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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 4 Ss OWi 98/99 OLG Hamm

Senat: 4

Gegenstand: OWi

Stichworte: Fahrverbot, Geschwindigkeitsüberschreitung, beharrliche Pflichtverletzung, Nachholung einer Verfahrensrüge, Vorbehalt der Ergänzung des Rechtsbeschwerdevorbringens, Wiedereinsetzung

Beschluss: Bußgeldsache gegen L.K.,
wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung innerorts,
hier: Antrag des Betroffenen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung/Ergänzung der Begründung einer Verfahrensrüge und Rechtsbeschwerde des Betroffenen.

Auf den Antrag des Betroffenen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Detmold vom 28.10.1998 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 20. 4 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Betroffenen bzw. dessen Verteidigers beschlossen:

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird verworfen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen verworfen.

Gründe: I. Gegen den Betroffenen ist durch Urteil des Amtsgerichts Detmold vom 28.10.1998 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaft um 26 km/h gemäß §§ 3 Abs. 3 Nr. 1, 49 StVO, 24 StVG eine Geldbuße in Höhe von 220,00 DM sowie ein Fahrverbot von einem Monat verhängt worden. Eine Anordnung nach § 25 Abs. 2 a StVG hat das Amtsgericht nicht getroffen.
Zu den verkehrsrechtlichen Vorbelastungen hat das Amtsgericht unter näherer Mitteilung der Einzelheiten festgestellt, daß der Betroffene im Verkehrszentralregister mit fünf Eintragungen verzeichnet ist. Die zugrundeliegenden Bußgeldentscheidungen, sämtlich wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen zwischen 24 km/h und 46 km/h, sind in den Jahren 1995 bis 1997 verhängt worden. Zuletzt ist gegen den Betroffenen durch Bußgeldbescheid des Landkreises Hildesheim vom 28.02.1997 - rechtskräftig seit dem 21.03.1997 - wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 27 km/h eine Geldbuße von 130,00 DM und ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt worden.
Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils hat der Betroffene am 15.01.1998 gegen 19.18 Uhr mit seinem Pkw Audi, amtliches Kennzeichen LIP-KM 159, in Blomberg-Wellentrup die Istruper Straße befahren und dabei die innerorts zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 26 km/h fahrlässig überschritten. Die Messung erfolgte mit einem Lasergeschwindigkeitsmeßgerät LAVEG, von dem ermittelten Wert von 79 km/h hat das Gericht einen Meßtoleranzwert in Höhe von 3 km/h abgezogen.
Gegen dieses Urteil hat der Betroffene rechtzeitig mit am 03.11.1998 beim Amtsgericht Detmold eingegangenem Schriftsatz seines Verteidigers Rechtsbeschwerde eingelegt und die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt. Zugleich hat der Verteidiger Akteneinsicht beantragt. Eine Aktenübersendung ist durch das Amtsgericht nicht veranlaßt worden.
Nach ordnungsgemäßer Zustellung des Urteils an den Verteidiger am 24.11.1998 hat dieser mit Schriftsatz vom 24.12.1998, der per Telefax am selben Tage beim Amtsgericht Detmold eingegangen ist, die Rechtsbeschwerde näher begründet. Der Betroffene verfolgt mit seinem Rechtsmittel in erster Linie seinen Freispruch, hilfsweise eine Aufhebung des verhängten Fahrverbotes, äußerst hilfsweise die Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache. Er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts und führt dazu aus, das Amtsgericht habe die ordnungsgemäße Eichung des Lasermeßgerätes nicht festgestellt. Außerdem sei ein von dem Verteidiger gestellter und nicht näher mitgeteilter Beweisantrag "aus den Gründen des § 77 II OWiG" fehlerhaft zurückgewiesen worden. Insoweit hat sich der Verteidiger eine Ergänzung des Rechtsbeschwerdevorbringens nach erfolgter Akteneinsicht vorbehalten. Weiter wird gerügt, daß aus näher dargelegten Gründen ein Fahrverbot nicht habe verhängt werden dürfen, zumindest habe eine Anordnung über die Wirksamkeit des Fahrverbotes gemäß § 25 Abs. 2 a StVG getroffen werden müssen.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat dem Verteidiger mit Anschreiben vom 04.02.1999 Akteneinsicht gewährt, die Akten sind der Generalstaatsanwaltschaft unter dem 04.03.1999 zurückgesandt worden. Weil dieser Vorgang den dem Senat vorliegenden Akten zunächst nicht zu entnehmen war, ist dem Verteidiger am 24.03.1999 durch den Vorsitzenden des Senats erneut Akteneinsicht gewährt worden. Mit Telefax vom 29.03.1999 hat der Verteidiger des Betroffenen die Revisionsbegründung hinsichtlich der erhobenen Verfahrensrüge wegen behaupteter fehlerhafter Zurückweisung des Beweisantrages insoweit ergänzt, als nunmehr der Wortlaut des Beweisantrages und des diesen zurückweisenden Gerichtsbeschlusses mitgeteilt worden ist.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Wiedereinsetzungsgesuch zu verwerfen, weil der Betroffene die Frist zur Anbringung der formellen Rüge nicht versäumt, sondern die Verfahrensrüge lediglich nicht in der durch § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO gebotenen Form ausgeführt habe. Im übrigen hat sie beantragt, die Rechtsbeschwerde mit der Klarstellung als offensichtlich unbegründet gemäß § 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG zu verwerfen, daß das Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.
II. 1. Der Antrag des Betroffenen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zumindest unbegründet und daher zu verwerfen.
Der entsprechende Antrag, der dahin lautet, dem Betroffenen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anbringung der Beschwerdebegründung zu gewähren, ist dahin auszulegen, daß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Ergänzung der Begründung einer Verfahrensrüge wegen fehlender Gewährung von Akteneinsicht begehrt wird.
Eine derartige Wiedereinsetzung kommt vorliegend nicht in Betracht. Sie darf nicht dazu dienen, die Form- und Fristgebundenheit der Rechtsbeschwerdebegründung zu unterlaufen und kann daher nur ausnahmsweise erfolgen (vgl. zur gleichgelagerten Problematik bei Revisionen: BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 10 (Akteneinsicht)). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein solcher Ausnahmefall vorliegen, wenn dem Verteidiger des Beschwerdeführers trotz angemessener Bemühungen vor Ablauf der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist keine Akteneinsicht gewährt worden ist und Verfahrensrügen nachgeschoben werden sollen, die ohne Aktenkenntnis nicht begründet werden können (vgl. zur gleichgelagerten Problematik bei Revisionen: BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 4 (Akteneinsicht); 5 (Bemühen um Akteneinsicht); 7 (Akteneinsicht); 10 (Akteneinsicht); 12 (Bemühung um Akteneinsicht); BGH StV 1985, 353 = BGH bei Pfeiffer, NStZ 1985, 492 f.; BGH NStZ-RR 1997, 302). Gleiches hat zu gelten, wenn erst nach erfolgter Akteneinsicht das Rügevorbringen in der gebotenen Form ergänzt werden kann.
Vorliegend ist schon nicht dargelegt, daß der Verteidiger ohne Akteneinsicht gehindert war, die Verfahrensrüge rechtzeitig unter Mitteilung des wesentlichen Inhalts des Beweisantrages und der zurückweisenden Entscheidung des Amtsgerichts mitzuteilen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, daß der Betroffene und sein Verteidiger in der Hauptverhandlung anwesend waren und der Verteidiger den Beweisantrag selbst gestellt hat (vgl. dazu auch Karlsruher Kommentar, StPO, 4. Auflage, § 44 Rdnr. 13).
Im übrigen hat sich der Verteidiger aber auch nicht ausreichend um Akteneinsicht bemüht. Er hat lediglich mit Schriftsatz vom 29.10.1998 um Akteneinsicht nachgesucht, ohne sein Begehren in der Folgezeit bis zum Eingang der Rechtsbeschwerdebegründung am Tag des Ablaufs der Rechtsbeschwerdebegründungfrist weiterverfolgt zu haben.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Ergänzung des Vorbringens hinsichtlich der Verfahrensrüge kommt bei dieser Sachlage nicht in Betracht.
2. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat der Senat gemäß § 79 Abs. 5 StPO verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Beschwerderechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben hat.
Soweit die Rüge der Verletzung formellen Rechts wegen fehlerhafter Zurückweisung eines Beweisantrages und möglicherweise damit zugleich eine Aufklärungsrüge gemäß § 244 Abs. 2 StPO erhoben worden ist, sind diese Rügen jedenfalls nicht fristgerecht in einer § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Weise ausgeführt worden und damit unzulässig. Wird die fehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrages gerügt, so müssen außer dem Inhalt des Antrages auch der Inhalt des ablehnenden gerichtlichen Beschlusses und die die Fehlerhaftigkeit des Beschlusses ergebenden Tatsachen inhaltlich vollständig mitgeteilt werden (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Auflage, § 244 Rdnr. 85 m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt der innerhalb der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist zu den Akten gelangte Schriftsatz des Verteidigers vom 24.12.1998 nicht.
Soweit der Beschwerdeführer die allgemeine Sachrüge erhoben hat, hat die Generalstaatsanwaltschaft in ihrem Verwerfungsantrag wie folgt Stellung genommen:
"Die auf die Rüge einer Verletzung materiellen Rechts vorzunehmende Überprüfung des angefochtenen Urteils deckt Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen nicht auf.
Die Ermittlung der Geschwindigkeit durch ein Lasermessgerät (hier LAVEG) ist ein standardisiertes und automatisiertes, menschliche Handhabungsfehler - wie insbesondere Zielungenauigkeiten - zudem erkennendes Messverfahren, bei dem etwaigen systemimmanenten Ungenauigkeiten durch den vorgeschriebenen Toleranzabzug ausreichend Rechnung getragen wird und bei dem sich der Tatrichter nur dann von der Zuverlässigkeit der Messung näher überzeugen und dies im Urteil darlegen muss, wenn im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte für Messfehler gegeben sind (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 12.11.1996 - 1 Ss OWi 1037/96 - m.w.N.). Der Tatrichter hat sich insoweit lediglich zu vergewissern, dass das Gerät entsprechend der Bedienungsanleitung eingesetzt wurde. Bei Einhaltung dieser Vorschriften bestehen keine durchgreifenden Zweifel an einer zuverlässigen Geschwindigkeitsermittlung durch ein Lasermessgerät und zwar unabhängig von der Beschaffenheit eines anvisierten Kennzeichens, den Witterungsbedingungen, der Tageszeit und der Verkehrsdichte (zu vgl. OLG Hamm aaO m.w.N.).
Entgegen dem Rechtsbeschwerdevorbringen genügt das angefochtene Urteil den Darlegungsanforderungen. Konkrete Anhaltspunkte für Messfehler, die ggf. zu höheren Anforderungen an eine nähere Überzeugung von der Zuverlässigkeit der Messung und einer entsprechenden Darlegung im Urteil führen würden, sind weder in dem angefochtenen Urteil festgestellt noch mit der Rechtsbeschwerde konkret behauptet.
Auch der Rechtsfolgenausspruch begegnet Bedenken nicht. Der Tatrichter hat die Regelbuße gem. Nr. 5.3.2 der Tabelle 1 a, c) des Anhangs zu Nr. 5 der Anlage zu § 1 Abs. 1 BKatV von 120,00 DM im Hinblick auf die ordnungsgemäß festgestellten Voreintragungen des Betroffenen maßvoll auf 220,00 DM angehoben. Die Anordnung des Fahrverbotes gem. § 2 Abs. 2 Satz 2 BKatV ist ebenfalls nicht zu beanstanden."
Diesen Ausführungen zur Sachrüge tritt der Senat bei, hinsichtlich der Ausführungen zum Schuldspruch unter ergänzendem Hinweis auf die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 19.08.1993 - 4 StR 627/92 - (NJW 1993, 3081 ff. = BGHSt 39, 291 ff. = NZV 1993, 485 ff. = NStZ 1993, 592 ff. = MDR 1993, 1107 ff.) und vom 30.10.1997 - 4 StR 24/97 - (NJW 1998, 321 ff.). Insoweit kann auch im Hinblick auf die materiellen Anforderungen an die Urteilsausführungen nicht außer Betracht bleiben, daß der Betroffene, als er vom Zeugen Lutter zu dem Vorwurf angehört wurde, die ihm zur Last gelegte Ordnungswidrigkeit ausdrücklich zugegeben hat, auf die Vernehmung dieses Zeugen im Termin im Einverständnis mit dem Betroffenem und dem Verteidiger verzichtet und die Richtigkeit der Messung bis zum Hauptverhandlungstermin nie angezweifelt worden ist. Selbst wenn die Verfahrensrüge in zulässiger Weise ausgeführt worden wäre, unterläge deshalb die den Beweisantrag zurückweisende Entscheidung letztlich auch keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Das Amtsgericht hat ebenfalls im Ergebnis rechtsfehlerfrei gemäß § 25 Abs. 1 StVG wegen beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers auf ein Fahrverbot von einem Monat erkannt. Es liegt, wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, eine Regelfall für die Verhängung eines Fahrverbotes gemäß § 2 Abs. 2 BKatV vor. Die von der Rechtsbeschwerde angeführten Umstände rechtfertigen ein Absehen von der Verhängung eines Fahrverbotes, insbesondere unter Berücksichtigung der erheblichen und einschlägigen verkehrsrechtlichen Vorbelastungen des Betroffenen, nicht. Das hat das Amtsgericht rechtsfehlerfrei erkannt.
Das Amtsgericht hat auch zutreffend von einer Anordnung nach § 25 Abs. 2 a StVG über das Wirksamwerden des Fahrverbotes abgesehen. Zuletzt ist am 28.02.1997, rechtskräftig seit dem 21.03.1997, gegen den Betroffenen ein Fahrverbot von einem Monat verhängt worden. Die neue Ordnungswidrigkeit vom 15.01.1998 hat der Betroffene somit innerhalb der Frist von zwei Jahren nach Verhängung des letzten Fahrverbotes begangen, so daß die Voraussetzungen für eine Anordnung über das Wirksamwerden des Fahrverbotes gemäß § 25 Abs. 2 a StVG ersichtlich nicht vorliegen.
III. Der Betroffene hat die Kosten der Rechtsbeschwerde und die ihm insoweit entstandenen notwendigen Auslagen gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 StPO zu tragen, weil sein Rechtsmittel erfolglos geblieben ist.


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