Aktenzeichen: 4 BL 93 / 99 OLG Hamm
Senat: 4
Gegenstand: BL6
Stichworte: psychiatrisches Gutachten, weiteres Verfahren, wichtiger Grund, Sachverständiger
Beschluss: Strafsache gegen W.H.,
hier: Haftprüfung durch das Oberlandesgericht.
Auf die Vorlage der (Doppel)Akten zur Entscheidung nach §§ 121, 122 StPO hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 01.07.1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft, der Verteidiger und des Angeschuldigten beschlossen:
Die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus wird angeordnet.
Die Haftprüfung für die nächsten drei Monate wird dem nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständigen Gericht übertragen.
Gründe: Der Angeschuldigte ist in der vorliegenden Sache am 14.12.1998 polizeilich festgenommen und aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Münster vom 15.12.1998 (23 Gs 3386/98) an diesem Tage zur Untersuchungshaft gebracht worden, die seitdem ununterbrochen vollzogen wird. Die Untersuchungshaft dauert damit seit nunmehr über sechs Monaten an.
Mit dem genannten Haftbefehl wird dem Angeschuldigten zur Last gelegt, am 12.12.1998 durch zwei selbständige Handlungen zwei Menschen zur Befriedigung des Geschlechtstriebes und zur Verdeckung einer Straftat getötet zu haben(§§ 211 Abs. 1 und 2, 53 StGB ). Ihm wird vorgeworfen, am Abend dieses Tages zunächst die am 26.02.1970 geborene W. S. mit einem Seidenstrumpf erdrosselt zu haben, um sich dadurch sexuell zu erregen. Anschließend habe er auch die am 01.10.1972 geborene K. H. erdrosselt, die sich in einem anderen Zimmer der Wohnung aufhielt. Dies habe er getan, um sich hieran erneut sexuell zu erregen und die Frau als Tatzeugin der vorangegangenen Tat auszuschalten.
Als Haftgrund hat das Amtsgericht § 112 Absatz 3 StPO angeführt.
Anklage ist unter dem 24.03.1999 erhoben worden. In dieser wird dem Angeschuldigten über die vorgenannten Taten hinaus vorgeworfen, sich am 14.12. 1998 einer schweren Körperverletzung zum Nachteil seines dreijährigen Sohnes Simon schuldig gemacht zu haben. Eine Anpassung des Haftbefehls ist noch nicht erfolgt, so daß Grundlage des voliegenden Haftprüfungsverfahrens allein die Taten vom 12.12.1998 sind.
Dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft entsprechend ist die weitere Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft des Angeschuldigten über sechs Monate hinaus anzuordnen.
Er ist des ihm hinsichtlich des 12.12.1998 zur Last gelegten Tatgeschehens nach dem Ergebnis der bisherigen kriminalpolizeilichen Ermittlungen dringend verdächtig. Er hat die Taten in seiner Vernehmung vom 14.12.1998 eingeräumt. Der dringende Tatverdacht gründet sich überdies auf die in der Anklageschrift weiter benannten Beweismittel. Dies giIt insbesondere für die Bekundungen der Zeugen M.H., S.D., Dr. F. und Dr. W., sowie das beschlagnahmte Schreiben des Angeschuldigten an E.H. vom 1./12. 4 1999. Durch diese Beweismittel, die auch noch durch weitere Ermittlungsergebnisse erhärtet werden, wird der Angeschuldigte im Sinne der Vorwürfe, die Gegenstand des amtsgerichtlichen Haftbefehls sind, schwer belastet.
Wegen des dringenden Tatverdachts wird ergänzend auf die dem Angeschuldigten und seinen Verteidigern bekannte Anklageschrift verwiesen, die das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen zutreffend zusammenfaßt.
Bei dem Angeschuldigten besteht der Haftgrund des § 112 Abs. 3 StPO . Darüberhinaus ist auch der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO)zu bejahen. Denn es besteht die konkrete Gefahr, daß er sich dem Verfahren durch Flucht entzieht, würde er freigelassen. Er hat wegen der ihm zur Last gelegten Taten mit einer hohen zeitigen, gegebenenfalls lebenslangen Freiheitsstrafe zu rechnen, was für ihn einen beträchtlichen Fluchtanreiz begründet. Dem stehen, nachdem sich seine Ehefrau von ihm getrennt hat, keine tragfähigen sozialen Bindungen gegenüber. Auf diesem Hintergrund sind weniger einschneidende Maßnahmen als die Anordnung und auch der Vollzug der Untersuchungshaft (§ 116 StPO) nicht ausreichend, um die Fluchtgefahr wirksam einzudämmen.
Der bisherige und der absehbare weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der im Verurteilungsfalle zu erwartenden Bestrafung.
Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus sind gleichfalls gegeben. Das Ermittlungsverfahren ist mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung betrieben worden.
Der Umfang und die Schwierigkeit der Ermittlungen haben einen Abschluß des Verfahrens noch nicht zugelassen. Die aufgrund der notwendigen Begutachtung des Angeschuldigten durch die Sachverständigen Professor Dr. L.
und Dr. N. erst Ende März mögliche Anklageerhebung ist nicht zu beanstanden. Gleiches gilt für die Förderung des Verfahrens durch das Landgericht. Die Kammer hat in Abstimmung mit den Prozeßbeteiligten den Verhandlungsbeginn für den 09.08.1999 ins Auge gefaßt, da eine frühere Terminierung im 7. angesichts der urlaubsbedingten Abwesenheit des Sachverständigen nicht möglich war. Auch begegnet die bisher noch nicht erfolgte Eröffnung des Hauptverfahrens keinen Bedenken. Wegen der von der Kammer vorzunehmenden Prüfung der Zulassung auch der gegen den Angeschuldigten unter dem 05.05.1999 erhobenen weiteren Anklage (LG Münster 2 Ks 30 Js 158/99 (7/99)) sowie der Frage einer gegebenenfalls vorzunehmenden Verbindung mit dem gegenständlichen Verfahren liegen insoweit hinreichende sachliche Gründe vor. Wenn unter diesen Umständen das Verfahren noch nicht abgeschlossen werden konnte, so beruht das auf wichtigen Gründen i.S.v. § 121 Abs. 1 StPO, die ein Urteil noch nicht zugelassen haben, es andererseits aber rechtfertigen, die auch vom Landgericht für erforderlich erachtete Untersuchungshaft des Angeschuldigten über sechs Monate hinaus aufrechtzuerhalten.
Die Nebenentscheidung folgt aus § 122 Abs. 3 Satz 3 StPO.
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