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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 4 Ss 237/99 OLG Hamm

Senat: 4

Gegenstand: Revision

Stichworte: Aufhebung, Eigenerwerb eines Gebrauchtwagens durch Autoverkäufer, Sprungrevision, Untreue

Normen: StGB 266

Beschluss: Strafsache gegen R.U.,
wegen Untreue.

Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Lippstadt vom 02.12.1998 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 8. 4 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Lippstadt zurückverwiesen.

Gründe: I. Das Amtsgericht Lippstadt hat den Angeklagten wegen "einer vorsätzlichen Untreue" zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 70,- DM verurteilt.
Zum Schuldspruch hat das Amtsgericht u.a. folgende Feststellungen getroffen:
"Am 01.09.1997 trat der Angeklagte bei der Firma Autohaus A., Renault-Vertretung in Geseke, als Assistent der Geschäftsleitung ein. Vereinbart war dazu eine betriebsleitende Tätigkeit auch bezüglich der Autohäuser der Firma A. in Rostock und Soest.
In der Folge wurde der Angeklagte im Schwerpunkt als Autoverkäufer im Stammhaus der Fa. Autohaus A. in Geseke eingesetzt. Hiermit wie mit dem persönlichen Auftreten des Inhabers der Firma gegenüber den Mitarbeitern war der Angeklagte nicht zufrieden. Das Klima verschlechterte sich zusehends.
Im 3. 1998 traten der Zeuge S., ein dreißig Jahre alter Dachdecker, und dessen Ehefrau als Kaufinteressenten an die Fa. Autohaus A. in Geseke heran und bekundeten Kaufinteresse an einem neuen Renault Megane. Dies nahm der Angeklagte zum Anlaß, einen bestimmten Wagen anzubieten.
Dessen Lagerstandzeit ermöglichte eine entgegenkommende Preisgestaltung. Die Eheleute S. hatten indessen einen alten VW Passat mit dem amtlichen Kennzeichen PB - HN 272, den sie im Zuge der Neuanschaffung abgeben wollten. Der Angeklagte und die Eheleute S. kamen einstweilen zu einem Konzept, in dem der VW Passat PB - HN 272 mit einem Preis von 2.500 DM beim Kauf des Renault Megane in Zahlung genommen werden sollte.
Die hierzu gefertigten Aufzeichnungen bewahrte der Angeklagte, wie bei diesen Geschäften üblich, offen auf seinem Schreibtisch, so daß auch sein Chef und Inhaber der Fa. A., Wolfgang A., davon Kenntnis erlangen konnte. Der Inhaber Wolfgang A. reagierte empört und fuhr den Angeklagten an, daß er "diese Karre nicht auf seinem Hof haben" wolle.
Der Angeklagte entschloß sich daraufhin bei sich, u.a. nach Beratung mit seiner Ehefrau, den VW Passat PB - HN 272 der Familie S. ggf. persönlich privat anzukaufen und zu verwerten.
Am 06.03.1998 waren die Eheleute S. zum Neukauf entschlossen. Sie suchten das Autohaus A. auf, wo sie als erstes den Inhaber Wolfgang A. im Verkaufsbereich antrafen. Er begrüßte den Zeugen S. und dessen Frau und bat um etwas Geduld, weil der Angeklagte mit einem anderen Kunden beschäftigt war. Danach begab sich der Angeklagte mit den Eheleuten S. in das Verkaufsbüro. Dort fertigte der Angeklagte für das Autohaus A. - wie vorab avisiert - einen schriftlichen Kaufvertrag über einen bestimmten PKW Renault Megane. Der Zeuge S. verpflichtete sich, einen Kaufpreis in Höhe von 33.500 DM zu entrichten. Gleichzeitig wurde schriftlich vereinbart:
"Der VW Passat PB - HN 272 wird für DM 2.500,- in Zahlung genommen. Eigenverkauf vorbehalten."
Ergänzend hierzu erklärte der Angeklagte dem Zeugen S., für das Autohaus A. sei es einfacher, wenn die Eheleute S. einerseits den vollen Kaufpreis von 33.500 DM durch ihre Bank überweisen ließen, andererseits bei Hereingabe des VW Passat PB - HN 272 bar 2.500 DM ausgezahlt würden. Seine tatsächliche eigene Weiterverkaufsabsicht verschwieg der Angeklagte.
Der Zeuge S. begab sich anschließend zu seiner Bank und veranlaßte die Überweisung des Gesamtkaufpreises von 33.500 DM.
Der Angeklagte seinerseits beschaffte sich während des Wochenendes 2.500 DM in bar, indem er 2.000 DM am Bankautomaten abhob und den Rest aus häuslichem Bestand zufügte.
Am Montag, den 09.03.1998, suchte der Zeuge S. mit seiner Frau erneut das Autohaus A. auf, um die Übergabe der Fahrzeuge vorzunehmen. Dazu bog er von der Bürener Straße ab, passierte die im Vordergelände befindliche Aral-Tankstelle der Fa. A. und fuhr durch zum Verkaufshaus. Vor diesem stand der Neuwagen bereits abholbereit. Dann stellte der Zeuge S. seinen Wagen VW Passat links auf der Rückseite des Tankstellen- und Waschstraßengebäudes im Bereich der nach Norden an das Verkaufshaus angebauten Werkstatthalle ab. Anschließend kam es mit dem Angeklagten zur wechselseitigen Übergabe von Schlüsseln und Papieren. Dazu hielt man sich wieder im Verkaufsbüro des Angeklagten auf. Dort überreichte der Angeklagte dem Zeugen S. auch die 2.500 DM in bar. Dazu legte der Angeklagte dem Zeugen einen Quittungsdruck vor, wie er im Bürohandel erhältlich ist. Darin war eingetragen, daß 2.500 DM von "Herrn U." erhalten worden seien. Der Zeuge S. schrieb seinen Namen darunter und brach dann mit dem neuen Wagen auf.
Anschließend entfernte der Angeklagte den PKW VW Passat PB - HN 272 vom Betriebsgelände der Fa. A. und verbrachte ihn nach draußen auf den Parkstreifen entlang der Bürener Straße. Wenig später kam ein von dem Angeklagten telefonisch organisierter Aufkäufer und übernahm den Wagen für 3.500 DM."
Der Angeklagte hat sich im wesentlichen dahingehend eingelassen, er habe, nachdem der Firmenchef A. erklärt habe, er wolle diese Karre nicht auf seinem Hof haben, auf Ratschlag seiner Frau hin sich aus Not entschlossen, den Altwagen persönlich anzukaufen, um das aus betrieblichem Interesse erstrebenswerte Geschäft mit den Eheleuten S. zu retten. Zu diesem Zweck habe er den Zusatz in den Vertrag bezüglich des Eigenverkaufs aufgenommen. Später, als der Passat bereits weiterverkauft gewesen sei, sei Herr A. erschienen und plötzlich anderen Sinnes gewesen und habe nun den Altwagen von ihm, dem Angeklagten, verlangt. Daraufhin habe er gesagt, daß der Altwagen von der Familie S. privat verkauft worden sei.
Das Amtsgericht hat das Verhalten des Angeklagten als Untreue gewertet und dazu ausgeführt, er habe seine aus dem Anstellungsverhältnis resultierende Pflicht, die geschäftlichen Interessen der Firma Autohaus A. wahrzunehmen, verletzt. Er sei nicht berechtigt gewesen, den PKW Passat an Dritte weiterzuverkaufen und den Gewinn in die eigene Tasche zu stecken. Der Kaufvertrag bezüglich des VW Passat sei allein zwischen dem Zeugen S. und der Firma A. zustandegekommen. Der Wille des Angeklagten, den Altwagen auf eigene Rechnung anzukaufen, sei als geheimer Vorbehalt unbeachtlich. Die Firma A. sei auch Eigentümerin des Altwagens geworden.
Zur Einlassung des Angeklagten, der Firmeninhaber A. habe ihm den Weg zu einem Eigengeschäft freigemacht, hat das Amtsgericht ausgeführt:
"Zum einen wußte der Angeklagte, wie er sich eingelassen hat, aufgrund seiner von ihm selbst beanspruchten Qualifikation als Autoverkäufer, dass es sich bei dem Geschäft mit dem Kunden S. um ein für das Unternehmen sehr günstiges Geschäft handeln würde. Gerade die Aufnahme des Altwagens am Markt würde einen zusätzlichen Gewinn für das Autohaus A. erbracht haben.
Wenn dagegen der Vorgesetzte, Herr A., das konkrete Geschäft anders beurteilte und so gerade nicht abschließen wollte und dieses auch dem Angeklagten unmißverständlich verdeutlichte, war der Angeklagte gehalten, diesen Abschluss eben nicht zu tätigen. Wenn der Angeklagte aber in der Überzeugung, ein für das Unternehmen A. günstiges Geschäft auch gegen den Willen des Vorgesetzten tätigen zu müssen, dennoch mit dem Zeugen S., wie geschehen, abschloß, war er auch verpflichtet, alle Vorteile dieses konkreten Geschäftes für das Autohaus A. zu wahren.
Der Angeklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass sogar noch am Tage der Hereinnahme bis nach dem Weiterverkauf des Altwagens an einen Dritten der Vorgesetzte A. an seiner negativen Einstellung zu dem Geschäft festgehalten und erst nachträglich anderen Sinnes geworden sei. Denn der Angeklagte hat das Geschäft im Namen der Fa. A. mit Wirkung für und gegen sie abgeschlossen. Er war daher verpflichtet, alles, was er daraus erlangte, dem Vermögen der Fa. A. zuzuführen."
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner unter näheren Ausführungen auf die Rüge der Verletzung des materiellen Rechts gestützten Revision.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu keinen Antrag gestellt.
II. Das zulässige Rechtsmittel hat Erfolg. Es führt zur Aufhebung des Urteils und zur Rückverweisung der Sache an die Vorinstanz.
Die Verurteilung des Angeklagten wegen Untreue hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Urteil leidet an einem sachlich-rechtlichen Mangel, weil die Beweiswürdigung hinsichtlich der Frage, ob der Firmeninhaber A. mit seiner Äußerung "Die Karre kommt mir nicht auf den Hof", dem Angeklagten in Bezug auf den Gebrauchtwagen die Möglichkeit eines Eigengeschäftes eröffnet hat, Lücken aufweist und deswegen für den Senat nicht die hinreichende Möglichkeit der Prüfung besteht, ob die Verurteilung wegen Untreue gerechtfertigt ist.
Zwar ist es allein Sache des Tatrichters, sich aufgrund der Hauptverhandlung, insbesondere aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme, ein Bild von der Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu machen. Jedes Beweismittel darf und muß er dabei frei würdigen, ohne an bestimmte Beweisregeln oder sonstige Richtlinien gebunden zu sein, die ihm vorschreiben, unter welchen Voraussetzungen er eine Tatsache für bewiesen oder nicht bewiesen zu halten oder welchen Wert er einem Beweismittel beizumessen hat (vgl. BGHSt 29, 18). Seine Schlüsse aus festgestellten Umständen brauchen zudem nicht zwingend zu sein, es genügt grundsätzlich, daß sie möglich sind und er von ihrer Richtigkeit überzeugt ist. In der Beweiswürdigung sind jedoch die Ergebnisse der Beweisaufnahme, die Grundlage der tatsächlichen Feststellungen sind, darzustellen und erschöpfend zu würdigen, d.h. der Tatrichter muß sich insbesondere mit allen wesentlichen für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände auseinandersetzen. Diese erschöpfende Würdigung ist in den Urteilsgründen darzulegen. Rechtsfehlerhaft ist die Beweiswürdigung u.a. dann, wenn sie lückenhaft ist, d.h. wenn nicht alle aus dem Urteil ersichtlichen Umstände gewürdigt sind, die Schlüsse zugunsten des Angeklagten zulassen (BGH NStZ 1985, 184). Das ist hier der Fall. Das Amtsgericht hat festgestellt, daß der Firmeninhaber zum Angeklagten gesagt hat, diese Karre - gemeint war der Gebrauchtwagen des Zeugen S. - wolle er nicht auf seinem Hof haben. Die Feststellung des Erklärungsinhalts dieser Äußerung dahin, der Angeklagte habe in dem Fall, daß der Zeuge S. seinen Wunsch auf Inzahlunggabe seines bisherigen Fahrzeugs aufrecht erhalten sollte, von dem Verkauf des Neuwagens eben Abstand zu nehmen, ihm sei dadurch aber nicht die Möglichkeit zum An- und Verkauf des Gebrauchtwagens auf eigene Kosten und eigenes Risiko eröffnet worden, ist in dem angefochtenen Urteil argumentativ nicht tragfähig dargelegt. Eine entsprechende nähere Begründung wäre aber umso mehr erforderlich gewesen, als die von dem Amtsgericht für die rechtliche Beurteilung herangezogene Auslegung der Äußerung von deren Wortlaut her nicht gerade naheliegt. Dieser spricht eher dafür, daß es dem Firmeninhaber lediglich darauf ankam zu verhindern, daß das Gebrauchtfahrzeug als minderwertiger und nur schwer abzusetzender Gegenstand ("Karre") und damit als Belastung der Firma unter Anrechnung auf den Kaufpreis des Neuwagens hereingenommen wurde. Zumindest hätte das Urteil sich argumentativ mit den denkbaren anderen, für den Angeklagten günstigeren Auslegungsmöglichkeiten dieser Äußerung auseinandersetzen müssen. Die Erwägung des Amtsgerichts, der Angeklagte sei gehalten gewesen, im Hinblick auf die "unmißverständliche" Äußerung des Firmeninhabers, diesen Verkaufsabschluß nicht zu tätigen, berücksichtigt zudem nicht, daß der Renault Megane, an dem der Zeuge S. Interesse gezeigt hatte, bereits eine Lagerstandzeit hatte, "die eine entgegenkommende Preisgestaltung ermöglichte" (U.A. S. 2).
Dieser Umstand läßt es durchaus möglich erscheinen, daß der Firmeninhaber ein gesteigertes Interesse am Verkauf dieses Fahrzeugs hatte. Wenn er auf der anderen Seite den Altwagen des Zeugen S. nicht für seine Firma erwerben wollte, so ist es nicht fernliegend, daß er mit einem Eigengeschäft des Angeklagten für den Fall des Verkaufs des Renault Megane einverstanden war. War er jedoch mit einem solchen Eigengeschäft des Angeklagten einverstanden, so liegt darin kein Verstoß des Angeklagten gegen seine vertragliche Treuepflicht. Schließlich hat sich das Amtsgericht auch nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Angeklagte - falls der Firmeninhaber sich nicht mit einem Eigengeschäft des Angeklagten einverstanden erklärt haben sollte - die Äußerung des Firmeninhabers A. im Sinne eines dahingehenden Einverständnisses mißverstanden hat. In diesem Fall könnte eine vorsätzliche Pflichtverletzung des Angeklagten entfallen.
Wegen der aufgezeigten Mängel war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung und Behandlung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Lippstadt zurückzuverweisen, welche auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden hat.


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