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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 4 Ss OWi 763/99 OLG Hamm

Senat: 4

Gegenstand: OWi

Stichworte: Aufhebung im Rechtsfolgenausspruch, Geschwindigkeitsüberschreitung, Absehen vom Fahrverbot, A 1, verengte Fahrspuren, Augenblicksversagen

Normen: StVG 25 Abs. 1 Satz 1; BKatV 2 Abs. 1

Beschluss: Bußgeldsache gegen A.K.,
wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften.

Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Münster gegen den Beschluß des Amtsgerichts Münster vom 26. 4/14.5.1999 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 26.10.1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung des Betroffenen bzw. dessen Verteidigers gemäß § 79 Abs. 5, 6 OWiG beschlossen:

Der angefochtene Beschluß wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird in diesem Umfang zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Münster zurückverwiesen.

Gründe: I. Das Amtsgericht Münster hat den Betroffenen im Beschlußverfahren gemäß § 72 OWiG wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft zu einer Geldbuße von 200,00 DM verurteilt. Von der Verhängung eines Fahrverbotes hat das Amtsgericht abgesehen. Nach den getroffenen Feststellungen befuhr der verkehrsrechtlich nicht vorbelastete Betroffene am 23. 4 1998 gegen 12.07 Uhr mit einem Pkw die Bundesautobahn A 1 in Fahrtrichtung Dortmund. In Höhe von Kilometer 272 überschritt er auf einer Länge von 600 m die dort durch Zeichen 274 auf 100 km/h beschränkte zulässige Höchstgeschwindigkeit fahrlässig um 45 km/h. In dem diesem Verfahren zugrundeliegenden Bußgeldbescheid der Stadt Münster vom 03.07.1998 war neben einer Geldbuße von 200,00 DM ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet worden.
Mit ihrer auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Rechtsbeschwerde wendet sich die örtliche Staatsanwaltschaft gegen die Nichtverhängung eines Fahrverbotes. Die Generalstaatsanwaltschaft ist der Rechtsbeschwerde beigetreten.
II. Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 3 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist rechtzeitig eingelegt und form- und fristgerecht mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründet worden. Ihre Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch ist wirksam, weil die Feststellungen zur Tat eine hinreichende Grundlage für die Prüfung der Rechtsfolgenentscheidung bilden.
Die Rechtsbeschwerde hat auch Erfolg. Die Begründung, mit der das Amtsgericht von der Verhängung eines Fahrverbotes trotz Vorliegens eines Regelfalles für einen groben Verkehrsverstoß i.S.d. § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 2 Abs. 1 Nr. 1 BKatV in Verbindung mit Nr. 5.3.4. der Tabelle 1 a des Anhangs zu Nr. 5 der Anlage abgesehen hat, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Damit unterliegt der Rechtsfolgenausspruch wegen der Wechselwirkung von Fahrverbot und Geldbuße insgesamt der Aufhebung.
Das Amtsgericht hat die Entscheidung, von der Verhängung eines Fahrverbotes abzusehen, wie folgt begründet:
"Desweiteren sieht der Bußgeldkatalog bei einer derartigen Geschwindigkeitsübertretung außerorts die Verhängung eines einmonatigen Fahrverbotes vor. Die Verhängung eines solchen Fahrverbotes nach § 25 StVG kam im vorliegenden Fall nicht in Betracht.
Nach § 25 StVG ist ein Fahrverbot nur dann zu verhängen, wenn es sich bei dem Verkehrsverstoß um einen groben oder beharrlichen Verkehrsverstoß handelt. Ein solcher kann in der vorliegenden Geschwindigkeitsübertretung um 45 km/h nicht gesehen werden. Dies beruht auf den Besonderheiten der Meßstelle. Zwar dürfte regelmäßig bei einer Geschwindigkeitsübertretung von 45 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften von einem groben Verstoß im Sinne des § 25 StVG auszugehen sein. Im vorliegenden Fall jedoch handelt es sich bei der Meßstelle um eine Autobahn, die dreispurig ausgebaut ist und schnurgerade verläuft. Die Fahrstreifen sind lediglich unwesentlich, für den Autofahrer nicht erkennbar, verengt (zwischen 25 und 50 cm). Für den Pkw-Fahrer ergeben sich keinerlei erkennbare Gefahrenmomente, die ein Herabsetzen der Geschwindigkeit nahelegen.
Unter diesen Umständen ist in dem rein fahrlässigen Übersehen der Verkehrsbeschilderung ein grober Verstoß im Sinne der Vorschrift nicht zu sehen.
Von einem beharrlichen Verstoß im Sinne des § 25 StVG ist ebenfalls nicht auszugehen, da der Betroffene ausweislich der Auskunft des Kraftfahrt-Bundesamtes bisher verkehrsrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten ist."
Das Amtsgericht hat mit rechtsfehlerhafter Begründung das Vorliegen einer groben Pflichtverletzung i.S.d. § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG verneint und von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen.
Soweit nach der Bußgeldkatalogverordnung in den Fällen von § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG die Verhängung eines Fahrverbotes "in der Regel" in Betracht kommt, ist diese durch den Verordnungsgeber getroffene Regelung ebenso wie die durch die Rechtsprechung herausgearbeitete Handhabung grundgesetzkonform (vgl. BVerfG, DAR 1996, 196, 197 f.). Insoweit gilt, daß in diesen Fällen ein grober bzw. beharrlicher Pflichtverstoß indiziert ist, dessen Ahndung, abgesehen von besonderen Ausnahmefällen, der Verhängung eines Fahrverbotes als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme bedarf (Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 35. Auflage, § 25 StVG Rdnr. 15 b m.w.N.).
Hiervon kann nur abgesehen werden, wenn unter Berücksichtigung der konkreten und im einzelnen darzulegenden Umstände des Einzelfalles ausnahmsweise das Vorliegen einer groben Pflichtverletzung verneint wird (vgl. Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 35. Auflage, § 25 StVG Rdnr. 14 m.w.N.) oder wenn erhebliche Härten oder eine Vielzahl für sich genommen gewöhnlicher und durchschnittlicher Umstände gegeben sind, die das Tatgeschehen aus dem Rahmen der typischen Begehungsweise einer solchen Ordnungswidrigkeit im Sinne einer Ausnahme herausheben (Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 35. Auflage, § 25 StVG Rdnr. 15 b m.w.N.; BGH, NZV 117, 119; BayObLG, DAR 1994, 501).
Die vom Amtsgericht insoweit angeführte Begründung genügt diesen Anforderungen indes nicht.
Der von der Rechtsprechung herausgearbeitete Ausnahmefall, wonach bei einem nur auf leichter Fahrlässigkeit beruhenden, wenn auch objektiv schwerwiegenden Verstoß gegen Verkehrsvorschriften (sog. Augenblicksversagen durch leicht fahrlässiges Übersehen einer verkehrsbeschränkenden Beschilderung) ein grober Pflichtverstoß nicht angenommen werden kann (vgl. dazu BGH, NJW 1997, 3252, 3253), liegt nach den getroffenen Feststellungen gerade nicht vor. Das Amtsgericht hat dazu festgestellt, daß das die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 100 km/h beschränkende Verkehrszeichen (274) in dem hier in Rede stehenden Bereich mehrmals aufgestellt ist. Wenn der Betroffene alle aufgestellten geschwindigkeitsbeschränkenden Verkehrszeichen nicht wahrgenommen haben sollte - was allerdings angesichts der mehrmaligen Wiederholung nicht gerade naheliegt - hätte er die gebotene Aufmerksamkeit in grob pflichtwidriger Weise außer Acht gelassen (vgl. BGH NJW 1997, 3252, 3254) und damit auch subjektiv grob pflichtwidrig gehandelt.
Die Erwägungen zu den örtlichen Gegebenheiten und zur Gefährlichkeit des hier betroffenen Streckenabschnitts der Bundesautobahn A 1 sind ebenfalls nicht geeignet, die Entscheidung über das Absehen von der Verhängung eines Fahrverbotes zu tragen. Die Feststellungen dazu sind nicht nur in erheblichem Umfang unvollständig, sie stehen der getroffenen Entscheidung - zumindest bislang - sogar eher entgegen.
Die Verengung der Fahrstreifen um jeweils 25 cm bis 50 cm kann grundsätzlich zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit führen. Der Raum, der zur Verfügung steht, um mögliche seitliche Abweichbewegungen wieder auszugleichen, wird dadurch nämlich insbesondere gegenüber und zwischen Lastkraftwagen und Gespannen ganz erheblich verringert. Dazu kommt, daß die tatsächlich verbliebene Fahrbahnbreite nicht einmal mitgeteilt worden ist, keine Feststellungen zur Breite des Standstreifens getroffen worden sind und auch sonst Feststellungen dazu fehlen, ob möglicherweise aufgrund anderer Umstände eine erhöhte Gefahrenlage in diesem Streckenabschnitt besteht. Aus Rechtsgründen ist ebensowenig zureichend der vom Amtsgericht angeführte Umstand, daß sich in diesem Streckenabschnitt für den Autofahrer keine erkennbare Gefahrenlage ergebe. Gerade dieser Umstand der verringerten Erkennbarkeit einer objektiv vorhandenen Gefährlichkeit der Strecke kann ein Grund für die Anordnung der Geschwindigkeitsbeschränkung sein. Er ist deswegen - solange eine erhöhte Gefährlichkeit des Autobahnabschnitts nicht auszuschließen ist - nicht geeignet, das Verschulden in Bezug auf eine Zuwiderhandlung gegen die bestehende Verkehrsregelung in einem milderen Licht erscheinen zu lassen. Insoweit hat das Amtsgericht die erforderlichen konkreten Feststellungen - z.B. zur Unfallhäufigkeit - unterlassen. Dem Senat ist im übrigen aufgrund anderer diesen Streckenabschnitt betreffender Verfahren und damit aus dienstlicher Erfahrung bekannt, daß sich gerade dieser Streckenabschnitt trotz der angeordneten Geschwindigkeitsbeschränkung zumindest nicht durch eine unterdurchschnittliche Unfallhäufigkeit auszeichnet.
Schließlich sind die Erwägungen des Amtsgerichts zur Gefährlichkeit des Streckenabschnitts und der Fahrweise des Betroffenen auch deshalb unvollständig und damit rechtsfehlerhaft, weil nicht bedacht worden ist, daß sich gerade aus der großen Geschwindigkeitsdifferenz des Fahrzeugs des Betroffenen zu verkehrsgerecht fahrenden Fahrzeugführern von 45 km/h bei Pkw und sogar von 65 km/h bei Lkw und Gespannen eine erhöhte objektive Gefährlichkeit ergeben kann. Aufgrund der vorangegangenen mehrmaligen Wiederholung der die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 100 km/h beschränkenden Beschilderung werden andere Kraftfahrzeugführer mit Fahrzeugen, die die zulässige Höchstgeschwindigkeit so erheblich überschreiten, nicht ohne weiteres rechnen. Das begründet die Gefahr von Fehleinschätzungen und Fehlreaktionen der vorschriftsmäßig fahrenden Fahrzeugführer, z.B. bei etwaigen Überholvorgängen ihrerseits. Der mit der Geschwindigkeitsbeschränkung verbundene Zweck, durch eine Homogenisierung des Verkehrsflusses eine höhere Verkehrssicherheit zu erzielen, wird durch eine so beträchtliche Überschreitung der höchstzulässigen Geschwindigkeit empfindlich gestört.
Eine verfahrensabschließende Entscheidung gemäß § 79 Abs. 6 OWiG war dem Senat mangels ausreichender Feststellungen im angefochtenen Beschluß nicht möglich. Der angefochtene Beschluß war daher im Rechtsfolgenausspruch mit den hierzu getroffenen Feststellungen aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Amtsgericht Münster zurückzuverweisen. Das Amtsgericht wird auch eine Entscheidung über die Kosten der Rechtsbeschwerde zu treffen haben, weil der Erfolg des Rechtsmittels im Sinne des § 473 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG noch nicht feststeht.


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