Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

Rechtsprechung


Aktenzeichen: 4 Ss OWi 1331/97 OLG Hamm

Senat: 4

Gegenstand: OWi

Stichworte: Bußgeldbescheid, Erlaß, Eingriff in vorprogrammierten Ablauf, EDV, Computer, Verfahrenseinstellung, Verjährung

Normen: StPO 206 a, OWiG 33 Abs. 1 Nr. 9

Beschluss: Bußgeldsache gegen N.W.,
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Münster vom 19.08.1997 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 03.02.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht Leichter nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft einstimmig beschlossen:

Das Verfahren wird unter Aufhebung des angefochtenen Urteils eingestellt.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt die Staatskasse.

Gründe: I. 1. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht Münster gegen den Betroffenen wegen eines am 12.10.1996 begangenen (qualifizierten) Rotlichtverstoßes eine Geldbuße von 250,- DM festgesetzt und ihm für die Dauer von einem Monat untersagt, Kraftfahrzeuge jeder Art im Straßenverkehr zu führen.
Mit seiner allein auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Rechtsbeschwerde gegen dieses Urteil macht der Betroffene unter näheren Ausführungen geltend, der Bußgeldbescheid, der den Ablauf der Verjährungsfrist hätte unterbrechen können, sei frühestens am 15.01.1997, also zu einem Zeitpunkt erlassen worden, als die Tat bereits verjährt war.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen, wobei sie sich der Auffassung des Amtsgerichts angeschlossen hat, die Bußgeldstelle der Stadt Münster habe den Bußgeldbescheid bereits am 08.01.1997, also vor Ablauf der Verjährungsfrist, erlassen.
2. Aus den Akten und der vom Senat erbetenen Stellungnahme des Leiters des Ordnungsamtes der Stadt Münster vom 21.01.1998 ergibt sich im wesentlichen folgender Verfahrensablauf bei der Verwaltungsbehörde:
Für die Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten setzt die Bußgeldstelle ihr EDV-OWiG-Programm" ein. Zunächst wird "manuell festgelegt", ob ein qualifizierter oder einfacher Rotlichtverstoß vorliegt und die entsprechende Tatbestandskennziffer in das Programm eingegeben, wodurch ein Datensatz entsteht, durch den die Identifikationsmerkmale der Ordnungswidrigkeit und Höhe und Art der Rechtsfolgen festgehalten werden. Bei Identität von Halter und Fahrer wird der Bußgeldbescheid automatisch 28 Tage nach Anhörung des Betroffenen ausgedruckt. Vorliegend ist dieser Mechanismus nicht in Gang gesetzt worden, weil der Halter des Kraftfahrzeuges, mit dem die Ordnungswidrigkeit begangen worden ist, eine juristische Person ist.
Nachdem der Betroffene als Führer des Kraftfahrzeuges ermittelt worden war, hat der Sachbearbeiter der Bußgeldbehörde unter Zuhilfenahme eines Stempels (vgl. Bl. 3 oben d.A.) unter dem 08.01.1997 die Eingabe der persönlichen Daten des Betroffenen in das EDV-Programm sowie unter Ziffer 3 "Bußgeldbescheid" verfügt. Auf dem sodann unter dem 15.01.1997 ausgedruckten Bußgeldbescheid(-formular) (Bl. 2 d.A.) ist unten links unter Ziffer 2 die Verfügung "Bußgeldbescheid erlassen" ausgedruckt und von dem Sachbearbeiter am 16.01.1997 unterzeichnet worden.
II. Die allein auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.
Das Verfahren ist wegen Verfolgungsverjährung einzustellen (§§ 206 a StPO, 46 Abs. 1 OWiG), weil die dem Betroffenen angelastete Verkehrsordnungswidrigkeit bei Erlaß des Bußgeldbescheides am 16.01.1997 bereits verjährt war.
Die Verjährungsfrist beträgt bei Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung gemäß §§ 24, 26 Abs. 3 StVG drei Monate beginnend mit dem Vorfallstag (hier: 12.10.1996). Vorliegend ist sie demgemäß am 11.01.1997 abgelaufen und entgegen der Auffassung der Bußgeldstelle sowie des Amtsgerichts nicht rechtzeitig vor ihrem Ablauf unterbrochen worden.
Als Unterbrechungshandlung gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG kommt allein der Erlaß des hier in Rede stehenden Bußgeldbescheides in Betracht. Dieser ist aber erst mit Verfügung vom 16.01.1997 (vgl. Bl. 2 unten d.A.), also mehrere Tage nach Ablauf der Verjährungsfrist, erlassen worden.
Die Annahme der Bußgeldbehörde, sie habe den Bußgeldbescheid rechtzeitig vor Fristablauf am 11.01.1997 mit (Stempel-)Verfügung vom 08.01.1997 (vgl. Bl. 3 oben rechts d.A.) erlassen, findet in den aus den Akten ersichtlichen Verfügungen und sonstigen Verfahrensvorgängen keine hinreichende Stütze.
Rechtssicherheit und -klarheit gebieten es, daß die Unterbrechung der Verjährung als wichtiger Verfahrensvorgang grundsätzlich aus sich heraus oder wenigstens aus dem Zusammenhang mit der Aktenlage erkennbar und in ihrer Wirkung auf das Verfahren für die Beteiligten abschätzbar ist (vgl. Jähnke in Leipziger Kommentar, 11. Aufl., 1994, § 78 c StGB, Rdnr. 12).
Diesen Anforderungen genügt die (Stempel-)Verfügung vom 08.01.1997
"1. Eingabe FAD
2. Eingabe Geburtsdatum
3. Bußgeldbescheid
4. z.d.A."
nicht. Aus ihrer Ziffer 3 kann nämlich nicht mit der notwendigen Klarheit entnommen werden, daß damit der Bußgeldbescheid erlassen werden sollte. Die nicht näher erläuterte Anordnung "Bußgeldbescheid" legt nahe, daß lediglich ein Ausdruck des gespeicherten Datensatzes als noch zu überprüfender Entwurf des Bußgeldbescheides erstellt werden sollte. Dieser Deutung steht die vom Senat erbetene Stellungnahme des Leiters des Ordnungsamtes der Stadt Münster vom 21.01.1998 jedenfalls nicht entgegen; danach sollte mit der genannten Verfügung der Bußgeldbescheid "bestellt" bzw. "angefordert" werden. Damit ist ersichtlich nur der (tatsächliche) Vorgang des Ausdruckens, nicht aber der rechtlich bedeutsam Aspekt des Erlasses des Bußgeldbescheides beschrieben worden.
Daß die Verfügung vom 08.01.1997 nicht als Erlaß des Bußgeldbescheides gewertet werden kann, erhellt die darauffolgende, gleichzeitig mit dem Bußgeldbescheid(entwurf) am 15.01.1997 ausgedruckte und am 16.01.1997 unterzeichnete Verfügung auf Bl. 2 unten links d.A., die folgenden Wortlaut hat:
"2. Bußgeldbescheid erlassen.
3. Versendung an den Betroffenen.
4. z.d.A.".
Sie enthält im Gegensatz zu der Verfügung vom 08.01.1997 in Ziffer 2 erstmals die Anordnung, den Bußgeldbescheid zu "erlassen". Daraus ist zu folgern, daß der Bußgeldbescheid bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht erlassen war (also auch nicht durch die Verfügung vom 08.01.1997), der zuständige Sachbearbeiter der Bußgeldbehörde das ausgedruckte Bußgeldbescheidformular vielmehr zunächst geprüft und sodann über den Erlaß des Bußgeldbescheides entschieden hat. Jedenfalls sprechen die zu beurteilenden Verfahrensvorgänge dafür, daß der Sachbearbeiter die letztendlich wesentliche Entscheidung erst bei Abschluß der Kontrolle getroffen hat (vgl. OLG Celle, MDR 1989, S. 287).
Bei dieser Sachlage ist der 16.01.1997 und nicht bereits der 08.01.1997 als Zeitpunkt des Erlasses des Bußgeldbescheides anzusehen, woraus folgt, daß der Bußgeldbescheid nach Ablauf der Verjährungsfrist (am 11.01.1997) keine verjährungsunterbrechende Wirkung mehr entfalten konnte.
Soweit die Bußgeldbehörde in ihrer Stellungnahme vom 21.01.1998 ausgeführt hat, mit Ziffer 2 der Verfügung vom 16.01.1997 habe lediglich die Erlaßprüfung dokumentiert werden sollen, kann der Senat dieser Interpretation vor dem Hintergrund des oben dargestellten Verfahrensablaufs nicht folgen. Letztlich spricht auch der Anordnungscharakter der beiden anderen Verfügungspunkte ("3. Versendung an den Betroffenen, 4. z.d.A.") gegen die Annahme, allein der Punkt 2 der Verfügung beschränke sich als Vermerk auf die Dokumentation einer früheren, bereits ausgeführten Verfügung.
Der hier dargelegten Auffassung steht nicht entgegen, daß bei einem Bußgeldbescheid, der im Wege der Datenverarbeitung nach einem vorgegebenen Fristenplan automatisch erstellt wird, grundsätzlich das auf dem Ausdruck befindliche Datum - dies wäre hier der 15.01.1997 - für die Verjährungsunterbrechung entscheidend ist (vgl. OLG Frankfurt a.M., VRS 60, S. 213; OLG Zweibrücken, NStZ 1987, S. 30). Auf solche Weise ist der Bußgeldbescheid hier nämlich nicht zustandegekommen. Er beruht zwar auf einem gespeicherten Datensatz, ist aber nicht automatisch nach Ablauf einer bestimmten Frist, sondern erst nach gesonderter Prüfung durch einen Sachbearbeiter der Bußgeldstelle am 16.01.1997 erlassen worden (aus diesem Grund könnte der Verfügung vom 08.01.1997 auch nicht die Wirkung eines "Eingriffs in den vorprogrammierten Lauf eines EDV-Verfahrens" beigemessen werden).
Nach alledem war die dem Betroffenen angetastete Verkehrsordnungswidrigkeit vor Erlaß des Bußgeldbescheides bereits verjährt. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und das Verfahren wegen des Vorliegens eines Prozeßhindernisses einzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 467 Abs. 1 StPO, 46 Abs. 1 OWiG.


zur Startseite "Rechtsprechung"

zum Suchformular

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".