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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 4 Ws 185/99 OLG Hamm

Senat: 4

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Ablehnung der bedingten Entlassung aus der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, Aufhebung, Zurückverweisung, keine Terminsnachricht an Verteidiger, Anhörung ohne Verteidiger, faires Verfahren

Normen: StPO 454 Abs. 1 Satz 3, EMRK Art 5 Abs. 4

Beschluss: Strafsache gegen K. B.,
wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern,
(hier: Ablehnung der bedingten Entlassung aus der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus).

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 24.03.1999 gegen den Beschluß der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Paderborn vom 12.03.1999 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 27.05.1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Paderborn zurückgegeben.

Gründe: Das Landgericht Bochum hat den Beschwerdeführer durch Urteil vom 17.02.1994 wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Maßregel wird seit dem 22.07.1994 im Westfälischen Zentrum für Forensische Psychiatrie Lippstadt in Eickelborn vollzogen.
Diagnostisch handelt es sich bei dem Beschwerdeführer um eine schizoid-zwanghafte Persönlichkeitsstörung sowie um Pädophilie. Somatisch leidet er an Adipositas, an chronischer Elephantiasis beider Beine mit Hautekzemen und Mykoseneigung. Die Störung der Persönlichkeitsentsentwicklung des Beschwerdeführers hat in seiner Kindheit begonnen und hat zu wesentlichen Behinderungen in den Bereichen Autonomie- und Selbstwertentwicklung, Bindungs- und Kontaktvermögen, Emotionalität und psychosexuelle Entwicklung geführt. Sie bewirkt eine erhebliche Herabsetzung seiner Fähigkeit zur Kontrolle von Triebimpulsen, was sich auf alle Aspekte seiner Lebensführung schwerwiegend defizitär ausgewirkt hat. Die diagnostischen Erkenntnisse des erkennenden Urteils haben sich in der Folgezeit sowohl während der Behandlung im Maßregelvollzug als auch nach dem gemäß § 14 MRVG eingeholten Gutachten des Sachverständigen Dr. Koester vom 10.03.1997 bestätigt.
Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Paderborn hat bereits mehrfach die Fortdauer der Unterbringung im Maßregelvollzug beschlossen. Zuletzt hat der Senat durch Beschluß vom 04.8.1998 die durch die Strafvollstreckungskammer am 19.06.1998 angeordnete Fortdauer des Maßregelvollzuges bestätigt.
Nach der letzten Senatsentscheidung hat sich Rechtsanwalt Gosmann mit Vollmacht des Beschwerdeführers am 26.10.1998 als Verteidiger im Unterbringungsverfahren gemeldet und um Akteneinsicht gebeten, die ihm gewährt wurde. Die Wahlvollmacht besteht nach Aktenlage fort.
Am 04.1.1999 hat der Verurteilte die Überprüfung der Fortdauer seiner Unterbringung beantragt und um eine erneute Prognosebegutachtung gebeten. Nach Eingang der Stellungnahme des Westfälischen Zentrums vom 26.01.1999 hat der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer am 16.02.1999 Termin zur Anhörung des Beschwerdeführers auf den 12.03.1999 bestimmt. Eine Benachrichtigung des Verteidigers ist unterblieben.
Durch Beschluß vom 12.03.1999 hat die Strafvollstreckungskammer die Fortdauer der Unterbringung beschlossen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Verurteilten.
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückgabe an die Strafvollstreckungskammer.
Die sofortige Beschwerde ist schon wegen eines Verfahrensmangels begründet, weil die nach §§ 463 Abs. 3, 454 Abs. 1 Satz 3 StPO bei der Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung vorgeschriebene mündliche Anhörung nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, denn der Verteidiger des Beschwerdeführers ist nicht von dem Anhörungstermin benachrichtigt worden (vgl. auch OLG Düsseldorf, StV 1996, 221 = NStZ 1996, 152). Nicht nur der Grundsatz des fairen Verfahrens gebietet die Benachrichtigung des Verteidigers durch das Gericht. Der Beistand eines Verteidigers war darüber hinaus in Anwendung der Grundsätze, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zu Artikel 5 Abs. 4 EMRK entwickelt hat, im vorliegen Fall geboten, denn der Beschwerdeführer ist nach Lage der Akten tatsächlich nicht in der Lage, im Anhörungstermin die Gesichtspunkte, die zu seinen Gunsten sprechen könnten, angemessen zusammenzufassen und vorzutragen (vgl. EGMR, NJW 1992, 2045 = StV 1993, 88; EGMR, NStZ 1993, 148). Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. Koester ist der Beschwerdeführer trotz guter intellektueller Begabung nicht in der Lage, einfache lebenspraktische Dinge zu bewältigen. Die fehlende Realitätsnähe und Lebenstüchtigkeit kommt in seinen zu den Akten gereichten Eingaben deutlich zutage. Es liegt der Verdacht nahe, daß der Beschwerdeführer soweit er in der Vergangenheit keinen anwaltlichen Beistand hatte, auch deshalb regelmäßig nicht zu Anhörungen erschienen ist und sich nicht einer Exploration durch den Prognosegutachter gestellt hat. Insoweit fällt auf, daß er in den vergangenen Jahren lediglich einmal am 21.06.1996 zu einem Anhörungstermin, diesmal im Beistand eines Verteidigers, erschienen ist.
Der Verteidiger hat in Fällen vorliegender Art nicht nur das rechtliche Gehör zu gewährleisten. Vielmehr soll durch die Beiordnung auch sichergestellt werden, daß im Rahmen der mündlichen Anhörung unter Berücksichtigung des Gesundheitszustandes und der Bedeutung der anstehenden Entscheidung für den Untergebrachten alle zu seinen Gunsten sprechenden Umstände sachgerecht dargestellt werden (vgl. EGMR a.a.O.).
Der Verfahrensmangel führt zur Aufhebung und zur Zurückverweisung zur Entscheidung auch über die Kosten des Rechtsmittels abweichend von der Regel des § 309 StPO. Der Mangel kann durch das Beschwerdegericht nicht behoben werden, weil durch die nicht ordnungsgemäße Durchführung der mündlichen Anhörung der Entscheidung die ausreichende tatsächliche Grundlage fehlt (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O. m.w.N.).
Die Strafvollstreckungskammer wird bei der erneuten Behandlung der Sache, sofern der Rechtsanwalt Gosmann sein Wahlmandat niederlegt, die Bestellung eines Pflichtverteidigers in Erwägung ziehen.
Diese Entscheidung entspricht auch dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft.


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