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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 4 Ss OWi 995/99 OLG Hamm

Senat: 4

Gegenstand: OWi

Stichworte: Geschwindigkeitsüberschreitung, standardisiertes Meßverfahren, Angabe des Meßverfahrens, Nichtbestreiten, Geständnis, Nachweis der Täterschaft, Identifizierung, Verweisung auf Libi, Foto, Identifizierung, lückenhafte Urteilsgründe

Normen: StPO 267 Abs. 1 Satz 3

Beschluss: Bußgeldsache gegen A. B.
wegen Zuwiderhandlung gegen § 3 StVO.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Paderborn vom 30.06.1999 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 21.10.1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht Paderborn zurückverwiesen.

Gründe: Das Amtsgericht Paderborn hat gegen den Betroffenen wegen eines "Verstoßes gegen die §§ 3 III, 49 StVO" eine Geldbuße von 200,00 DM festgesetzt und ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats verhängt. Nach den Urteilsfeststellungen befuhr der Betroffene am 17.09.1998 mit dem PKW Typ Daimler Benz mit dem amtlichen Kennzeichen HI-EZ 691 gegen 11.26 Uhr die Bundesstraße 64 in Delbrück in Fahrtrichtung Paderborn "unter Überschreitung der dort zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h. Nach Abzug der Toleranz von 5 km/h betrug die vom Betroffenen gefahrene Geschwindigkeit 141 km/h."
Zur Einlassung des Betroffenen hat das Amtsgericht ausgeführt:
"Der Betroffene hat im Rahmen seiner Einlassung die Richtigkeit der Geschwindigkeitsmessung zur Vorfallszeit nicht bestritten. Gegen die Richtigkeit der Geschwindigkeitsmessung wurden keinerlei Bedenken erhoben. Auch räumt der Betroffene ein, dass es sich bei dem fotografierten Fahrzeug Daimler Benz mit dem amtlichen Kennzeichen HI-EZ 691 um ein Fahrzeug handelt, welches ihm von der Firma Extra-Verbrauchermärkte zur alleinigen Nutzung überlassen wurde. Zu seiner Verteidigung ließ sich der Betroffene jedoch dahingehend ein, dass er sich an den Vorfall nicht erinnern könne. Er selbst könne sich auf dem zur Vorfallszeit gefertigten Foto nicht erkennen. Es könne sich jedoch bei dem Fahrer des Wagens durchaus um einen seiner Söhne L. oder T.B. handeln. Es käme gelegentlich schon einmal vor, dass er sein Fahrzeug an einen dieser Söhne verleihe."
Der Betroffene wendet sich mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gegen seine Verurteilung.
Das Rechtsmittel hat bereits mit der materiellen Rüge Erfolg. Es führt - wie von der Generalstaatsanwaltschaft beantragt - zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.
Das Urteil wird bereits nicht den Anforderungen gerecht, die die obergerichtliche Rechtsprechung an die Darstellung der ordnungsgemäßen Geschwindigkeitsmessung mit standardisierten Messverfahren stellt. Hiernach hat der Tatrichter in den Urteilsgründen zumindest das angewandte Messverfahren anzugeben (BGH NZV 93, 485 ff.; OLG Köln NZV 1994, 78 ff.). In den Urteilsgründen ist jedoch nicht hinreichend mitgeteilt, wie die Geschwindigkeit des Betroffenen gemessen worden ist. Daraus, dass im Rahmen der Ausführungen von einem Foto die Rede ist, kann nicht hinreichend sicher auf die Messmethode geschlossen werden, da Lichtbilder nicht nur bei der Verkehrsüberwachung mit Radar oder mit stationären Überwachungsanlagen mit elektrischen Fahrbahnsensoren (z.B. Traffiphot-S, sogenannten "Starenkasten"), sondern auch sonst anlässlich einer Geschwindigkeitsermittlung angefertigt werden können. Auch die Erwähnung eines Eichscheines, eines Wartungszertifikats und einer Prüfbescheinigung gibt über die Messmethode keinen sicheren Aufschluss. Zwar ist in dem angefochtenen Urteil von einem "Abzug der Toleranz von 5 km/h" die Rede. Ob ein dahingehender Toleranzabzug mögliche Fehlerquellen bei der Messung ausreicht, lässt sich allerdings nur beurteilen, wenn das angewandte Messverfahren mitgeteilt wird.
Das Amtsgericht hat offenbar dahingehende Feststellungen und Erwägungen unterlassen, weil der Betroffene die Geschwindigkeitsmessung zur Vorfallszeit nicht bestritten bzw. keinerlei Bedenken dagegen erhoben hat. Möglicherweise hat das Amtsgericht - was rechtsirrtümlich wäre - angenommen, ein dahingehendes Geständnis des Betroffenen zwinge nicht zu näheren Feststellungen. Die früher in der Rechtsprechung teilweise - insbesondere durch das Oberlandesgericht Düsseldorf - vertretende Auffassung, die Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit um einen bestimmten Wert könne nicht auf einem Geständnis beruhen (zu vgl. OLG Düsseldorf in VRS 70, 22; 81, 56; 82, 50), ist zwar auf Vorlagebeschluss des Oberlandesgerichts Köln (VRS 84, 112) in dieser Form durch den Bundesgerichtshof nicht geteilt worden (vgl. BGH, NJW 1993, 3081 ff.); vielmehr ist ein Geständnis dann verwertbar, wenn es auf eigener sicherer Erkenntnis oder eigener zuverlässiger Schätzung beruht. Dagegen reicht es nicht aus, dass der Betroffene den Vorwurf lediglich einräumt (OLG Düsseldorf in NZV 1994, 241). Das gilt erst recht, wenn er - wie hier - geltend macht, möglicherweise nicht der Fahrer gewesen zu sein und sich an den Vorfall selbst nicht erinnern zu können. Es hätte daher der Klarstellung in den Urteilsgründen bedurft, ob und gegebenenfalls welche Angaben der Betroffene aus eigenem Wissen zur Höhe der gefahrenen Geschwindigkeit gemacht hat. Dahingehende Ausführungen sind jedoch den Urteilsgründen nicht zu entnehmen.
Schließlich halten auch die Feststellungen zur Täterschaft des Betroffenen einer rechtlichen Nachprüfung nicht Stand. Die Darlegung im angefochtenen Urteil zur Identifizierung des Betroffenen anhand des bei der Verkehrsüberwachungsmaßnahme gefertigten Fotos stehen nicht im Einklang mit den von der Rechtsprechung insoweit entwickelten Anforderungen (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 10.04.1997 in 3 Ss OWi 393/97; Beschluss vom 11.11.1997 in 2 Ss OWi 1335/97; OLG Oldenburg, VRS 87, 202). Das Amtsgericht durfte sich nicht mit der Auflistung allgemein gehaltener charakteristischer Merkmale begnügen, aufgrund derer es die Überzeugung von der Identität des Betroffenen mit dem abgebildeten Fahrer gewonnen hat, weil auf das bei den Akten befindliche Beweisfoto nicht prozessordnungsgemäß verwiesen worden ist. Hat der Tatrichter im Bußgeldverfahren wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit anhand eines bei einer Verkehrsüberwachungsmaßnahme gefertigten Beweisfotos die Überzeugung erlangt, dass der Betroffene und die abgebildete Person identisch sind, so stehen ihm hinsichtlich der Abfassung der Urteilsgründe grundsätzlich zwei Möglichkeiten zur Verfügung. Zum einen kann er im Urteil gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf ein zur Identifizierung generell geeignetes Foto verweisen. Im Regelfall bedarf es dann keiner näheren Ausführungen mehr dazu, was auf dem Bild wie dargestellt ist. Bestehen allerdings nach Inhalt und Qualität des Fotos Zweifel an seiner Eignung als Grundlage für eine Identifizierung, so muss der Tatrichter angeben, aufgrund welcher - auf dem Foto erkennbaren Identifizierungsmerkmale er die Überzeugung von der Identität des Betroffenen mit dem abgebildeten Fahrzeugführer gewonnen hat.
Zum anderen muss das Urteil wenn eine prozessordnungsgemäße Verweisung auf das Beweisfoto unterbleibt - Ausführungen zur Bildqualität enthalten und die abgebildete Person oder jedenfalls mehrere charakteristische Identifizierungsmerkmale so präzise beschreiben, dass dem Rechtsmittelgericht anhand der Beschreibung in gleicher Weise wie bei der Betrachtung des Fotos die Prüfung ermöglicht wird, ob dieses zur Identifizierung geeignet ist (vgl. BGH NZV 1996, 157, Senatsbeschlüsse vom 30.12.1997 in 4 Ss OWi 1448/97 sowie vom 19.02.1998 in 4 Ss OWi 120/98).
Im vorliegenden Fall hat der Tatrichter von der Verweisung auf das Tatfoto abgesehen. Damit steht dem Rechtsmittelgericht das Foto als Anschauungsobjekt nicht zur Verfügung. Es genügt daher nicht, wenn der Tatrichter lediglich das Ergebnis seiner Überzeugungsbildung in den Urteilsgründen mitteilt und die von ihm zur Identifizierung herangezogenen anatomischen und sonstigen Merkmale lediglich auflistet. Vielmehr müssen in diesem Fall die Urteilsgründe - wie oben ausgeführt - so beschaffen sein, dass dem Rechtsbeschwerdegericht anhand einer ausführlichen und präzisen Beschreibung des (oder der) zur Identifizierung herangezogenen Fotos in gleicher Weise wie bei der Betrachtung die Prüfung der Ergiebigkeit des Fotos ermöglicht wird (vgl. BGH a.a.O.). Diesen aufgezeigten Anforderungen genügt das vorliegende Urteil schon deshalb nicht, weil jegliche Angaben zur Qualität des Beweisfotos fehlen. Der Hinweis in den Urteilsgründen, dass das Foto für einen Vergleich mit dem Betroffenen "verwertbar" sei, reicht nicht aus. Er stellt lediglich die Wertung des Amtsgerichts dar, belegt diese jedoch nicht mit festgestellten Tatsachen.
Die aufgezeigten Mängel führen zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz, die auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde zu befinden hat, weil der Erfolg des Rechtsmittels im Sinne der §§ 473 StPO, 76 Abs. 1 OWiG noch nicht feststeht.


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