Aktenzeichen: 4 Ws 290/99 OLG Hamm
Senat: 4
Gegenstand: Beschwerde
Stichworte: Beiordnung eines Pflichtverteidigers, notwendige Verteidigung, drohender Bewährungswiderruf, Pflichtverteidiger, Schwere der Tat
Normen: StPO 140 Abs. 2
Beschluss: Strafsache gegen M.C.,
wegen Diebstahls,
hier: Beiordnung eines Pflichtverteidigers.
Auf die Beschwerde des Angeklagten vom 23.07.1999 gegen den Beschluß der V. kleinen Strafkammer des Landgerichts Münster vom 19.07.1999 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 24.08.1999 durch die Richterin am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.
Dem Angeklagten wird Rechtsanwalt K. aus Münster als Pflichtverteidiger beigeordnet.
Gründe: Der Angeklagte wendet sich mit seiner Beschwerde gegen den Beschluß des Vorsitzenden der V. kleinen Strafkammer des Landgerichts Münster, mit dem die Beiordnung seines bisherigen Wahlverteidigers als Pflichtverteidiger für das Berufungsverfahren zurückgewiesen worden ist. Im Hinblick auf die beantragte Pflichtverteidigerbestellung war das Wahlmandat niedergelegt worden.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat wie folgt Stellung genommen:
"Die Beschwerde ist auch begründet. Die Mitwirkung eines Verteidigers in der Berufungshauptverhandlung ist vorliegend gemäß § 140 Abs. 2 StPO notwendig.
Nach dieser Vorschrift bestellt der Vorsitzende auf Antrag oder von Amts wegen einen Pflichtverteidiger, wenn wegen der Schwere der Tat die Mitwirkung eines Verteidigers geboten ist. Die Schwere der Tat beurteilt sich danach vor allem nach der zu erwartenden Rechtsfolgeentscheidung. Vorliegend hat das Landgericht Münster zu Recht ausgeführt, dass der Angeklagte erstinstanzlich zu lediglich sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden ist und wegen des Verbots der reformatio in peus eine höhere Verurteilung nicht zu erwarten steht, da die Staatsanwaltschaft keine Berufung eingelegt hat. Im Rahmen des § 140 StPO sind jedoch auch sonstige schwerwiegende Nachteile, die der Angeklagte infolge der Verurteilung zu gegenwärtigen hat, zu beachten (zu vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 140 Rdn. 23 ff). Hierzu gehört auch der drohende Bewährungswiderruf (zu vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., Rdn. 25). Vorliegend steht der Angeklagte noch unter zweifacher Bewährung. Der Unterzeichner hat am 13.08.1999 fernmündlich Kontakt mit den zuständigen Rechtspflegern der Staatsanwaltschaft Münster aufgenommen und telefonisch erfragt, welche Strafreste noch zu verbüßen sind, weil dies aus den beigefügten Bewährungsheften nicht hervorgeht. Rechtspflegerin S. hat für das Verfahren 17 VRs 2217/95 mitgeteilt, dass bezüglich der A-Strafe noch 102 Tage und bezüglich der B-Strafe noch 51 Tage bei Widerruf zu verbüßen wären.
Rechtspflegerin Weking hat für das Verfahren 50 Js 609/97 mitgeteilt, dass dort noch 481 Tage Reststrafe von den ursprünglich ausgeurteilten einem Jahr und sechs Monaten übrig sind. Da der Widerruf dieser ausgesetzten Freiheitsstrafen wegen einer in der Bewährungszeit begangenen Straftat wesentlich davon abhängt, ob der Angeklagte in dem neuen Verfahren zu einer Bewährungsstrafe oder zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt wird, insoweit also eine wichtige Vorentscheidung für den Widerruf getroffen wird, ist durch diesen drohenden Widerruf die Schwere der Tat im Sinne des § 140 StPO begründet. Mit den in I. Instanz ausgeurteilten sechs Monaten Freiheitsstrafe stehen über zwei Jahre Freiheitsstrafe letztlich in Rede. Überwiegend geht die Rechtsprechung davon aus, dass bei einer drohenden Freiheitsstrafe von ca. einem Jahr die Mitwirkung eines Verteidigers für geboten erachtet wird. Diese Grenze wird vorliegend deutlich überschritten, so dass die Beschwerde Erfolg haben muss (zu vgl. zum Ganzen auch BayObLG in NJW 1995 S. 2738; OLG Frankfurt in StV 1995 S. 628 ff)."
Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an, so daß die angefochtene Entscheidung aufzuheben und Rechtsanwalt K. dem Angeklagten antragsgemäß als Pflichtverteidiger beizuordnen war.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt, weil es sich vorliegend nicht um eine verfahrensabschließende Entscheidung handelt.
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