Aktenzeichen: 2 BL 157/89
Leitsatz: Ein wichtiger Grund für die Fortdauer der Untersuchungshaft liegt dann nicht vor, wenn sich ein Jugendgericht entgegen § 47a JGG unzulässigerweise nach Eröffnung des Hauptverfahrens für unzuständig erklärt, weil die Sache nach seiner Auffassung vor ein für allgemeine Strafsachen zuständiges Gericht gleicher oder niederer Ordnung gehöre. Dies gilt auch dann, wenn der Verteidiger einen entsprechenden Antrag in Kenntnis der Vorschrift des § 47a JGG gestellt haben sollte.
Senat: 2
Gegenstand: BL6
Stichworte: wichtiger Grund, Unzuständigkeit nach Eröffnung des Hauptverfahrens,
Normen: StPO 121, JGG 47 a
Fundstelle: StV 1990, 168
Beschluss: OLG Hamm, Beschl. v. 07.06.1989
Aus den Gründen: Dem Antrag der GStA, die Fortdauer der U-Haft zu beschließen, vermag der Senat nicht zu entsprechen, weil die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 121 Abs. 1 StPO nicht vorliegen. Zweifelhaft ist schon, ob das Verfahren bzgl. der Fortsetzungstat, die der Angekl. seit Anfang 1988 begangen haben soll und auf die die Haftanordnung bisher allein gestützt worden ist, mit der erforderlichen Beschleunigung gefördert worden ist. Ermittlungen der Polizei oder der StA zu diesem Tatkomplex sind seit der Festnahme des Angekl. aus den Akten nicht ersichtlich. Dies kann letztlich ebenso unerörtert bleiben wie die weitere Frage, ob die teilweise Einstellung des Verfahrens wegen des erwähnten Verfahrenshindernisses des Strafklageverbrauchs unabhängig davon, daß diese Entscheidung in der Hauptverhandlung durch ein Einstellungsurteil hätte erfolgen müssen, der Sache nach gerechtfertigt war. Geht man davon aus, stellt sich nämlich die weitere Frage, ob die dann fehlerhafte Anklageerhebung vor dem JugSchöG und die damit dann zwangsläufig verbundene und unnötige Verfahrensverzögerung als ein verfahrensimmanent wichtiger Grund anerkannt werden könnte, der bisher ein Urteil noch nicht zugelassen hat. Ein solcher Grund ist jedenfalls deswegen nicht vorhanden, weil der Ausgang der Hauptverhandlung vom 30.05.1989 vor dem JugSchöG nicht mit der nach § 109 Abs. 1 S. 1 JGG für Verfahren gegen einen Heranwachsenden entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 47a S. 1 JGG zu vereinbaren ist, wonach sich ein Jugendgericht nach Eröffnung des Hauptverfahrens nicht deswegen für unzuständig erklären darf, weil die Sache vor ein für allgemeine Strafsachen zuständiges Gericht gleicher oder niedrigerer Ordnung gehöre. Auch der Umstand, daß der Verteidiger die beschlossene Verweisung an das für allgemeine Strafsachen zuständige SchöG beantragt hat, rechtfertigt bei der geschilderten Sach- und Verfahrenslage die Aufrechterhaltung der U-Haft aufgrund der Ausnahmevorschrift des § 121 Abs. 1 StPO selbst dann nicht, wenn der Verteidiger diesen Antrag in Kenntnis der Vorschrift des § 47a S. 1 JGG gestellt haben sollte.
zur Startseite "Rechtsprechung"
zum SuchformularDie Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.
Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".