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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 4 Ss 1381/98 OLG Hamm

Senat: 4

Gegenstand: Revision

Stichworte: Aufhebung, Einstellung, fehlender Eröffnungsbeschluß, Schriftform, Berufungsbeschränkung

Normen: StPO 206 a; StPO 203

Beschluss: Strafsache gegen W.S.,
wegen Betruges u.a.

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der XVI. kleinen Strafkammer des Landgerichts Münster (Westf.) vom 16.6. 1998 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 08.12.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs.4 StPO einstimmig beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.Das Verfahren wird gemäß § 206 a StPO insoweit eingestellt, als der Angeklagte wegen Computerbetruges in vier Fällen zu Freiheitsstrafen verurteilt worden ist. Im Umfang der Einstellung trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen.Im übrigen wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Münster (Westf.) zurückverwiesen.

Gründe: I. Das Schöffengericht Warendorf verurteilte den Angeklagten am 05.03.1998 "unter Freispruch im übrigen wegen Computerbetruges in 4 Fällen, Anstiftung zum Betrug, Anstiftung zum versuchten Betrug, Zulassens des Fahrens ohne Fahrerlaubnis in 40 Fällen und Anstiftung zur Strafvereitelung, begangen im Zustand der verminderten Schuldfähigkeit" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr sechs Monaten und wies die Straßenverkehrsbehörde an, dem Angeklagten vor Ablauf von noch zwei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Dieser legte gegen die Entscheidung Berufung ein und beschränkte sein Rechtsmittel schließlich auf die Überprüfung der abgelehnten Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht Münster (Westf.) erkannt:
"Unter Verwerfung der Berufung als unbegründet wird das Urteil des Amtsgerichts - Schöffengericht - Warendorf vom 05.03.1998 unter Einbeziehung der Verurteilungen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Ibbenbüren vom 19.08.1996 - 5 Cs 33 Js 1358/96 - und des Amtsgerichts Münster vom 28.11.1997 - 32 Ds 60 Js 158/97 AK 71/97 -,wobei die dortige Gesamtstrafe aufgelöst wird, wie folgt hinsichtlich des Gesamtstrafenausspruchs abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Der Angeklagte wird zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.
Im übrigen bleibt das Urteil auch hinsichtlich der Nebenentscheidungen bestehen."
Gegen diese Entscheidung der XVI. kleinen Strafkammer vom 16.06.1998 richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts geltend macht.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Revision gemäß § 349 Abs.2 StPO zu verwerfen.
II. Das Rechtsmittel des Angeklagten führt zur Verfahrenseinstellung gemäß § 206 a StPO, soweit dieser wegen Computerbetruges gemäß § 263 a StGB in vier Fällen zu Einzelfreiheitsstrafen von jeweils vier Monaten verurteilt worden ist.
Die vom Revisionsgericht von Amts wegen vorzunehmende Prüfung, ob der Verurteilung des Angeklagten ein Prozeßhindernis entgegensteht, hat ergeben, daß sowohl das Amtsgericht wie auch das Landgericht die jeweilige Hauptverhandlung gegen den Angeklagten hinsichtlich der mit Schrift der Staatsanwaltschaft Münster vom 08.08.1997 angeklagten Taten durchgeführt hat, obwohl die Verfahrensvoraussetzung eines Eröffnungsbeschlusses gefehlt hat und auch nicht in zulässiger Weise nachgeholt worden ist (vgl. BGHSt 29, 224).
1. Mit der am 08.08.1997 im Verfahren 64 Js 474/97 StA Münster zum Schöffengericht Warendorf erhobenen Anklage hat die Strafverfolgungsbehörde dem Angeschuldigten u.a. zur Last gelegt, in Ostbevern und an anderen Orten in vier Fällen im 6. 1996 eine ihm von der Bank 24 AG ausgehändigte ec-Karte zur Abhebung von jeweils DM 1.000 verwendet zu haben, ohne daß er über Einkünfte verfügt hätte oder sonst zahlungsfähig gewesen wäre. Eine Entscheidung des Schöffengerichts über die Eröffnung des Hauptverfahrens und die Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung ist - jedenfalls in formwirksamer Weise - nicht ergangen. Das gilt auch unter Berücksichtigung des Beschlusses vom 26.01.1998 (BD.II Bl.315 d.A.), mit dem der Vorsitzende des Schöffengerichts die bereits anhängige Sache 4 Ls 64 Js 474/97 (21/97) mit einem Verfahren verbunden hat, das zuvor beim Strafrichter des Amtsgerichts Warendorf anhängig gewesen ist, und mit dem er dieses vor dem Schöffengericht eröffnet hat.
a) Der prozeßordnungsgemäße Fortgang eines Strafverfahrens setzt nach Erhebung der Anklage voraus, daß das Gericht über den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Eröffnung des Hauptverfahrens entscheidet. Es befindet darüber, ob aufgrund des Ergebnisses der Ermittlungen bei vorläufiger Tatbewertung eine Verurteilung des Angeschuldigten möglich erscheint (vgl. BGHSt 23, 304, 306). Mit der Eröffnung des Hauptverfahrens gibt das zuständige Gericht zu erkennen, daß es nach Durchsicht der Akten die Verurteilung für hinreichend wahrscheinlich hält. Durch diese Kontrollkompetenz soll verhindert werden, daß das Gericht gezwungen ist, eine Hauptverhandlung mit allen nachteiligen Konsequenzen für den Betroffenen durchzuführen, wenn es abweichend von der Staatsanwaltschaft die Anklage nicht für schlüssig oder den Tatverdacht nicht für ausreichend hält (vgl. BGHSt 29, 224, 229).
Angesichts der Bedeutung der richterlichen Entschließung für das weitere Verfahren ist der Eröffnungsbeschluß in schriftlicher Form abzufassen (vgl. BGH DRiZ 1981, 343). Damit wird indes nicht gefordert, daß dieser einen der Vorschrift des § 207 Abs.1 StPO entsprechenden Wortlaut haben müßte. Es genügt vielmehr ein anders formulierter Beschluß, wenn ihm die eindeutige und schlüssige Willenserklärung des Gerichts zu entnehmen ist, daß dieses die Anklage nach Prüfung der Voraussetzungen zulassen wollte, und die Entscheidung die mit dem Eröffnungsbeschluß verbundene Schutzfunktion für den Angeklagten einhält (vgl. OLG Hamm JR 1991, 33, 34; BayObLG bei Rüth DAR 1985, 233, 245).
b) Diesen Anforderungen genügt der insoweit allein in Betracht kommende Beschluß des Vorsitzenden des Schöffengerichts Warendorf vom 26.01.1998 nicht. Er bezieht sich nämlich ausschließlich auf Entscheidungen, die durch die Übernahme der vom Strafrichter vorgelegten Sache veranlaßt worden sind. Es läßt sich deshalb daraus nicht herleiten, daß der Vorsitzende den hinreichenden Tatverdacht hinsichtlich der am 08.08.1997 erhobenen Anklage geprüft hätte. Daß er das ausdrücklich vor dem Schöffengericht eröffnete Verfahren (AK 7/98) zu der bereits länger anhängigen und als führend bezeichneten Sache (AK 21/97) verbunden hat, spricht eher für die Annahme, daß er irrig davon ausgegangen ist, es sei insoweit ein Eröffnungsbeschluß schon ergangen. In die gleiche Richtung weist die Terminsverfügung am folgenden Tage, die im übrigen als Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens im Sinne des § 203 StPO grundsätzlich nicht ausreicht (vgl. BGH NStZ 1988, 236).
c) Der fehlende Eröffnungsbeschluß hat in der Berufungsverhandlung nicht mehr nachgeholt werden können, so daß das Landgericht Münster (Westf.) das Verfahren, soweit es die nicht zugelassene Anklage zum Gegenstand gehabt hat, hätte unter (teilweiser) Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils gemäß §§ 328 Abs. 1, 260 Abs. 3 StPO einstellen müssen. Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, daß der Angeklagte und seine Verteidigerin mit Zustimmung des Vertreters der Staatsanwaltschaft im Laufe der Hauptverhandlung die Berufung "allein auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung" beschränkt haben. Nicht behebbare Prozeßhindernisse stehen in jeder Lage des Verfahrens dessen Fortsetzung entgegen, und zwar unabhängig davon, ob und in welchem Umfang Teilrechtskraft eingetreten ist (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, 43. Aufl. (1997), Einleitung zur StPO, Rdnr. 151 m.w.N.).
2. In der Revisionsinstanz führt das Fehlen des Eröffnungsbeschlusses zur Einstellung des Verfahrens (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 203 StPO Rdnr. 3 m.w.N.),und zwar nach herrschender Meinung gemäß § 206 a StPO (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 206 a StPO Rdnr. 6 m.w.N.).
Soweit der Senat dementsprechend das Verfahren eingestellt hat, war gemäß § 467 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr.2 StPO über die Kosten des Verfahrens und über die notwendigen Auslagen des Angeklagten zu befinden. Die Staatskasse war (auch) mit den notwendigen Auslagen des Angeklagten zu belasten, weil die Überbürdung nicht unbillig erscheint (vgl. KK-Schimansky, 3. Aufl. (1993), § 467 StPO Rdnr. 10 b).Das Verfahrenshindernis beruht ausschließlich auf einem Fehler des Schöffengerichts und nicht auf einem vorwerfbaren Verhalten des Angeklagten. Es wäre deshalb unangemessen, diesen mit den Auslagen für das eingestellte Verfahren zu belasten, zumal damit zu rechnen ist, daß er bei erneuter Anklageerhebung die Kosten und Auslagen des wegen der Tatvorwürfe neu eingeleiteten Strafverfahrens im Hinblick auf die zu erwartende Verurteilung wird tragen müssen (vgl. OLG München StV 1988, 71; OLG Düsseldorf MDR 1990, 359, 360).
III. 1. Schon die teilweise Einstellung des Verfahrens nötigt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, weil das Berufungsgericht bei der Gesamtstrafenbildung die vier Einzelfreiheitsstrafen von jeweils vier Monaten berücksichtigt hat, die das Schöffengericht Warendorf rechtsfehlerhaft verhängt hat. Aus der Höhe der erkannten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren ist zu entnehmen daß das angefochtene Berufungsurteil (ebenfalls) auf der Nichtberücksichtigung des Verfahrenshindernisses beruht. Dieses war deshalb mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache war, soweit sie nicht eingestellt ist, zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Münster (Westf.) als Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 StPO), die auch insoweit über die Kosten der Revision zu befinden haben wird, da deren Erfolg im Sinne des § 473 StPO noch nicht feststeht.
2. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, daß gegen das angefochtene Berufungsurteil zahlreiche weitere rechtliche Bedenken bestehen. Beispielhaft wird auf die Gesamtstrafenbildung hingewiesen, die ausweislich des Tenors und der Urteilsgründe als Einheitsstrafenbildung mißverstanden wird. Eine Gesamtstrafe im Sinne des § 55 StGB kann immer nur aus Einzelstrafen gebildet werden, so daß deren Höhe im Urteil anzugeben ist. Diese dürfen noch nicht erledigt sein im Sinne dieser Vorschrift, so daß der Tatrichter auch insoweit entsprechende Feststellungen zu treffen hat, um dem Senat die Nachprüfung der rechtsfehlerfreien Bemessung der Gesamtstrafe zu ermöglichen. Geht es um die Einbeziehung einer Geldstrafe, hat das Berufungsgericht das Verschlechterungsverbot des § 331 Abs.1 StPO zu beachten (vgl. BGHSt 35, 208, 212). Schließlich soll der Angeklagte, dessen mehrere Straftaten in verschiedenen Verfahren abgeurteilt werden, durch die nachträgliche Gesamtstrafenbildung nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt werden, als wenn alle Taten in einem, und zwar dem zuerst durchgeführten Verfahren abgeurteilt worden wären (vgl. BGHSt 32, 190, 193/194; 33, 230, 232).


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