Aktenzeichen: 4 Ss 1534/98 OLG Hamm
Senat: 4
Gegenstand: Revision
Stichworte: Wahlrevision, Aufhebung, BtMG, letztes Wort
Normen: StPO 258
Beschluss: Strafsache gegen L.Z.,
wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz.
Auf die (Wahl-)Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts - Jugendschöffengerichts - Detmold vom 13.08.1998 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 04.03.1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Angeklagten bzw. seines Verteidigers gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Detmold zurückverwiesen.
Gründe: Das Jugendschöffengericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (Haschisch) in nicht geringer Menge in sechs Fällen und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Haschisch) in 15 Fällen zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von sechs Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten. Sie erhebt die allgemeine Sachrüge sowie mit näheren Ausführungen die Rüge der Verletzung von Verfahrensrecht.
Das Rechtsmittel hat bereits mit der ordnungsgemäß erhobenen Rüge der Verletzung formellen Rechts Erfolg.
Die Revision rügt zu Recht, dem Angeklagten sei das letzte Wort nicht gewährt worden, § 258 StPO. Dem liegt folgender Verfahrensablauf zugrunde:
Gegen Ende der Hauptverhandlung vom 13.08.1998 stellten Staatsanwaltschaft und Verteidigung jeweils ihre Schlußanträge. Anschließend hatten der Angeklagte und die Mitangeklagte das letzte Wort. Danach trat das Jugendschöffengericht erneut in die Beweisaufnahme ein und die Vertreterin der Staatsanwaltschaft beantragte, in den verbundenen Verfahren 5 Js 136/98 und 5 Js 9/98 fünf der angeklagten zehn Einzeltaten nach § 154 StPO einzustellen. Das Jugendschöffengericht faßte sodann einen antragsgemäßen Einstellungsbeschluß. Anschließend wurde die Beweisaufnahme erneut geschlossen und Staatsanwaltschaft und Verteidiger wiederholten jeweils ihre zuvor gestellten Anträge. Dem Angeklagten wurde nicht nochmals die Gelegenheit gegeben, etwas zu seiner Verteidigung auszufahren. Der Vorsitzende des Jugendschöffengerichts befragte ihn nicht, ob er selber noch etwas zu seiner Verteidigung auszufahren habe.
Diese Verfahrensweise begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. § 258 StPO gibt dem Angeklagten i.V.m. § 2 JGG das Recht, vor der Urteilsberatung als Letzter zu sprechen. Auch wenn - wie hier - der Angeklagte bereits das letzte Wort hatte und das Gericht danach nochmals in die Beweisaufnahme eingetreten ist, ist das Gericht verpflichtet, nach erneuter Schließung der Beweisaufnahme dem Angeklagten abermals das letzte Wort zu erteilen. Dabei setzt ein Wiedereintritt in die Beweisaufnahme i.S. der genannten Vorschrift nicht voraus, daß die danach erfolgte Prozeßhandlung ihrer Natur nach in den Bereich der Beweiserhebung fällt, vielmehr liegt er stets dann vor, wenn der Wille des Gerichts zum Weiterverhandeln in Erscheinung tritt (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl. 1997, § 258 Rdnr. 27 bis 29 m.w.N.). Das war vorliegend der Fall, indem das Jugendschöffengericht ausdrücklich "erneut in die Beweisaufnahme eingetreten" ist, einen Einstellungsantrag der Staatsanwaltschaft entgegengenommen und diesen beschieden hat. Hiernach war es verpflichtet, nicht nur Staatsanwaltschaft und Verteidigung erneut Gelegenheit zur Stellung der Anträge zu geben, sondern auch dem Angeklagten nochmals das letzte Wort zu gewähren. Da das nicht geschehen ist, liegt ein Verstoß gegen § 258 StPO vor.
Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, daß das Urteil auf diesem Fehler beruht. Der Angeklagte hätte die Einstellung des Verfahrens, soweit es fünf von ihm in Abrede gestellte Tatvorwürfe betraf, in Bezug auf die verbliebenen Vorwürfe und die insoweit zu verhängenden Rechtsfolgen argumentativ in seinem letzten Wort verwerten können. Er hat von den fünf verbleibenden Taten aus diesem Komplex drei weitere geleugnet und war hinsichtlich der beiden übrigen Taten lediglich teilgeständig. Der Zeuge Giesel, der den Angeklagten im Ermittlungsverfahren der angeklagten zehn Taten bezichtigt hatte, hat in der Hauptverhandlung seine Angaben nur zu fünf Taten des Angeklagten aufrecht erhalten. Bei dieser Sachlage hätte der Angeklagte sich nicht ohne Aussicht auf Erfolg u.a. zur Glaubhaftigkeit der Aussage des Belastungszeugen insgesamt äußern können.
Da bereits die erörterte Verfahrensrüge durchgreift und zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führt, brauchte der Senat auf die weiter erhobenen Verfahrensrügen sowie auf die Sachrüge nicht näher einzugehen.
Das angefochtene Urteil war mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache - auch zur Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere (jugendschöffengerichtliche) Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen.
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