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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 4 Ss OWi 457/99 OLG Hamm

Senat: 4

Gegenstand: OWi

Stichworte: Aufhebung, Zurückverweisung, qualifizierter Rotlichtverstoß mit Unfall, Rotlichtverstoß geschlossen aufgrund Grünlichts für Querverkehr, Ampelphasenplan, Rechtfertigungsgrund

Normen: StVO 37

Beschluss: Bußgeldsache gegen T.D.,
wegen fahrlässigen Rotlichtverstoßes u.a..

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Warburg vom 21.12.1998 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 09.09.1999 durch die Richterin am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 79 Abs. 5 und 6 OWiG beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Warburg zurückverwiesen.

Gründe: I. Der Betroffene ist durch das Amtsgericht Warburg am 21.12.1998 wegen "fahrlässiger Verkehrsordnungswidrigkeit nach §§ 24 StVG, 1 II, 37 II, 49 StVO, § 19 OWiG" zu einer Geldbuße von 250,00 DM sowie einem Fahrverbot von einem Monat verurteilt worden. Zugleich hat das Amtsgericht angeordnet, daß das Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten nach Rechtskraft des Urteils.
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts beachtete der verkehrsrechtlich nicht vorbelastete Betroffene am 29.07.1998 als Führer eines Sattelzuges auf regennasser Fahrbahn das Rotlicht der für ihn maßgeblichen Lichtzeichenanlage im Bereich der Kreuzung B 252/B 7 nicht und kollidierte deshalb im Kreuzungsbereich mit dem Pkw des Zeugen M., der zunächst an der für ihn geltenden Lichtzeichenanlage angehalten hatte und nach Umschalten auf Grünlicht in den Kreuzungsbereich hineingefahren war.
Gegen dieses Urteil hat der Betroffene rechtzeitig Rechtsbeschwerde eingelegt und sein Rechtsmittel fristgerecht mit der Aufklärungsrüge und der allgemein erhobenen Sachrüge begründet. Er erstrebt die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Warburg.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, das angefochtene Urteil mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Warburg zurückzuverweisen.
II. Die Rechtsbeschwerde hat mit der Sachrüge einen zumindest vorläufigen Erfolg. Die Urteilsgründe tragen den Schuldspruch wegen eines fahrlässig begangenen Rotlichtverstoßes in Tateinheit mit fahrlässiger Schädigung eines anderen im Straßenverkehr (§§ 1 Abs. 2, 37 Abs. 2, 49 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 2 StVO, 24 StVG, 19 OWiG) nicht. Die Feststellungen des Amtsgerichts dazu, daß der Betroffene die für ihn maßgebliche Lichtzeichenanlage vorwerfbar bei Rotlicht passierte, sind nicht hinreichend nachvollziehbar aus dem Beweisergebnis hergeleitet.
Vorliegend hat das Amtsgericht aufgrund folgender Erwägungen auf das Vorliegen eines fahrlässig begangenen Rotlichtverstoßes durch den Betroffenen geschlossen:
"Der Sachverhalt steht zur Überzeugung des Gerichtes aufgrund der im Hauptverhandlungstermin durchgeführten Beweisaufnahme fest. Der Betroffene selbst räumt den Vorwurf grundsätzlich ein; er hat sich jedoch dahingehend eingelassen, das Rotlicht beim passieren der Ampel nicht gesehen zu haben.
Die Zeugen M. und H., die beide die B 7 von Ossendorf in Fahrtrichtung Warburg befuhren und zunächst nebeneinander an der Ampel im streitbefangenden Kreuzungsbereich gestanden hatten, haben im Rahmen ihrer Vernehmungen glaubhaft bekundet, ihrerseits in mäßigen Tempo angefahren zu sein, nachdem die für sie maßgebliche Lichtzeichenanlage bereits auf "Grün" umgeschaltet hatte.
Die Zeugin H. hat im diesem Zusammenhang bekundet, bereits einige Meter in die Kreuzung B 7/B 252 eingefahren zu sein, als sie plötzlich den links kommenden Lastzug des Betroffenen wahrgenommen habe. Sie habe zu diesem Zeitpunkt noch eine Vollbremsung vollziehen können, infolge derer sie unmittelbar vor dem Lastzug des Betroffenen zum Stehen gekommen sei.
Der Zeuge M. hat dem gegenüber angegeben, aufgrund des links neben ihm fahrenden Pkw der Zeugin Hermann keine Sicht auf den von links herannahenden Lastzug des Betroffenen gehabt zu haben, so daß für ihn ein rechtzeitiges Bremsen und Anhalten vor dem querenden Lastzug nicht mehr möglich gewesen sei, obgleich auch er verhältnismäßig langsam in den Kreuzungsbereich eingefahren sei.
Das Gericht hat keine Veranlassung, die Aussagen der beiden Zeugen in Zweifel zu ziehen. Die Aussagen der Zeugen waren anschaulich und gut nachvollziehbar. Sie stimmten in der Schilderung des Sachverhaltes überein. Hinsichtlich der Glaubwürdigkeit beider Zeugen bestehen ebenfalls keine Bedenken. Es ist nicht ersichtlich, daß diese den Betroffenen zu Unrecht belasten wollten.
Soweit die Zeugen aber das für ihre Fahrtrichtung maßgebliche Grünlich abgewartet haben und erst dann mit nur mäßiger Geschwindigkeit in die Kreuzung eingefahren sind, ohne zu diesem Zeitpunkt schon den von links in die Kreuzung einfahrenden Lastzug des Betroffenen wahrzunehmen, ist es als erwiesen anzusehen, daß der Betroffene die für seine Fahrtrichtung maßgebliche Lichtzeichenanlage zu einem Zeitpunkt passiert hat, als diese bereits Rotlicht zeigte. Hätte nämlich der Lastzug die Lichtzeichenanlage zu einem früheren Zeitpunkt passiert, so hätte er die Kreuzungsmitte B 252/B 7 zeitlich vor den Fahrzeugen H. und M. erreichen müssen.
Das Passieren der Verkehrsampel trotz Rotlicht war nach Auffassung des Gerichts auch nicht deshalb gemäß § 16 OWiG gerechtfertigt, weil die Fahrbahn in Folge starken Regenfällen zur Vorfallszeit naß war und der Lastzug des Betroffenen deshalb ins Rutschen geriet. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, daß der Betroffene bereits früher hätte erkennen können, daß ihm aufgrund der Umstände im konkreten Fall ein Anhalten bei Rotlicht vor der Ampelanlage auch bei Einhalten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nicht möglich sein würde. Die Fahrbahn nämlich war aufgrund der starken Regenfälle ersichtlich naß und barg in soweit auch erkennbar die Gefahr des Rutschens bei Bremsmannövern. Zudem hatte der Betroffene - seinen eigenen Angaben zu Folge - bis dato keinerlei Fahrpraxis auf dem automatikbetriebenen Lastzug, dessen Bremsverhalten in Folge des Fehlens der Kupplung sich anders darstellt, als das von Fahrzeugen mit Schaltgetriebe. Auch diese Problematik war dem Betroffenen bekannt. Letztlich ist weiterhin zu berücksichtigen, daß die für den Betroffenen maßgebliche Lichtzeichenanlage aus dessen Fahrtrichtung bereits weithin sichtbar ist und sich der Betroffene anhand der Dauer des Grünlichts darauf hätte einstellen können, daß bei weiterer Annäherung an den Kreuzungsbereich ein Wechsel auf Rotlicht erfolgen konnte.
Der Grundsatz, daß grünes Licht als Freigabe des Verkehrs in Verbindung mit § 3 Abs. 2 StVO zu zügigem Fahren verpflichtet, galt vorliegend mithin deshalb nicht, weil die Besonderheiten des von dem Betroffenen geführten Fahrzeuges und der Straßenzustände ein Anhalten bei Rotlicht vor der Lichtzeichenanlage auch bei Nichtüberschreitung der zulässige Höchstgeschwindigkeit nicht ohne weiteres ermöglichten. Der Betroffene hätte vielmehr rechtzeitig bei Annäherung an die Ampelanlage seine Geschwindigkeit soweit herabsetzen müssen, daß er innerhalb der für die zugelassene Höchstgeschwindigkeit angemessenen Gelbphase noch hätte anhalten können."
Diese Erwägungen zum Schuldspruch begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zwar ist es grundsätzlich möglich, aus dem Umstand, daß für den Querverkehr Grünlicht angezeigt worden ist, auf einen Rotlichtverstoß durch einen Betroffenen zu schließen. Das setzt aber in der Regel weitere konkrete Feststellungen voraus, wozu insbesondere die örtlich zulässige Höchstgeschwindigkeit und die Phasen der Ampelschaltung gehören. In jedem Falle muß nämlich nachvollziehbar dargelegt sein, daß der Betroffene noch rechtzeitig gefahrlos anhalten konnte. Derartige ergänzende Feststellungen sind nur dann entbehrlich, wenn der Rotlichtverstoß innerhalb einer geschlossenen Ortschaft begangen worden ist, weil dort von einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h und einer Gelbphase von drei Sekunden Dauer ausgegangen werden kann (vgl. dazu OLG Hamm, VRS 85, 464, 465; VRS 91, 67, 68; OLG Düsseldorf, NZV 1996, 81, 81; OLG Hamburg, DAR 1995, 500, 501 jeweils mit weiteren Nachweisen). Nur bei dieser Sachlage kann ohne Anhaltspunkte für das Vorliegen von Besonderheiten davon ausgegangen werden kann, daß dem Betroffenen ein gefahrloses Anhalten möglich war.
Daß der Betroffene die ihm hier zur Last gelegte Ordnungswidrigkeit innerhalb einer geschlossenen Ortschaft begangen hat, hat das Amtsgericht nicht festgestellt. Nach den Urteilsfeststellungen ist sogar eher davon auszugehen, daß sich die maßgebliche Lichtzeichenanlage außerhalb einer geschlossenen Ortschaft befindet.
Es fehlen somit im angefochtenen Urteil zumindest Feststellungen dazu, ob sich auf der von dem Betroffenen befahrenen Fahrbahn eine Haltelinie vor der Ampelanlage befunden hat, welche Höchstgeschwindigkeit örtlich zulässig war, ggfls. aufgrund welcher Witterungs- oder Fahrbahngegebenheiten welche konkrete niedrigere Geschwindigkeit vom Betroffenen einzuhalten war und wie die Ampelphasen für die Fahrtrichtungen des Betroffenen und der Zeugen Menne und Hermann geschaltet waren.
Das angefochtene Urteil war somit mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben, und die Sache war zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch wegen der Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Warburg zurückzuverweisen, § 79 Abs. 6 OWiG. Gründe dafür, die Sache ausnahmsweise an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Warburg zurückzuverweisen, bestehen nicht.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, daß nicht ohne weiteres nachvollziehbar ist, warum sich das Bremsverhalten eines automatikbetriebenen Lastkraftwagens von dem eines Lastkraftwagens mit Schaltgetriebe unterscheiden soll. Falls es auf diesen Umstand in der neuen Entscheidung ankommen sollte, bedarf das deshalb zumindest näherer Darlegung.


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