Aktenzeichen: 4 Ss OWi 610/99 OLG Hamm
Senat: 4
Gegenstand: OWi
Stichworte: Aufhebung, Geschwindigkeitsüberschreitung, Nachfahren, Hinterherfahren, Dunkelheit, Nachtzeit, Erkennbarkeit, Lichtverhältnisse, Abstand 100 m
Beschluss: Bußgeldsache gegen H. K.,
wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung außerorts,
hier: Rechtsbeschwerde des Betroffenen.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Münster vom 23.03.1999 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 12.10.1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß §§ 79 Abs. 5 und 6 OWiG beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Münster zurückverwiesen.
Gründe: I. Durch das angefochtene Urteil ist gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft um 61 km/h ein Bußgeld in Höhe von 400,00 DM verhängt worden. Außerdem ist ihm für die Dauer von einem Monat untersagt worden, erlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge jeder Art im Straßenverkehr zu führen. Insoweit ist eine Anordnung nach § 25 Abs. 2 a StVG (Vollstreckungsaufschub von bis zu vier Monaten) getroffen worden. Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, die er rechtzeitig und formgerecht u.a. mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründet hat.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt wie erkannt.
II. Das zulässige Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.
Das Amtsgericht hat die Geschwindigkeitsüberschreitung, die der Betroffene am 03.11.1998 gegen 0.24 Uhr begangen haben soll, auf der Grundlage der Angaben der Polizeibeamten P. und S. festgestellt. Diese haben nach ihren Angaben durch Nachfahren mit ihrem Polizeifahrzeug über eine Strecke von 2.000 m bei Einhaltung eines gleichbleibenden Abstandes von ca. 100 m eine konstante Geschwindigkeit des Fahrzeugs des Betroffenen von 190 km/h von ihrem justierten Tachometer abgelesen. Von diesem Meßwert hat das Amtsgericht als Toleranz zum Ausgleich von Meßungenauigkeiten 15% abgezogen und so eine vorwerfbare Geschwindigkeitsüberschreitung von 61 km/h bei erlaubten 100 km/h ermittelt.
Da vorliegend die Geschwindigkeitsmessung zur Nachtzeit durchgeführt worden ist und deshalb die Einhaltung eines gleichbleibenden Abstandes zwischen dem Fahrzeug des Betroffenen und dem diesem nachfolgenden Polizeifahrzeug infolge der Dunkelheit besonderen Schwierigkeiten unterlag, hätte es in den Urteilsgründen näherer Feststellungen über die Beleuchtungsverhältnisse sowie über die Erkennbarkeit des vorausfahrenden Fahrzeuges und dessen Abstandes bedurft; denn nur dann ist die Zuverlässigkeit der erfolgten Messung hinreichend dargelegt (vgl. Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 25. Aufl., RN 62 zu § 3 StVO; Burhoff in DAR 1996, 381; Senatsbeschlüsse vom 06.05.1999 - 4 Ss OWi 465/99 - und vom 04.02.1999 - 4 Ss OWi 49/99; OLG Oldenburg, ZfS 1996, 315, jeweils mit weiteren Nachweisen). Bei einem Abstand wie hier von 100 m kann nämlich ohne besondere Feststellungen angesichts der Reichweite des Abblendlichts nicht davon ausgegangen werden, daß die Rückseite des vorausfahrenden Kraftfahrzeugs des Betroffenen durch die Scheinwerfer des nachfolgenden Polizeifahrzeuges aufgehellt war oder etwa aufgrund anderer Lichtquellen die Silhouette des Fahrzeugs für die Polizeibeamten erkennbar war, so daß der gleichbleibende Abstand ausreichend sicher erfaßt und geschätzt werden konnte. Die von der obergerichtlichen Rechtsprechung zur Feststellung einer Geschwindigkeitsüberschreitung zur Nachtzeit außerhalb geschlossener Ortschaften entwickelten Grundsätze hat das Amtsgericht somit nicht ausreichend berücksichtigt.
Deshalb war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht, auch zur Entscheidung über die Kosten der Rechtsbeschwerde, zurückzuverweisen.
Für die neue Hauptverhandlung ist anzumerken, daß das angefochtene Urteil auch bezüglich der Entscheidung über die Verhängung eines Fahrverbotes einen durchgreifenden Begründungsmangel enthält. Aus den Urteilsgründen muß sich nämlich ergeben, daß sich das Gericht der Möglichkeit bewußt war, gegebenenfalls von der Verhängung eines Fahrverbotes, möglicherweise auch unter Erhöhung der Geldbuße, absehen zu können. Ausführungen hierzu fehlen jedoch in dem angefochtenen Urteil. Der Senat weist allerdings weiter darauf hin, daß die Örtlichkeit, an der der Betroffene die Ordnungswidrigkeit begangen haben soll, ein Absehen von der Verhängung eines Regelfahrverbotes allein wegen des Anlasses der Geschwindigkeitsbeschränkung (verengte Fahrstreifen) kaum rechtfertigen kann. Das hat der Senat bereits in seinem Beschluß vom 05.08.1999 - 4 Ss OWi 714/99 - näher dargelegt.
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