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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 5 Ss 582/99 OLG Hamm

Senat: 5

Gegenstand: Revision

Stichworte: Aufhebung, Strafzumessung, Strafbestimmung unklar, Milderung wegen Versuchs, Versuch, konkrete Strafzumessungserwägungen, formelhafte Ausführungen, Untersuchungshaft, eigene Prüfung, Anrechnung

Normen: StGB 23 Abs. 2, StGB 51, StGB 49

Beschluss: Strafsache gegen W.W.,
wegen Diebstahls.

Auf die Revision der Angeklagten gegen das Urteil der X. kleinen Strafkammer des Landgerichts Dortmund vom 8. 4 1999 hat der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 02.09.1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Amtsgericht gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen.

Gründe: I. Das Amtsgericht - Schöffengericht - Dortmund hat die Angeklagte wegen versuchten gemeinschaftlichen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr sechs Monaten verurteilt. Die Strafkammer hat durch das angefochtene Urteil die wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung der Angeklagten mit der Maßgabe verworfen, dass diese zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr zwei Monaten verurteilt ist. Die dagegen gerichtete Revision der Angeklagten rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Die somit bindenden Feststellungen des Schöffengerichts Dortmund lauten:
"Am 10.12.1998 begab sich die Angeklagte mit den anderweitig verfolgten J. und S. L. sowie der D. in Dortmund in das Wohnhaus Lange Straße 56, in dem die im Jahr 1908 geborene Zeugin E. lebt.
Unter dem Vorwand, der alten Frau behilflich sein zu wollen, trug die anderweitig verfolgte L. die Einkaufstasche der Zeugin nach oben und ging mit ihr in deren Wohnung, wobei sie jedoch die Wohnungstür - für die Zeugin unbemerkt - offen ließ. Unmittelbar danach begaben sich die Angeklagte und die anderweitig verfolgte D. in die Wohnung. In der Wohnung wurde die Geschädigte von der S.L. abgelenkt, indem ihr ein großes Tuch vorgehalten wurde, so daß die Sicht auf andere Teile der Wohnung versperrt war. Durch die anderen Beteiligten wurde alsdann die Wohnung durchsucht, wobei auch mehrere Schränke u.a. gewaltsam aufgebrochen wurden.
Aufgrund der Aufmerksamkeit einer Nachbarin konnten Polizeibeamte rechtzeitig herbeigerufen werden, die die drei Frauen in der Wohnung antrafen."
II. Die Revision der Angeklagten hat mit der Sachrüge einen - zumindest vorläufigen - Erfolg. Eines Eingehens auf die Verfahrensrüge bedarf es daher nicht.
Entgegen der Auffassung der Revision genügen die Gründe des angefochtenen Urteils, was die Wiedergabe der den Schuldspruch tragenden Feststellungen angeht, den gesetzlichen Anforderungen. Die Bezugnahme der Strafkammer auf die von dem Schöffengericht getroffenen Tatfeststellungen ist eindeutig und unmissverständlich.
Jedoch begegnen die Ausführungen der Strafkammer zur Strafzumessung durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Hierzu heißt es in dem angefochtenen Urteil:
"Bei der Strafzumessung hatte das Berufungsgericht nach Abwägung aller für und gegen die Angeklagte sprechenden Umstände gegen die Verhängung einer Freiheitsstrafe gegen die Angeklagte nichts zu erinnern. Auch das Berufungsgericht hat auf Freiheitsstrafe erkannt. Allerdings ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten ausreichend ist, um das Unrecht der Tat zu sühnen und die Angeklagte davon abzuhalten, in Zukunft erneut straffällig zu werden. In diesem Zusammenhang ist berücksichtigt worden, daß die Geschädigte durch die Tat nicht wesentlich beeinträchtigt worden ist und daß bei der Angeklagten keine Depressionen mit Krankheitswert vorliegen. Die Angeklagte hat zu ihrer Behandlung in dem Justizvollzugskrankenhaus Fröndenberg selbst angegeben, daß sie wegen Bluthochdruck dort zur Behandlung gewesen sei und in diesem Zusammenhang mit einem Psychologen sich über ihre Schlaflosigkeit und über ihre Ängste unterhalten habe. Daß insoweit Anzeichen von einer Depression mit Krankheitswert bei der Angeklagten gegeben sind, sind von der Angeklagten selbst nicht vorgetragen worden."
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Ihnen ist schon nicht zu entnehmen, welcher Norm die Strafkammer den anzuwendenden Strafrahmen entnommen hat. Da das angefochtene Urteil eine Bezugnahme auf die von dem Schöffengericht angewendeten Strafbestimmungen nicht enthält, bleibt offen, ob die Strafe nach § 242 StGB oder § 243 StGB bemessen worden ist.
Ebensowenig lassen die Urteilsgründe erkennen, ob die Strafkammer von der ihr gemäß § 23 Abs. 2 StGB eingeräumten Möglichkeit, den Versuch milder zu bestrafen als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1 StGB), Gebrauch gemacht hat. Eine Entscheidung über den anzuwendenden Strafrahmen war erforderlich, weil erst innerhalb des gewählten Strafrahmens die konkrete Strafe festgesetzt werden kann. Ob bei der Strafrahmenwahl auf den milderen Sonderstrafrahmen überzugehen ist, hat der Tatrichter zwar nach seinem pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden. Die Urteilsgründe müssen aber erkennen lassen, dass er diese Möglichkeit erwogen hat (vgl. Schönke/Schröder, StGB, 25. Aufl., § 23 Rdnr. 7). Daran fehlt es hier mit der Folge, dass der Senat nicht in der Lage ist zu beurteilen, ob die Bemessung der Freiheitsstrafe von einem Jahr zwei Monaten im Hinblick darauf, dass es sich ("nur") um den Versuch einer Straftat gehandelt hat, rechtsfehlerfrei erfolgt ist.
Abgesehen davon enthalten die Urteilsgründe bis auf die Berücksichtigung des Umstands, dass die Geschädigte durch die Tat nicht wesentlich beeinträchtigt worden ist und dass die Angeklagte nicht unter Depressionen von Krankheitswert leidet, keine auf die Person der Angeklagten und die von ihr begangene Tat konkret abstellende Strafzumessungserwägungen, sondern lediglich nicht aussagekräftige allgemeine formelhafte Ausführungen. So fehlt jede Auseinandersetzung damit, dass die Angeklagte sich in vorliegender Sache seit dem 11.12.1998 in Untersuchungshaft befindet, was ungeachtet von deren Anrechnung nach § 51 StGB gerade bei erstmals Inhaftierten (wie der Angeklagten) als Strafmilderungsgrund jedenfalls in Betracht kommt (vgl. Tröndle/Fischer, 49. Aufl., StGB, § 46 Rdnr. 35 g) und deswegen in die Erwägungen hinsichtlich der zu verhängenden Strafe einzubeziehen ist. Ferner ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen, dass die Strafkammer bei der Strafzumessung die Beschränkung der Berufung, die einem Geständnis der Angeklagten gleichkommt, zu deren Gunsten berücksichtigt hat. Auch dies stellt einen sachlich-rechtlichen Fehler dar, weil die Strafkammer andererseits nicht festgestellt hat, dass ein Eingestehen der Tat bedeutungslos war, weil es etwa nur aus prozesstaktischen Gründen abgelegt worden ist oder weil Leugnen ganz zwecklos gewesen wäre (vgl. Tröndle/Fischer, a.a.O., § 46 Rdnr. 29 u. 29 d).
Soweit die Strafkammer ausführt, bei der Strafzumessung habe das Berufungsgericht gegen die Verhängung einer Freiheitsstrafe gegen die Angeklagte "nichts zu erinnern' gehabt, ist im übrigen zu besorgen, dass die Strafkammer inzidenter auf die nicht mitgeteilten - Strafzumessungserwägungen des Schöffengerichts Bezug genommen hat. Insoweit wird verkannt, dass die Berufung im Umfang der Anfechtung (§ 318 StPO) zu einer völligen Neuverhandlung der Sache führt. Es findet eine neue Hauptverhandlung statt, in der nicht das angefochtene Urteil geprüft, sondern auf der Grundlage des Eröffnungsbeschlusses über alle Tat- und Rechtsfragen nach dem Ergebnis der Berufungsverhandlung neu entschieden wird. Es ist deswegen Sache des Berufungsgerichts, eine von dem erstinstanzlichen Urteil unabhängige neue und eigenständige Strafzumessung vorzunehmen.
Wegen der aufgezeigten Rechtsfehler in der Begründung der Strafzumessung war das angefochtene Urteil, das nur den Rechtsfolgenausspruch betrifft, aufzuheben und die Sache gemäß § 354 Abs. 2 StPO insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückzuverweisen.
III. Der Senat hat keinen Anlass gesehen, mit der Aufhebung des angefochtenen Urteils auch den Haftbefehl aufzuheben (§ 126 Abs. 3 StPO), weil der Vollzug der Untersuchungshaft mit Blick auf die zu erwartende Strafe derzeit noch nicht unverhältnismäßig erscheint. Der Senat weist jedoch darauf hin, dass der Haftbefehl unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nur noch für einen relativ kurzen Zeitraum wird aufrechterhalten werden können.


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