Aktenzeichen: 4 Ss OWi 909/99 OLG Hamm
Senat: 4
Gegenstand: OWi
Stichworte: Durchentscheidung im Rechtsfolgenausspruch, Sachrüge, sachlich-rechtlicher Mangel des Urteils, Rotlichtverstoß, Rotlicht, Rotlichtverstoß geschlossen aufgrund Grünlicht für Querverkehr, Möglichkeit des Absehens von der Verhängung eines Fahrverbotes, Fahrverbot, Rotlichtverstoß mit Schädigung eines anderen
Normen: StVO 37
Beschluss: Bußgeldsache gegen R.G.,
wegen fahrlässigen Rotlichtverstoßes u.a..
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Detmold vom 28.05.1999 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 07.09.1999 durch die Richterin am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 79 Abs. 5 und 6 OWiG beschlossen:
Der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils wird aufgehoben.
Gegen den Betroffenen wird eine Geldbuße in Höhe von 300,00 DM festgesetzt. Außerdem wird ihm für die Dauer von einem Monat verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im Straßenverkehr zu führen.
Im übrigen wird die Rechtsbeschwerde verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Betroffene.
Gründe: I. Das Amtsgericht Detmold hat den Betroffenen mit Urteil vom 28.05.1999 wegen fahrlässigen Nichtbeachtens des Rotlichts einer Lichtzeichenanlage in Tateinheit mit fahrlässiger Schädigung eines anderen im Straßenverkehr zu einer Geldbuße von 300,00 DM verurteilt. Zugleich hat es dem Betroffenen für die Dauer von einem Monat verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im Straßenverkehr zu führen.
Zu den verkehrsrechtlichen Vorbelastungen des Betroffenen hat das Amtsgericht folgende Feststellungen getroffen:
"Durch Bußgeldbescheid des Kreises Lippe vom 30.05.1994 - rechtskräftig seit dem 15.12.1994 - ist gegen den Betroffenen wegen Verschuldens eines Verkehrsunfalles durch Nichtbeachten der Vorfahrt eine Geldbuße von 120,00 DM festgesetzt worden.
Durch weiteren Bußgeldbescheid des Kreises Paderborn vom 24.03.1995 - rechtskräftig seit dem 19.04.1995 - ist gegen den Betroffenen wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaft um 22 km/h eine Geldbuße in Höhe von 100,00 DM festgesetzt worden.
Der Kreis Paderborn hat durch Bußgeldbescheid vom 02.0.1996 - rechtskräftig seit dem 24.01.1996 - gegen den Betroffenen wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 38 km/h eine Geldbuße in Höhe von 180,00 DM festgesetzt.
Durch weiteren Bußgeldbescheid des Kreises Lippe vom 30.03.1995 - rechtskräftig seit dem 21.01.1996 - ist gegen den Betroffenen nochmals wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft um 42 km/h eine Geldbuße in Höhe von 200,00 DM festgesetzt worden. Ferner wurde ein Fahrverbot vom einem Monat verhängt.
Der Landkreis Holzminden setzte gegen den Betroffenen durch Bußgeldbescheid vom 01.04.1996 - rechtskräftig seit dem 19.04.1996 - wegen Verstoßes gegen § 26 StVO eine Geldbuße in Höhe von 150,00 DM fest.
Das Amtsgericht Minden verurteilte den Betroffenen am 19.09.1997 - rechtskräftig seit dem 14.01.1998 - wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft um 41 km/h zu einer Geldbuße von 300,00 DM. Ferner wurde gegen den Betroffenen ein Fahrverbot von einem Monat verhängt."
Zur Sache hat das Amtsgericht festgestellt:
"Am 21.11.1997 befuhr der Betroffene mit dem Pkw Daimler Benz mit dem amtlichen Kennzeichen LIP-EB 214 in Detmold die Heidenoldendorfer Straße Richtung Wittekindstraße. An der Einmündung Heidenoldendorfer Straße/Sprottauer Straße beachtete der Betroffene das Rotlicht der dort befindlichen Lichtzeichenanlage nicht. Im Einmündungsbereich kam es zum Zusammenstoß mit dem Fahrzeug der Zeugin Petra Remmert, die zuvor die Sprottauer Straße bei Grünlicht befahren hatte und die Lichtzeichenanlage auf der Sprottauer Straße bei Grünlicht passiert hatte und nach links auf die Heidenoldendorfer Straße abgebogen war."
Diesen Sachverhalt hat das Amtsgericht aufgrund der uneidlichen Aussagen der Zeugen I.R., P.R. und A.K. festgestellt. Der Betroffene hat sich nicht zur Sache eingelassen.
Gegen dieses Urteil hat der Betroffene mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 31.05.1999, eingegangen beim Amtsgericht Detmold am 01.06.1999, rechtzeitig Rechtsbeschwerde eingelegt und diese nach Zustellung des Urteils am 30.06.1999 mit am 29.07.1999 beim Amtsgericht Detmold eingegangenen Schriftsatz seines Verteidigers fristgerecht begründet. Der Betroffene beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
II. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
1. Nach Auffassung des Senats ist in dem Rechtsbeschwerdevorbringen noch hinreichend die Erhebung der Sachrüge zu sehen, so daß die Rechtsbeschwerde in zulässiger Weise begründet worden und mithin zulässig ist. Der Betroffene rügt nämlich, das Amtsgericht habe keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, wie und wann der Zeuge Klein die Lichtzeichenanlage überprüft habe. Damit macht die Rechtsbeschwerde einen sachlich-rechtlichen Mangel des Urteils geltend, indem behauptet wird, das Amtsgericht habe sich nicht in ausreichendem Maße bzw. in nicht nachvollziehbarer Weise von der Funktionstüchtigkeit der Lichtzeichenanlage überzeugt.
Die übrigen Angriffe der Rechtsbeschwerde erschöpfen sich allerdings, worauf die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Zuschrift vom 31.08.1999 zu Recht hingewiesen hat, in unzulässigen Angriffen gegen die Feststellungen und die Beweiswürdigung und sind damit unzulässig.
2. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
a) Die auf die Sachrüge vorzunehmende Überprüfung des angefochtenen Urteils läßt Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen nicht erkennen, soweit das Amtsgericht den Betroffenen wegen fahrlässigen Nichtbeachtens des Rotlichts einer Lichtzeichenanlage in Tateinheit mit fahrlässiger Schädigung eines anderen im Straßenverkehr gemäß §§ 1, 37, 49 StVO, 24 StVG schuldig befunden hat.
Das Amtsgericht hat aufgrund folgender Erwägungen auf das Vorliegen dieses fahrlässig begangenen Verkehrsverstoßes geschlossen:
"Der Betroffene hat sich im Hauptverhandlungstermin zur Sache nicht eingelassen. Die Zeugin Petra Remmert hat bekundet, sie sei auf der Sprottauer Straße bereits auf die grüne Lichtzeichenanlage zugefahren und habe über die grüne Lichtzeichenanlage hinweg ihre Fahrt auf die Heidenoldendorfer Straße fortgesetzt. Sie habe auch bemerkt, daß der Verkehr rechts von ihr auf der Heidenoldendorfer Straße vor der dort befindlichen Lichtzeichenanlage gestanden habe. Auch habe sie bemerkt, daß die aus ihrer Richtung, gesehen links auf der Heidenoldendorfer Straße befindliche Lichtzeichenanlage für den Fußgängerverkehr bereits Grünlicht angezeigt habe. Dennoch sei der Betroffene für sie völlig überraschend in den Kreuzungsbereich eingefahren. Auch die Zeugin I.R., die als Beifahrerin mit im Fahrzeug ihrer Tochter - der Zeugin P.R. - gesessen hat, hat bestätigt, daß die Zeugin P.R. bei Grünlicht in den Einmündungsbereich eingefahren sei. Schließlich hat der Zeuge K., der von Beruf Polizeibeamter ist, bekundet, er habe anläßlich der Aufnahme des Verkehrsunfalles die Funktionstüchtigkeit der fraglichen Lichtzeichenanlage im Einmündungsbereich überprüft. Diese sei in Ordnung gewesen. Auch könne er sich daran erinnern, daß der Betroffene nach dem Unfall angegeben habe, daß die für ihn gültige Lichtzeichenanlage gerade erst auf Rotlicht umgesprungen sei, als er sie passiert habe."
Diese Erwägungen zum Schuldspruch sind rechtsfehlerfrei. Zwar kann es grundsätzlich durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen, wenn allein aus dem Umstand, daß für den Querverkehr Grünlicht angezeigt worden ist, als der Betroffene in den Kreuzungsbereich hineingefahren ist, auf einen Rotlichtverstoß eines Betroffenen geschlossen wird. In der Regel ist es erforderlich, daß die Schaltphasen der Lichtzeichenanlage mitgeteilt werden, denn sonst kann die Schlußfolgerung, daß bei Grünlicht für den Querverkehr der Betroffene die Haltelinie oder die Fluchtlinie der Kreuzung bei Rotlicht passiert haben muß, für das Rechtsbeschwerdegericht nicht in allen Fällen hinreichend nachprüfbar sein (vgl. OLG Hamm, Beschluß vom 20.05.1999 - 3 Ss OWi 436/99 -). Obwohl das Amtsgericht die Schaltphasen der Ampelanlage nicht mitgeteilt hat, kommen diese Bedenken vorliegend jedoch nicht zum tragen. Zu berücksichtigen ist hier nämlich, daß der Betroffene die Ordnungswidrigkeit nach den Urteilsfeststellungen innerhalb einer geschlossenen Ortschaft begangen hat. In einem solchen Fall kann, ohne daß es näherer Feststellungen dazu bedarf (vgl. dazu OLG Hamm, VRS 85, 464, 465; VRS 91, 67, 68; OLG Düsseldorf, NZV 1996, 81, 81; OLG Hamburg, DAR 1995, 500, 501 jeweils mit weiteren Nachweisen), von einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h und einer Gelblichtphase von 3 Sekunden ausgegangen werden, so daß es dem Betroffenen bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit in jedem Fall möglich ist, rechtzeitig anzuhalten.
Auch der Umstand, daß das Amtsgericht keine näheren Feststellungen dazu getroffen hat, aufgrund welcher konkreten Überprüfung der Zeuge Klein zu der Schlußfolgerung der Funktionstüchtigkeit der Ampelanlage gekommen ist, stellt sich nicht als rechtsfehlerhaft dar. Derartiger Feststellungen bedurfte es nicht, ohne daß konkrete Anhaltspunkte für eine Fehlfunktion bestanden oder geltend gemacht worden sind. Derartiges wird aber auch mit der Rechtsbeschwerde nicht konkret behauptet. Hinzu kommt nach den Gründen des angefochtenen Urteils die Aussage des Zeugen K., wonach der Betroffene den Rotlichtverstoß unmittelbar vor Ort zugestanden hat.
Daß dem Betroffenen mit dem Rotlichtverstoß zugleich ein Fahrlässigkeitsvorwurf hinsichtlich des dadurch bedingten Verkehrsunfalles mit der Zeugin P.R.gemacht werden kann, bedarf keiner weiteren Begründung.
Bei dieser Sachlage sind Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen hinsichtlich des Schuldspruchs nicht erkennbar.
b) Gegen die Erwägungen des Amtsgericht hinsichtlich der Rechtsfolgenentscheidung bestehen allerdings durchgreifende rechtliche Bedenken. Dem Urteil ist nämlich nicht hinreichend zu entnehmen, daß sich die Tatrichterin der Möglichkeit bewußt gewesen ist, gegebenenfalls gegen Erhöhung der Regelgeldbuße von der Verhängung des Fahrverbotes absehen zu können. Das ist aber erforderlich (OLG Hamm, VRS 95, 263, 265; BGH, NZV 1992, 117, 120) und stellt einen durchgreifenden Begründungsmangel dar.
Der Senat macht jedoch insoweit von der ihm in § 79 Abs. 6 OWiG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch, auf der Grundlage der hinreichenden Feststellungen des Amtsgerichts selbst in der Sache zu entscheiden.
Soweit das Amtsgericht gegen den Betroffenen trotz der vielen und schweren verkehrsrechtlichen Vorbelastungen, die schon zur Verhängung eines Fahrverbotes geführt haben, nur eine Geldbuße von 300,00 DM festgesetzt hatte, mußte es schon wegen des Verbotes der Verschlechterung dabei verbleiben. Der Bußgeldkatalog sieht für eine Ordnungswidrigkeit der hier gegebenen Art bei Fahrlässigkeit unter gewöhnlichen Umständen eine Regelgeldbuße von 250,00 DM vor, wobei Voreintragungen des Betroffenen nicht berücksichtigt sind. Angesichts der Art, Schwere und Vielzahl der straßenverkehrsrechtlichen Vorbelastungen war die Geldbuße angemessen zu erhöhen.
Außerdem war gegen den Betroffenen ein Fahrverbot von einem Monat Dauer zu verhängen. Der Bußgeldkatalog sieht für die vom Betroffenen begangene Ordnungswidrigkeit in der Regel die Verhängung eines Fahrverbotes vor. Es ist auszuschließen, daß der nahezu 77-jährige Betroffene aus beruflichen Gründen in existenzbedrohendem Maße von einem Fahrverbot betroffen wird. Weiter ist in der Verhängung eines Fahrverbotes eine besondere Härte für den Betroffenen weder erkennbar noch wird eine solche in der Rechtsbeschwerde vorgetragen. Dabei hat der Senat auch berücksichtigt, daß zuletzt noch am 14.01.1998 die Entscheidung des Amtsgerichts Minden über die Verhängung eines Fahrverbotes rechtskräftig geworden ist. Ebenso liegt eine Vielzahl gewöhnlicher mildernder Umstände nicht vor, die es rechtfertigen könnte, ausnahmsweise von der Verhängung eines Fahrverbotes abzusehen. Angesichts der Vielzahl und des Gewichts der verkehrsrechtlichen Vorbelastungen hält es der Senat nicht für angemessen, ausnahmsweise gegen Erhöhung der Geldbuße von der Verhängung eines Fahrverbotes abzusehen.
Für eine Anordnung nach § 25 Abs. 2 a StVG besteht kein Raum.
Die Kosten des nach alledem erfolglosen Rechtsmittels hat nach §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 StPO der Betroffene zu tragen.
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