht Essen eingegangenem Schreiben vom 20.01.1999 wendet sich der Verurteilte gegen den Widerrufsbeschluß der Strafvollstreckungskammer und beantragt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Seit dem 05.02.1999 befindet sich der Verurteilte in dieser Sache in Strafhaft in der Justizvollzugsanstalt Gelsenkirchen.
Die sofortige Beschwerde des Verurteilten ist zulässig, insbesondere ist sie nicht verspätet eingelegt worden, da eine wirksame Zustellung des Beschlusses, die die Frist des § 311 Abs. 2 StPO in Gang gesetzt hätte, nicht erfolgt ist. Die wirksame Zustellung einer Entscheidung setzt gemäß § 36 Abs. 1 S. 1 StPO voraus, daß der Vorsitzende oder der Einzelrichter die Zustellung der Entscheidung angeordnet hat. Die richterliche Anordnung der Zustellung muß dabei den Zustellungsempfänger bezeichnen und bestimmen, daß eine förmliche Zustellung erfolgen soll (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl. 1997, § 36 Rdnr. 4). An einer vollständigen richterlichen Zustellungsanordnung fehlt es hier jedoch, da der Einzelrichter nicht die förmliche Zustellung an den Verurteilten angeordnet hat.
Der angefochtene Beschluß war auf die sofortige Beschwerde hin aufzuheben und an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen, da ein Verfahrensmangel vorliegt, den der Senat als Beschwerdegericht selbst nicht beheben kann (vgl. OLG Düsseldorf StV 87, 257). Nach § 453 Abs. 1 S. 3 StPO soll dem Verurteilten Gelegenheit zur mündlichen Anhörung gegeben werden, wenn - wie hier - über einen Widerruf wegen Verstoßes gegen Auflagen oder Weisungen zu entscheiden ist. Diese Sollvorschrift ist dahin zu verstehen, daß die Anhörung zwingend ist, wenn sie eine weitere Aufklärung verspricht oder wenn ihr keine schwerwiegenden Gründe entgegenstellen (vgl. Tröndle in: Tröndle/Fischer, StGB, 49. Aufl. 1999, § 56 f Rdnr. 5; Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 453 Rdnr. 7 jeweils m.w.N.). Eine mündliche Anhörung des Verurteilten hätte hier weitere Aufklärung bringen können, da zum Zeitpunkt des Widerrufes der Strafaussetzung zur Bewährung weder dem Gericht noch dem Bewährungshelfer bekannt war, aus welchem Grund der Verurteilte den Bewährungsauflagen und Weisungen nicht nachgekommen ist. Auch standen einer Anhörung nach Lage der Akten keine schwerwiegenden Gründe entgegen, da die Anschrift des Verurteilten bekannt war und er dort bis zu seiner Inhaftierung auch wohnte. Mithin war die Strafvollstreckungskammer verpflichtet, vor einer Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung den Verurteilten mündlich anzuhören.
Da eine wirksame, die Frist des § 311 Abs. 2 StPO in Gang setzende Zustellung nicht vorlag, war die sofortige Beschwerde nicht verfristet und der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung dieser Frist gegenstandslos.


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