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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 4 Ws 305 und 306/99 OLG Hamm

Senat: 4

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Ablehnung der Strafaussetzung, Aufhebung, mündliche Anhörung, Weisungsverstoß

Normen: StPO 453 Abs. 1 Satz 3; StPO 454 Abs. 4

Beschluss: Strafsache gegen W.M.,
wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz u.a.
hier : sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Widerruf der (Rest-)Strafaussetzung zur Bewährung in zwei Fällen.

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 04.08.1999 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Paderborn vom 19.07.1999 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 31.08.1999 durch die Richterin am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Paderborn zurückgegeben.

Gründe: I. Der Verurteilte ist durch die Urteile des Amtsgerichts Marburg vom 13.02.1991 - 7 Js 9533.1/90 - wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln unter anderem zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten und des Amtsgerichts Ahaus vom 27. 8..1991 - 3 Ls 31 Js 1327/91 (99/91) - wegen gemeinschaftlicher unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in einem minder schweren Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben zu einer weiteren Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden. Die Vollstreckung der Strafen wurde zunächst zur Bewährung ausgesetzt. Die Strafaussetzungen mußten widerrufen werden, weil sich der Verurteilte der Aufsicht seines damaligen Bewährungshelfers entzogen hatte. Nach Verbüßung von jeweils zwei Dritteln der verhängten Strafen setzte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Paderborn mit den Beschlüssen vom 11. 4 1995 die Strafreste aus beiden Verurteilungen zur Bewährung aus. Neben der Erteilung weiterer Weisungen unterstellte das Gericht den Verurteilten der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers. Mit Beschluss vom 01.06.1995 wurden zunächst Frau E.-S. aus Marburg und nach Übersiedlung nach Frankfurt durch Beschluss vom 02.03.1999 Frau B. zur Bewährungshelferin bestellt. Nachdem die ursprünglich auf drei Jahre bemessene Bewährungszeit bereits durch Beschluss vom 10.02.1999 im Hinblick auf zwei erneute Verurteilungen auf 4 1-2 Jahre verlängert worden war, widerrief die Strafvollstreckungskammer durch den angefochtenen Beschluss die gewährten Strafaussetzungen, weil der Verurteilte entgegen der erteilten Weisungen "sich der Aufsicht seiner Bewährungshelferin entzogen, alle beteiligten Stellen getäuscht und offensichtlich wieder tief in das Drogenmilieu abgesackt" sei.
Hiergegen wendet sich der Verurteilte mit der form- und fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II. Die zulässige sofortige Beschwerde des Verurteilten hat einen zumindest vorläufigen Erfolg.
Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben, da die Strafvollstreckungskammer dem Verurteilten keine hinreichende Gelegenheit zur mündlichen Anhörung gemäss § 453 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 454 Abs. 4 StPO gegeben hat.
Die unter dem 21.06.1999 erfolgte Anhörung entsprach den gesetzlichen Erfordernissen nicht. Ungeachtet der Bedenken, die gegen diese bestehen, weil sich der Verurteilte nicht unter der Anschrift " Frankfurt, Schöne Aussicht 11" aufhielt - was dem Gericht auch bekannt war -, genügte diese schon deshalb nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil dem Verurteilten lediglich Gelegenheit gegeben wurde, "sich binnen einer Woche schriftlich zu äußern". Da schon seitens der Staatsanwaltschaft der beantragte Widerruf nicht auf erneute Verurteilungen gestützt wurde und das Anhörungsverfahren selbst ausschließlich im Hinblick auf den Verstoss gegen Weisungen erfolgte, hätte der Verurteilte auf die Möglichkeit hingewiesen werden müssen, dass er sich gemäß § 453 Abs. 1 Satz 3 StPO mündlich äußern kann.
Daran fehlt es jedoch. Zwar handelt es sich bei der genannten Bestimmung um eine Sollvorschrift, die jedoch dahin zu verstehen ist, dass die Anhörung zwingend ist, wenn sie weitere Aufklärung verspricht oder wenn ihr keine schwerwiegenden Gründe entgegenstellen (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Auflage 1999, § 453 StPO Rd. 7 m.w.N.). Eine mündliche Anhörung des Verurteilten hätte hier weitere Aufklärung bringen können, da zum Zeitpunkt des Widerrufes der Strafaussetzung weder dem Gericht noch der Bewährungshelferin bekannt war, aus welchem Grund der Verurteilte den Weisungen nicht nachgekommen ist.
Auch lag einer der Ausnahmefälle nicht vor, in denen auf eine Anhörung des Verurteilten ganz verzichtet werden kann. Die Anhörung kann zwar unterbleiben, wenn der Verurteilte untergetaucht ist oder die Auflage, einen Wohnungswechsel mitzuteilen, nicht befolgt hat. Dies gilt jedoch nur, wenn sein Aufenthalt zum Zeitpunkt der Widerufsentscheidung nicht anderweitig durch zumutbare Nachforschungen ermittelt werden kann (vgl. KK-Fischer, 4. Auflage 1999, § 453 StPO Rdnr. 8 m.w.N.; BGHSt 26, 128 (128 f.); OLG Düsseldorf NStZ 1988, 243). Solch zumutbare Nachforschungen sind aber unterblieben. Der Strafvollstreckungskammer war die Existenz des Sicherungshaftbefehls des Amtsgerichts Marburg vom 08.06.1999 - 204 Js 12627/97 13 b Ls - bekannt. Angesichts der Bedeutung, die dem Anhörungsverfahren als Ausprägung des grundrechtlich garantierten rechtlichen Gehörs zukommt, hätte vor Erlass des Widerrufsbeschlusses durch Rückfrage beim Amtsgericht Marburg abgeklärt werden müssen, ob auch dort keine Erkenntnisse vorliegen und daher von einer Unerreichbarkeit des Verurteilten ausgegangen werden darf. Da der Verurteilte aufgrund des Sicherungshaftbefehls bereits seit dem 13.07.1999 in der Justizvollzugsanstalt Gießen inhaftiert war, wäre dies auf Nachfrage mitgeteilt worden, so dass die Anhörung noch hätte erfolgen können und müssen.
Da dies nicht geschehen ist, wird die Sache zur Durchführung des Anhörungsverfahrens gemäß § 453 Abs. 1 Satz 3 StPO und zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittels - an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Paderborn zurückgegeben. Es liegt mit der unterbliebenen Anhörung nämlich ein Verfahrensmangel vor, den der Senat als Beschwerdegericht nicht selbst beheben kann ( vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O. § 453 StPO Rdnr. 15; OLG Düsseldorf StV 1987, 257 (258).


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