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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 4 BL 140/99 OLG Hamm

Senat: 4

Gegenstand: BL6

Stichworte: Verstoß gegen das Ausländergesetz, Schleuserbande, Großverfahren, TÜ, Befangenheitsantrag im Zwischenverfahren, lange Stellungnahmefrist zur Anklage erbeten, umfangreiche Ermittlungen

Normen: AuslG 92 a, StPO 121

Beschluss: Strafsache gegen 1. C.S.,
2. ...
wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz,
hier: Haftprüfung durch das Oberlandesgericht.

Auf die Vorlage der (Doppel-)Akten zur Entscheidung nach §§ 121, 122 StPO hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 26.08.1999 durch die Richterin am Oberlandesgericht , den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft, des Verteidigers und des Angeklagten beschlossen:

Die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus wird angeordnet.
Die Haftprüfung für die nächsten drei Monate wird dem nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständigen Gericht übertragen.

Gründe: Der Angeklagte ist in der vorliegenden Sache am 21.12.1998 polizeilich festgenommen und aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Münster vom 22.12.1998 - 23 Gs 3471/98 an diesem Tage zur Untersuchungshaft gebracht worden, die seitdem - mit Unterbrechung durch die Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe von 44 Tagen im Verfahren StA Stuttgart 1244 VRs 165 Js 8158/98 in der Zeit vom 19.02.1999 bis 3. 4 1999 - ununterbrochen vollzogen wird. Die Untersuchungshaft dauert damit seit nunmehr über sechs Monaten an.
Dem zwischenzeitlichen Ermittlungsstand entsprechend ist der Haftbefehl vom 22.12.1998 durch den Haftbefehl des Landgerichts Münster vom 09.02.1999 - 7 Qs 9 /99 - ersetzt worden. Dieser neue, auf den Haftgrund der Fluchtgefahr gestützte Haftbefehl ist dem Angeklagten am 10.03.1999 verkündet worden und ist damit die Grundlage des vorliegenden Haftprüfungsverfahrens.
Dem Angeklagten wird nunmehr zur Last gelegt, seit 1. 1998 als Mitglied einer Bande gewerbsmäßig Ausländer in die Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 92 a AuslG eingeschleust zu haben. Er soll gemeinsam mit dem Mitangeklagten Nimalavachchlan sowie weiteren Mittätern, u.a. den anderweitig verfolgten Sangarapillai und Suras, an der Schleusung von Tamilen aus Sri Lanka nach Deutschland beteiligt gewesen sein. Die Einschleusung über Staaten Osteuropas (insbesondere über die Ukraine und Tschechien) sei mit weiteren im Ausland ansässigen Tatbeteiligten - so den tschechischen Schleusern, den Zeugen B. und P. - abgestimmt gewesen. Ihm sei die Aufgabe zugekommen einen Kleintransporter anzumieten wenn 20 Schleusungswillige, bei denen die Finanzierung der weiteren Schleusung gesichert war, auf tschechischem Gebiet nahe der Grenze auf ihre Einschleusung warteten. Das Fahrzeug sei auf Veranlassung des Angeklagten zu der in Grenznähe liegenden Autobahnraststätte Eichelborn verbracht worden. Dort sei der Transporter von anderen Personen, die den unmittelbaren Grenzübertritt organisierten, übernommen und nach Aufnahme der Geschleusten an der Grenze auf demselben Parkplatz ihm wieder überlassen worden. Auf Veranlassung des Angeklagten seien die Geschleusten von dort teils in unbekannt gebliebene Orte teils auch zu ihm nach Rheine verbracht worden, von wo aus dann die Weiterreise zu den endgültigen Zielorten innerhalb und außerhalb der Bundesrepublik organisiert worden sei. Ihm wird vorgeworfen, an der Organisation und Durchführung von zwei Schleusungen, nämlich an einem nicht genau feststellbaren Tag zwischen 1. und 3. 1998 sowie in der Nacht vom 26. auf den 27.05.1998, mitgewirkt zu haben. Zumindest bei der ersten der vorgenannten Schleusungen sei er auch selbst am Parkplatz Eichelborn mit seinem roten Mercedes 190 gewesen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Darstellung im Haftbefehl vom 09.02.1999 (Bl. 282 ff Bd. II DA) Bezug genommen.
Diese Vorwürfe sind auch identisch mit dem Gegenstand der Anklage der Staatsanwaltschaft Münster vom 21. 4 1999, die das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen zutreffend zusammenfasst. Diese ist dem Angeschuldigten und seinem Verteidiger zugestellt worden. Sie ist zwischenzeitlich durch Beschluß des Landgerichts Münster - 7 KLs 42 Js 1/99 (10/99) - vom 03.08.1999 zur Hauptverhandlung zugelassen worden. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird wegen des dringenden Tatverdachts Bezug genommen auf die den Verfahrensbeteiligten bekannten Ausführungen der VII. Strafkammer im Haftbefehl sowie in der Nichtabhilfeentscheidung vom 04.03.1999 (Bl. 375 ff. Bd. II DA ) und auf das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen in der Anklageschrift vom 21. 4 1999. Der dringende Tatverdacht folgt insbesondere aus den Bekundungen der Zeugen J. und B., denen besondere Bedeutung deshalb zukommt, weil in ihnen besondere persönliche Merkmale enthalten sind, die auf den Angeklagten hinweisen; nämlich: hinkender Gang, roter Mercedes, Betreiber einer Pizzeria. Hinzu treten weitere Beweisanzeichen - wie die erfolgten Geldüberweisungen, das Ergebnis der Telefonüberwachung vom 26.05.1998 und die aufgefundene Wegeskizze -, die die Bekundungen der Belastungszeugen zusätzlich untermauern. Die Ausführungen des Verteidigers im Rahmen des früheren Haftprüfungsverfahrens wie auch die in seinem Schriftsatz vom 18.08.1999 können den dringenden Tatverdacht nicht ausräumen.
Bei dem Angeklagten besteht auch weiterhin jedenfalls der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO), denn es besteht die konkrete Gefahr, dass er sich dem Verfahren durch Flucht entzieht, würde er freigelassen. Er hat wegen der ihm zur Last gelegten Tatbeiträge mit einer hohen Freiheitsstrafe zu rechnen, was für ihn einen beträchtlichen Fluchtanreiz begründet. Dem stehen keine tragfähigen sozialen Bindungen gegenüber. Der ledige Angeklagte hat nach eigenen Angaben keine Verwandten an seinem Wohnort; andere familiäre Bindungen in Deutschland sind ebenfalls nicht ersichtlich. Aus der Tatsache, daß er in Rheine eine Pizzeria betrieben hat, läßt sich eine tragfähige Bindung schon deshalb nicht ableiten, weil ausweislich der Angaben des Vermieters des Objektes P. (Bl. 164 Bd. I DA) bereits im 1. 1999 ein Mietrückstand von über 25.000,- DM aufgelaufen war und schon von daher diese dem Angeklagten zum Zeitpunkt seiner Festnahme keine Zukunftsperspektive bot. Schon im 2. 1999 wurde der Betrieb eingestellt und seitens des Vermieters ein Nachmieter gesucht (Bl. 439 Bd. II DA). Angesichts der darüberhinaus ausweislich der durchgeführten Ermittlungen bestehenden Kontakte des Angeklagten ins Ausland steht zu erwarten, dass er sich der Durchführung des Strafverfahrens im Falle seiner Freilassung nicht stellen wird.
Auf diesem Hintergrund sind weniger einschneidende Maßnahme als die Anordnung und auch der Vollzug der Untersuchungshaft (§ 116 StPO) nicht ausreichend, um die Fluchtgefahr wirksam einzudämmen.
Die weitere Vollstreckung der Untersuchungshaft steht nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der im Verurteilungsfalle zu erwartenden Bestrafung.
Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus sind gleichfalls gegeben. Das Ermittlungsverfahren ist bisher mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung betrieben worden. Der Umfang und die Schwierigkeit der Ermittlungen in dieser Sache, die aus einem Großverfahren des Bundesgrenzschutzamtes in Stuttgart gegen einen tamilischeri Schleuserring hervorgegangen ist, ist mit der Vernehmung einer Vielzahl von Zeugen sowie der Auswertung der Telefonüberwachungsprotokolle zügig geführt und Mit Abschlußbericht des Kriminalkommissariats in Greven vom 16. 4 1999 abgeschlossen worden. Unmittelbar nach Eingang dieses Berichts hat die Staatsanwaltschaft am 21. 4 1999 Anklage zum Landgericht Münster erhoben. Dort ist mit Verfügung des Vorsitzenden vom 03.05.1999 das gerichtliche Zwischenverfahren eingeleitet worden. Gegen dessen Behandlung ist nichts zu erinnern. In diesem hat der Verteidiger des Angeklagten mit Schriftsatz vom 12.05.1999 nicht nur Aktenüberlassung für drei Wochen erbeten sondern sich eine Stellungnahmefrist von 10 Wochen ausbedungen. Zudem hat er die Kammer wegen Befangenheit abgelehnt, so dass deren Mitglieder in der Sache vor dem 14.06.1999, an dem dieser Antrag zurückgewiesen wurde, von Gesetzes wegen nicht tätig werden durften. Darüberhinaus hat der Verteidiger des Mitangeklagten beantragt, von den abgehörten Telefongesprächen Leseabschriften in tamilischer Sprache herzustellen, worauf die Kammer angeordnet hat, dass die Gespräche komplett neu übersetzt werden. Nach Ablauf der vom Verteidiger des Angeklagten ausbedungenen Frist hat das Landgericht mit Beschluss vom 03.08.1999 das Hauptverfahren eröffnet und Termin auf den 20.10.1999 mit neun Fortsetzungsterminen anberaumt. Auch insoweit ist das Verfahren angesichts seiner Besonderheiten in Art und Umfang noch hinreichend zügig betrieben worden. Danach haben unerläßliche Maßnahmen zur Aufklärung des Schuldvorwurfes und zur Einhaltung strafprozessualer Vorschriften den Abschluß des Verfahrens durch Urteil bisher nicht zugelassen. Wenn unter diesen Umständen das Verfahren noch nicht abgeschlossen werden konnte, so beruht das auf wichtigen Gründen i.S.v. § 121 Abs. 1 StPO, die ein Urteil noch nicht zugelassen haben, es andererseits aber rechtfertigen, die auch vom Landgericht für erforderlich erachtete Untersuchungshaft des Angeklagten über sechs Monate hinaus aufrechtzuerhalten.
Die Nebenentscheidung folgt aus § 122 Abs. 3 Satz 3 StPO.


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