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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 4 Ss OWi 999/99 OLG Hamm

Senat: 4

Gegenstand: OWi

Stichworte: Aufhebung, Geschwindigkeitsüberschreitung, Meßverfahren, Mitteilung des Meßverfahrens, Toleranzwert, Nichtbestreiten, Libi, Foto, Verweisung auf Foto, lückenhafte Urteilsgründe, Identifizierung

Normen: StPO 267 Abs. 1 Satz 3

Beschluss: Bußgeldsache gegen V.N.,
wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Paderborn vom 09.08.1999 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 28.09.1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und dem Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäss § 79 Abs. 5 und 6 OWiG beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht Paderborn zurückverwiesen.

Gründe: I. Das Amtsgericht Paderborn hat gegen den Betroffenen mit Beschluss vom 09.08.1999 wegen "Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit - Ordnungswidrigkeit nach den §§ 41 II Nr. 7 III Nr. 4 StVO, 25 StVG -" eine Geldbuße von 150,00 DM verhängt und dem Betroffenen die Führung von Kraftfahrzeugen jeder Art im öffentlichen Straßenverkehr für die Dauer von einem Monat untersagt.
Nach den getroffenen Feststellungen befuhr " am Abend des 20.01.1999 ... der Betroffene mit seinem PKW die B 68 in Fahrtrichtung Paderborn. Gegen 21.43 Uhr fuhr er in der Gemarkung Dörenhagen innerhalb eines Abschnitts, in dem durch deutlich sichtbar aufgestellte Zeichen 274 StVO die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 70 km/h beschränkt war, mit einer Geschwindigkeit von 103 km/h.
Der Betroffene war zur Tatzeit der Fahrer seines PKW GT-NV 222. Das ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts aus einem Vergleich eines Paßfotos vom Betroffenen mit dem zur Tatzeit gemachten Radarfoto. Die markierte (im handschriftlichen Original: "markante") Nase und die Augenbrauen weisen den Betroffenen als Fahrer aus.
Dafür, daß fehlerhaft gemessen worden ist, gibt es keinerlei Anhaltspunkte.
Gegen diesen Beschluss wendet sich das form- und fristgerecht angebrachte Rechtsmittel des Betroffenen, mit dem er die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung beantragt. Er rügt mit näheren Ausführungen die Verletzung materiellen Rechts.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt wie erfolgt zu entscheiden.

II. Das Rechtsmittel hat - vorläufigen - Erfolg.
Der angefochtene Beschluss läßt bereits hinreichende Feststellungen zur durchgeführten Geschwindigkeitsermittlung vermissen, so dass der Senat nicht überprüfen kann, ob das Amtsgericht rechtsfehlerfrei einen Geschwindigkeitsverstoß bejaht hat. Zwar sind die Anforderungen an das Erfordernis der Darlegungen einer ordnungsgemäßen Messung bei standardisierten Messverfahren - etwa bei einer automatisierten Messung durch Radaranlagen - gemindert. Jedoch ist dem Senat schon mangels Mitteilung der angewandten Messmethode eine Nachprüfung nicht möglich (vgl. BGH St 39, 291 (293 f.); Mühlhaus/Janiszewski, StVO, 15. Auflage 1998, § 3 StVO Rdnr. 93 m.w.N.). Daraus, dass im Rahmen der Ausführungen zur Identifizierung des Betroffenen von einem "Radarfoto" die Rede ist, kann nicht hinreichend sicher auf die Durchführung einer Radarmessung geschlossen werden, da dieser Begriff erfahrungsgemäß gelegentlich auch für solche Lichtbilder verwendet wird, die bei stationären Überwachungsanlagen mit elektrischen Fahrbahnsensoren (z.B. Traffiphot-S, sog. "Starenkasten") gefertigt worden sind. Es fehlt überdies jeder Hinweis darauf, inwieweit möglichen Fehlerquellen bei der Messung durch Abzug eines Toleranzwertes überhaupt Rechnung getragen worden ist (BGH NZV 1993, 485 ff; OLG Hamm VRS 56, 198 (199 f.); Mühlhaus/Janiszewski, a.a.O., § 3 StVO Rdnr. 92). Die Angabe, der Betroffene habe den Streckenabschnitt mit einer Geschwindigkeit von 103 km/h befahren, lässt gerade offen, ob das Gericht einen Toleranzabzug vorgenommen hat. Dahingehende Ausführungen waren insbesondere auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil die Messung nicht ausdrücklich bestritten wurde. Abgesehen davon, dass das Nichtbestreiten eines Umstandes nicht gleichbedeutend mit einem Geständnis ist, teilt der Beschluss die Einlassung des Betroffen überhaupt nicht mit. Letzteres stellt zudem einen weiteren Mangel dar, da dem Rechtsbeschwerdegericht somit auch die Überprüfung des Beschlusses im Hinblick auf das erfolgte Vorbringen des Betroffenen nicht möglich ist.
Darüber hinaus trägt die Darstellung der Identifizierung des Betroffenen anhand der bei der Verkehrsüberwachungsmaßnahme gefertigten Beweisfotos die Verurteilung nicht. Sie hält nicht den von der Rechtsprechung insoweit aufgestellten Anforderungen Stand (vgl. dazu OLG Hamm, Beschluss vom 22. 4 1999, 4 Ss OWi 259/99; OLG Oldenburg VRS 87, 202 f.; Mühlhaus/Janiszewski , a.a.O., § 3 StVO Rdnrn. 93 c und 93 d). Konkrete Identifizierungsmerkmale sind vorliegend nicht beschrieben. Es ist lediglich ausgeführt, hinsichtlich welcher Teile des Gesichts eine Übereinstimmung zwischen dem Gesicht auf dem Passfoto und dem Beweisfoto besteht, ohne das beide Fotos näher bezeichnet werden. Ist indes - wie hier - eine ordnungsgemässe Verweisung auf das Beweisfoto und das Vergleichsfoto nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. §§ 71 Abs. 1, 72 Abs. 1 OWiG nicht erfolgt, so muss die Entscheidung Ausführungen zur Bildqualität enthalten und die abgebildete Person, jedenfalls mehrere charakteristische Identifizierungsmerkmale so präzise beschreiben, dass dem Rechtsmittelgericht anhand der Beschreibung in gleicher Weise wie bei der Betrachtung des Fotos die Prüfung ermöglicht wird, ob diese zur Identifizierung generell geeignet waren. Dafür reicht der Hinweis auf die "markante Nase" und "die Augenbrauen" ohne nähere Darstellung der auf den Lichtbildern erkennbaren Details nicht aus.
Schließlich hätte auch die Anordnung des verhängten Fahrverbotes der eingehenderen Begründung bedurft (vgl. dazu z.B. BGH VRS 94, 221 ff. = NJW 1997, 3252 ff. und OLG Hamm VRS 90, 392 ff.) und die Frage eines Ausspruches gemäß § 25 Abs. 2 a StVG geprüft werden müssen.
Die aufgezeigten Mängel des angefochtenen Beschlusses nötigen zur Aufhebung der Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Paderborn. Das Amtsgericht wird auch eine Entscheidung über die Kosten der Rechtsbeschwerde zu treffen haben, weil der Erfolg des Rechtsmittels im Sinne des § 473 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG noch nicht feststeht.


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