Aktenzeichen: 4 BL 99/99 OLG Hamm
Senat: 4
Gegenstand: BL6
Stichworte: abgetrennter Teil aus Großverfahren, Umfang, Auswertung TÜ, Übersetzung von TÜ-Protokollen, Abtrennung
Normen: StPO 121
Beschluss: Strafsache gegen 1. ...
2. S.N.,
wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz
(hier: Haftprüfung durch das Oberlandesgericht).
Auf die Vorlage der (Doppel-)Akten zur Entscheidung nach §§ 121, 122 StPO hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 20.07.1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft, des Angeschuldigten und seiner Verteidiger beschlossen:
Die Fortdauer der Untersuchungshaft aber sechs Monate hinaus wird angeordnet.
Die Haftprüfung für die nächsten drei Monate wird dem nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständigen Gericht übertragen.
Gründe: Dem Angeschuldigten, der sich seit dem 22.12.1998 in Untersuchungshaft befindet, wird mit dem Haftbefehl des Amtsgerichts Münster (Westf.) vom selben Tage (Az: 23 Gs 3471/98) zur Last gelegt, seit 1993 in Rheine und anderen Orten als Mitglied einer Bande gewerbsmäßig Ausländer in die Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 92 a AusIG eingeschleust zu haben. Er soll gemeinsam mit dem Mitbeschuldigten Sriskanthan an der Schleusung von Tamilen aus Sri Lanka in Staaten wie Deutschland, Großbritannien und Dänemark beteiligt gewesen sein, wobei sie die Schleusung über die Ukraine, Polen und Tschechien mit weiteren, im Ausland ansässigen Tatbeteiligten abgestimmt haben und für die Verteilung von geschleusten Personen verantwortlich gewesen sein sollen. Entsprechend seinen Angaben soll Nimalavachchlan im Zeitraum von 1993 bis 1998 bei mindestens 34 konkret beschriebenen - teilweise versuchten - Schleusungen innerhalb der Organisation gegen Entgelt tätig geworden sein. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Haftanordnung (Bl. 130 ff. Bd. I DA) verwiesen.
Diese Vorwürfe sind - beschränkt auf den Zeitraum von 2. bis 9. 1997 und von 1. bis 12. 1998 - auch Gegenstand der Anklage der Staatsanwaltschaft Münster vom 21. 4 1999, die das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen zutreffend zusammenfaßt. Sie ist dem Angeschuldigten und seinen Verteidigern zugestellt worden. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird wegen des dringenden Tatverdachts auf den Inhalt der Anklageschrift und die allen Verfahrensbeteiligten bekannten Ausführungen der VII. Strafkammer des Landgerichts Münster (Westf.) in der Haftfortdauerentscheidurig vom 18.06.1999 Bezug genommen.
Es besteht jedenfalls der Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs.2 Nr.2 StPO. Es ist zu erwarten, daß sich der Angeschuldigte dem Verfahren durch Flucht oder Untertauchen entzieht, würde er freigelassen. Er ist in der Bundesrepublik Deutschland als Asylberechtigter anerkannt und besitzt eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Vor seiner Inhaftierung hat er gemeinsam mit seiner tamilischen Ehefrau und den beiden kleinen Kindern in Rheine gewohnt. Hilfe vom Sozialamt hat er nicht erhalten, weil er nicht bereit gewesen ist, Deutschkurse zu besuchen oder an arbeitsfördernden Maßnahmen teilzunehmen. Angesichts der Höhe der zu erwartenden Freiheitsstrafe und des davon ausgehenden Fluchtanreizes ist nicht damit zu rechnen, daß er sich wegen seiner familiären Bindungen im Fall seiner Freilassung der Durchführung des Strafverfahrens stellen würde. Dabei können neben den desolaten wirtschaftlichen Verhältnissen auch seine weltweiten Verbindungen, wie sie aufgrund der in vorliegender Sache durchgeführten Ermittlungen belegt sind, nicht unberücksichtigt bleiben. Der Zweck der Untersuchungshaft läßt sich deshalb nicht mit weniger einschneidenden Maßnahmen im Sinne des § 116 Abs.1 StPO erreichen.
Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht überdies nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Tatvorwürfe und der im Verurteilungsfalle zu erwartenden Freiheitsstrafe.
Wichtige Gründe im Sinne des § 121 Abs.1 StPO haben ein Urteil bislang nicht zugelassen; sie rechtfertigen aber, die Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus aufrechtzuerhalten. Das umfangreiche Ermittlungsverfahren, das aus einem Großverfahren des Bundesgrenzschutzamtes in Stuttgart gegen einen tamilischen Schleuserring hervorgegangen ist, ist mit Vernehmung einer Vielzahl von Zeugen sowie der Auswertung von Telefonüberwachungsprotokollen zügig geführt und mit dem Abschlußbericht des Kriminalkommissariats in Greven vom 16. 4 1999 abgeschlossen worden. Unmittelbar nach Eingang dieses Berichts hat die Staatsanwaltschaft am 21. 4 1999 Anklage zum Landgericht Münster (Westf.) erhoben. Mit Verfügung vom 03.05.1999 hat der Vorsitzende der VII. Strafkammer das gerichtliche Zwischenverfahren gemäß § 201 StPO eingeleitet. In dessen Verlauf hat ein Verteidiger des Angeschuldigten beantragt, von den abgehörten Telefongesprächen Leseabschriften in tamilischer Sprache herstellen zu lassen. Ausweislich der Haftfortdauerentscheidung vom 18.06.1999 hat die mit der Sache befaßte Strafkammer daraufhin angeordnet, daß die Gespräche komplett neu übersetzt werden. Für den Fall der Eröffnung des Hauptverfahrens will sie mit der Hauptverhandlung im 9. 1999 beginnen. Danach haben unerläßliche Maßnahmen zur Aufklärung des Schuldvorwurfs und zur Einhaltung strafprozessualer Vorschriften den Abschluß des Verfahrens durch Urteil bisher nicht zugelassen.
Mit der Übertragung der zwischenzeitlichen Haftprüfung hat der Senat von dem ihm in § 122 Abs. 3 Satz 3 StPO eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht.
zur Startseite "Rechtsprechung"
zum SuchformularDie Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.
Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".