Aktenzeichen: 4 BL 88/99 OLG Hamm
Senat: 4
Gegenstand: BL6
Stichworte: Umfang, 500 Betrugstaten, umfangreiche Ermittlungen
Normen: StPO 121
Beschluss: Strafsache gegen 1. V.R.,
2. A.W.,
wegen Betruges u.a.
(hier: Haftprüfung durch das Oberlandesgericht).
Auf die Vorlage der Akten zur Entscheidung nach §§ 121, 122 StPO hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 22.07.1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft, der Angeschuldigten und ihrer Verteidiger beschlossen:
Die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus wird hinsichtlich beider Angeschuldigter angeordnet.
Die Haftprüfung für die nächsten drei Monate wird dein nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständigen Gericht übertragen.
Gründe: Den Angeschuldigten, die sich seit dein 03.12.1998 ununterbrochen in Untersuchungshaft befinden, wird mit dem Haftbefehl des Amtsgerichts Münster vom selben Tage (Az:23 Gs 3231/98) zur Last gelegt, im Zeitraum von Anfang Frühjahr 1998 bis zum 30.11.1998 in Münster und anderen Orten gemeinschaftlich handelnd in über 500 Fällen Geschäftsleute um hochwertige Waren betrügerisch geschädigt zu haben, um die so erlangten Gegenstände zum halben Kaufpreis weiterzuvertreiben. Zur Begehung der Betrugstaten sollen sie die fälschlicherweise als gestohlen gemeldete EC-Karte des Angeschuldigten W., eine EC-Karte und EC-Schecks für ein Konto Groholskis, das der Angeschuldigte R. unter Vorlage eines verfälschten lettischen Passes eröffnet habe, sowie EC-Karten für Konten, die die Angeschuldigten mit verfälschten Pässen unter den Namen B. und L. eingerichtet hätten, eingesetzt haben. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Haftanordnung (Bd.2 Bl.222 ff. d.A.) verwiesen.
Die Vorwürfe des Haftbefehls sind u.a. Gegenstand der Anklage der Staatsanwaltschaft Münster/Westf. vom 20.05.1999 (Bd.35 Bl.4969 ff. d.A.), die - nach Beschränkung gemäß § 154 StPO - bei dem Mitangeschuldigten R.von insgesamt 284 und bei dem Mitangeschuldigten W. von insgesamt 157 selbständigen Taten ausgeht. Sie ist den Angeschuldigten und ihren Verteidigern zugestellt worden. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird wegen des dringenden Tatverdachts auf die Anklageschrift Bezug genommen, in der das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen - auch soweit es die im Haftbefehl konkretisierten Tatkomplexe betrifft - zutreffend zusammengefaßt ist. Die Angeschuldigten sind umfassend geständig.
Bei beiden besteht konkrete Gefahr, daß sie sich durch Flucht dem Verfahren entziehen, würden sie freigelassen (vgl. § 112 Abs.2 Nr.2 StPO). Sie haben im Verurteilungsfalle mit der Verhängung empfindlicher Freiheitsstrafen zu rechnen, was für jeden einzelnen von ihnen einen erheblichen Fluchtanreiz bietet. Ihre persönlichen Verhältnisse sind nicht so gefestigt, daß die Gefahr einer Flucht entscheidend gemindert würde. Sie sind zwar deutsche Staatsangehörige, verfügen im übrigen jedoch - wie die Ermittlungen im vorliegender Sache ergeben haben - über gute Beziehungen in osteuropäische Länder. Es ist ihnen deshalb beispielsweise möglich gewesen, sich wiederholt falsche Pässe zu beschaffen. Weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des § 116 StPO reichen daher nicht aus, um den Zweck der Untersuchungshaft zu erreichen.
Daß die weitere Untersuchungshaft im Sinne der Vorschrift des § 120 Abs.1 StPO nicht unverhältnismäßig ist, bedarf im Hinblick auf das Gewicht der Tatvorwürfe wie auch die zu erwartenden empfindlichen Freiheitsstrafen keiner näheren Ausführungen.
Schließlich können auch die besonderen Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 121 Abs.1 StPO bejaht werden. Die Ermittlungen der Kriminalpolizei sind unter Berücksichtigung der Fülle des Prozeßstoffs, wie sie sich aus der Vielzahl der Fälle und dem Umfang des Aktenmaterials anschaulich ergibt, mit der bei Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt und mit dem 94-seitigen Bericht vom 26.03.1999 vorgelegt worden. Mit Verfügung vom 20.05.1999 hat die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen abgeschlossen. Die 138 Seiten umfassende Anklageschrift ist am 25.05.1999 beim Landgericht Münster/Westf. eingegangen. Der Vorsitzende der zuständigen Strafkammer hat sogleich das Zwischenverfahren gemäß § 201 StPO eingeleitet und die Vorlage der Akten beim Senat nach entsprechender Beschlußfassung der Kammer veranlaßt. Danach haben verfahrensbedingte Umstände ein Urteil bisher nicht zugelassen. Sie sind allerdings wichtige Gründe im Sinne des § 121 Abs.1 StPO, die die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus rechtfertigen. Die Schriftsätze der Verteidiger vom 11. und 15.06.1999 sowie vom 19. und 20.07.1999 geben zu einer anderen Beurteilung keinen Anlaß.
Mit der Übertragung der zwischenzeitlichen Haftprüfung hat der Senat von dem ihm in § 122 Abs.3 S.3 StPO eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht.
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