Aktenzeichen: 4 Ws 242/99 OLG Hamm
Senat: 4
Gegenstand: Beschwerde
Stichworte: Haftbeschwerde, Dringender Tatverdacht nach Hauptverhandlung, Fluchtgefahr, Tatrichterentscheidung, Urteil
Beschluss: Strafsache gegen A.M.,
wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes (hier: Haftbeschwerde).
Auf die Beschwerde des Angeklagten vom 11.6. 1999 gegen den Haftbefehl der I. großen Strafkammer - Jugendkammer - des Landgerichts Münster (Westf.) vom 10.06.1999 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 08.07.1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Die Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.
Gründe: I. Die I. große Strafkammer - Jugendkammer des Landgerichts Münster (Westf.) hat nach fünftägiger Hauptverhandlung am 10.6. 1999 den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in zwei Fällen zum Nachteil des am 23.11.1987 geborenen D. F. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zugleich hat das erkennende Gericht mit dem am Schluß der Hauptverhandlung verkündeten Haftbefehl vom selben Tage wegen des Haftgrundes der Fluchtgefahr die Untersuchungshaft angeordnet. Dem Angeklagten wird zur Last gelegt, am 22.03.1997 in einem Waldstück bei Rheine seinen Neffen D.F. veranlaßt zu haben, seine Hose herunterzuziehen und sich auf eine Decke zu legen. Dann soll er versucht haben, bei dem Jungen den Analverkehr zu vollziehen. Später in seiner Wohnung habe er das Kind wiederum veranlaßt, sich auszuziehen, habe es berührt und seinen erigierten Penis zwischen die Gesäßbacken des Jungen geführt, ohne daß sicher ein vollzogener Analverkehr hätte festgestellt werden können.
Mit Schriftsätzen vom 11.und 16.06.1999 hat der Angeklagte durch seinen Verteidiger gegen das Urteil vom 10.06.1999 Revision eingelegt und Haftbeschwerde beim Landgericht Münster (Westf.) angebracht. Mit seinem Antrag auf Aufhebung, hilfsweise auf Außervollzugsetzung des Haftbefehls wendet er sich insbesondere gegen die Annahme des Haftgrundes der Fluchtgefahr; wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf Bl. 289 ff. BD. II DA Bezug genommen. Die Strafkammer hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II. Entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft war die gemäß § 304 Abs.1 StPO statthafte Haftbeschwerde als unbegründet zu verwerfen. Die Voraussetzungen der Untersuchungshaft (vgl. § 112 StPO) sind weiterhin gegeben.
1. Der dringende Tatverdacht ergibt sich schon daraus, daß der Angeklagte durch die Jugendkammer des Landgerichts Münster (Westf.) wegen der Taten zum Nachteil des Kindes D.F. für schuldig befunden und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist. Daß dieses Urteil nicht rechtskräftig ist, steht der Annahme dringenden Tatverdachts nicht entgegen. Allein der Umstand, daß das Gericht nach Durchführung eines rechtsstaatlichen Regelungen unterworfenen Erkenntnisverfahrens zu der Überzeugung der Täterschaft und Schuld des Angeklagten gelangt ist, spricht für eine hohe Wahrscheinlichkeit seines strafbaren Handelns in der festgestellten Weise. Für eine andere Beurteilung gibt es keinen Anlaß.
2. Es besteht auch der Haftgrund der Fluchtgefahr (vgl. § 112 Abs.2 Nr.2 StPO).Der Angeklagte muß damit rechnen, daß die gegen ihn verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten rechtskräftig und in absehbarer Zeit vollstreckt werden wird.
Selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, daß er sich der mehrtägigen Hauptverhandlung gestellt hat, ist der Anreiz, sich der Strafvollstreckung durch Flucht oder Untertauchen zu entziehen, gegeben. Insoweit kann nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Strafkammer ihn trotz der Einstellung des von der Staatsanwaltschaft Aurich geführten Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts gleichartiger Taten zum Nachteil seiner am 29.11.1990 geborenen Nichte D.W. und seiner bestreitenden Einlassung für schuldig befunden hat. Außerdem ist er angesichts der Schlußanträge der Staatsanwaltschaft Münster auf Verhängung einer Freiheitsstrafe mit Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung sowie der Verteidigung auf Freispruch mit der Urteilsverkündung erstmals damit konfrontiert worden, daß die Vollstreckung einer mehrjährigen Freiheitsstrafe konkret bevorsteht.
Der Fluchtanreiz wird durch die vom Angeklagten angeführten persönlichen und sozialen Beziehungen nicht so weit herabgesetzt, daß Auflagen und/oder Weisungen ausreichten, um den Haftzweck zu sichern. Zwar lebt er seit seiner Haftentlassung im 10. 1997 im Haushalt seines Vaters und arbeitet nach einer Erkrankung seit dem 31.03.1999 wieder bei der Firma B. in Emsdetten. Doch zeigt der tabellarische Lebenslauf, den der Angeklagte erstellt und während der Hauptverhandlung zu den Akten gereicht hat (vgl. Anlage 7 zum Protokoll vom 01.06.1999, Bl. 276 BD. II DA), daß damit seine Lebenssituation - zumal angesichts der konkret drohenden Strafverbüßung - nicht als gefestigt angesehen werden kann. Wenn das Tatgericht unter diesen Umständen aufgrund des persönlichen Eindrucks vom Angeklagten weniger einschneidende Maßnahmen als die Inhaftierung für nicht ausreichend erachtet hat, um den Zweck der Untersuchungshaft zu erreichen, ist dagegen nichts zu erinnern. Auch die Beschwerdebegründung gibt zu einer abweichenden Bewertung keinen Anlaß.
Die Haftfortdauer ist angesichts der Höhe der gegen den Angeklagten im Urteil des Landgerichts Münster (Westf.) vom 10.06.1999 verhängten - nicht rechtskräftigen - Gesamtfreiheitsstrafe noch nicht unverhältnismäßig.
III. Die nach allem erfolglose Beschwerde war daher mit der Kostenfolge aus § 473 Abs.1 StPO zu verwerfen.
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