Aktenzeichen: 4 Ss OWi 867/99 OLG Hamm
Senat: 4
Gegenstand: OWi
Stichworte: Arbeitnehmerentsendegesetz, Leiharbeiter, Lohnhöhe, Mindestlohn
Normen: AEntG 1 Abs. 2; AEntG 5 Abs. 1 Nr. 1 a
Beschluss: Bußgeldsache gegen C.W.,
wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 2 a i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 a AEntG.
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Paderborn vom 14.06.1999 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 06.12.1999 durch den Richter am Landgericht als Einzelrichter gemäß § 80 a Abs. 2 Nr. 1 OWiG auf Antrag der Staatsanwaltschaft nach Anhörung der Betroffenen gemäß §§ 79 Abs. 3 OWiG, 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde wird verworfen.Die Betroffene trägt die Kosten des Rechtsmittels.
Gründe: I. Die Betroffene ist durch das Amtsgericht Paderborn am 14.06.1999 wegen "eines fahrlässigen Verstoßes gegen § 1 Abs. 2 a Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 a AEntG" zu einer Geldbuße von 1.000,- DM verurteilt worden.Das Amtsgericht hat dazu im wesentlichen folgendes ausgeführt:Die Betroffene ist Inhaberin der Firma Man Transfer aus Zwickau, die nach eigenen Angaben etwa 40 Leiharbeiter beschäftigt und an andere Firmen vermittelt. Dort war der Zeuge K, der gelernter Gas- und Wasserinstallateur ist, seit dem 10.03.1997 als Leiharbeitnehmer beschäftigt und von der Betroffenen an die Firma Epowit Bautechnik GmbH aus Kalbach ausgeliehen. Von jener war er seit dem 07.09.1998 bis jedenfalls zum 10.11.1998 in Bad Driburg an der Klinik Rosenberg mit Betonsanierungsarbeiten beschäftigt. Der ihm gezahlte Bruttoarbeitslohn betrug 14,- DM. Der Mindestlohn nach Tarifvertrag vom 17.07.1997 für den Bereich der Arbeitnehmer des Baugewerbes für den Zeitraum vom 01.09.1997 bis 31.08.1999 betrug dort 16,- DM pro Stunde. Daraus errechnet das Amtsgericht für den genannten Zeitraum eine Mindestlohnunterschreitung von "über 500,- DM". Es ist zugunsten der Betroffenen davon ausgegangen, dass "diese weder wusste, daß ein Mindestlohn für den Zeugen K. einzuhalten war, noch sich hinreichend über die Art der vom Zeugen K. ausgeführten Arbeiten unterrichtet hatte, so daß sie sich einen Überblick über eventuelle tarifvertragliche Vereinbarungen hätte verschaffen können".
Gegen dieses Urteil hat die Betroffene rechtzeitig Rechtsbeschwerde eingelegt und ihr Rechtsmittel fristgerecht mit der Verletzung materiellen Rechts begründet. Sie meint, dass das Arbeitnehmer-Entsendegesetz auf Arbeitsverhältnisse oder Arbeitnehmerüberlassungsverträge zwischen inländischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern generell unanwendbar sei. Sie ist ferner der Ansicht, dass das Amtsgericht fehlerhaft die Geltung des Tarifvertrages für das Bauhauptgewerbe bejaht habe und rügt überdies, dass das Urteil hinsichtlich der Feststellungen zur Begründung des Fahrlässigkeitsvorwurfes widersprüchlich sei.
Sie beantragt das amtsgerichtliche Urteil mit den ihm zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt die Rechtsbeschwerde gemäß § 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG als unbegründet zu verwerfen.
II. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Die Urteilsgründe tragen den Schuldspruch wegen eines fahrlässig begangenen Verstoßes gegen § 1 Abs. 2 a i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 a des Gesetzes über zwingende Arbeitsbedingungen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen (Arbeitnehmer-Entsendegesetz - AEntG - vom 26.02.1996 in der zur Tatzeit geltenden Fassung des ersten Gesetzes zur Änderung des 3. Buches des Sozialgesetzbuches und anderer Gesetze vom vom 16.12.1997 (BGBl. 1997 I S. 2970 ff., (2985)).
Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz erfasst auch die Entsendung deutscher Arbeitnehmer, die bei inländischen Arbeitgebern beschäftigt sind und Arbeiten außerhalb des räumlichen Geltungsbereiches des eigenen Tarifvertrages ausüben. § 1 Abs. 2 a AEntG stellt insoweit klar, dass dies auch im Falle von Leiharbeitsverhältnissen gilt. Erfaßt wird daher die hier vorliegende Beschäftigung des Zeugen K.. Dessen Beschäftigung als Leiharbeitnehmer erfolgte nicht nur außerhalb des Sitzes des von der Betroffenen geführten Betriebes in Zwickau sondern - was entscheidend ist - außerhalb des für die "Neuen Bundesländer" geltenden Tarifvertrags. Der Zeuge arbeitete in Bad Driburg und folglich im Geltungsbereich des hiesigen für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrages für das Baugewerbe. Den dort vorgesehenen Mindestlohn von 16,- DM pro Stunde hat die Betroffene nicht gezahlt.
Der Ansicht der Betroffenen, das Arbeitnehmer-Entsendegesetz sei auf inländische Arbeitsverhältnisse unanwendbar, steht schon der Gesetzeswortlaut, insbesondere die Sätze 3 und 4 des § 1 Abs. 1 AEntG, die in § 1 Abs. 2 a AEntG in Bezug genommen werden, entgegen. Auch der Gesetzeszweck kann nicht herangezogen werden, um einen Ausschluss deutscher Arbeitgeber aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes zu begründen. Die Regelung dient nämlich nicht der Priviligierung inländischer Arbeitgeber gegenüber ausländischen Unternehmern, sondern deren Gleichbehandlung. Eine solche Gleichstellung erfordert aber insbesondere auch, dass die Bußgeldbewährung bei Verstößen gegen tarifliche Bestimmungen in Fällen von allgemein verbindlich erklärten Tarifverträgen auch deutsche Arbeitgeber trifft. Der Hinweis darauf, dass deutsche Tarifverträge derartige Sanktionen nicht enthalten, ist ohne Belang. So ist es Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, hinsichtlich welcher Verstöße er die Ahndung als Ordnungswidrigkeiten für erforderlich erachtet.
Entscheidender jedoch ist, dass es der Ahndung von Verstößen inländischer Arbeitgeber gerade bedurfte, weil anderenfalls der diskriminierende Charakter des AEntG und damit die Unvereinbarkeit des Gesetzes mit Artikel 59, 60 EGV auf der Hand läge. Daher heißt es insoweit schon im Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 25.09.1995 (Bundestagsdrucksache 13/2414, Seite 9) zur Anwendbarkeit des Gesetzes auf inländische Arbeitgeber, dass die Sätze 3 und 4 des § 1 AEntG zwar keinen neuen Regelungsgehalt hinsichtlich der Geltung tarifvertraglicher Bestimmungen für inländische Arbeitgeber enthalten, jedoch deren Aufnahme in den Sätzen 3 und 4 den rechtlich erforderlichen Anknüpfungspunkt für die in § 4 (a.F.) enthaltende Bußgeldbewährung bieten (vgl. auch: Junker-Wiechmann NZA 1996, 506, 510; Hanau NJW 1996, 1369 (1370) und NZA 1998, 218; Ambs in Erbs-Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, (A 182) AEntG § 5 Rdnr. 7 i.V.m. § 1 Rdnr. 2; Koberski/Sahl/Holt, Arbeitnehmer-Entsendegesetz, 1997, § 1 AEntG Rdnr. 6 und Rdnr. 26, dort: d)). Auch die seitens der Betroffenen angeführte Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 03.06.1998 (NZA 1998, 1286) steht der Anwendung des Gesetzes gerade im vorliegenden Fall nicht entgegen. Denn dort ist exakt die hier vorliegende Konstellation des § 1 Satz 4 AEntG als der Fall benannt, in dem das Gesetz auch auf inländische Arbeitgeber Anwendung findet; daher ist auch für eine Vorlageentscheidung nach § 121 Abs. 2 GVG kein Raum. Schließlich betreffen auch die Vorlagefragen des Amtsgerichts Wiesbaden (NZA-RR 1998, 217 ff.) keine hier relevanten Fragen, so dass auch die ausstehende Entscheidung des EUGH der Anwendbarkeit des Gesetzes einer Entscheidung hier nicht entgegensieht.
2) Die Rechtsbeschwerde rügt auch ohne Erfolg, daß mangels Durchführung von Betonsanierungsarbeiten das Vertragsverhältnis vorliegend nicht dem Geltungsbereich des Tarifvertrages für das Baugewerbe unterfalle. Festgestellt hat das Amtsgericht nämlich eine Beschäftigung des Zeugen K. bei einer Ausbesserung schadhafter Betonstellen bei der Sanierung von Balkonen und Betonbrüstungen. Insoweit handelt es sich rechtlich um Betonschutz und Betonsanierung i.S.d. § 1 Abs. 2 Nr. 4 BaubetriebeVO, so dass auch insoweit das Amtsgericht rechtlich zutreffend von der Geltung des für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrages für das Baugewerbe ausgegangen ist (vgl. Koberski/Sahl/Hold, a.a.O., § 1 AEntG Rdnr. 28 ff, 30 f). Soweit die Rechtsbeschwerde sich gegen die tatsächlichen Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils wendet, rügt sie in unzulässiger Weise die auf hinreichend tragfähige Feststellungen gestützte Beweiswürdigung des Tatgerichts.
3) Fehl gehen ebenfalls die Angriffe der Rechtsbeschwerde gegen den bejahten Fahrlässigkeitsvorwurf. Die diesbezüglichen Feststellungen sind insbesondere nicht widersprüchlich. Die Feststellung des amtsgerichtlichen Urteils, dass "zugunsten der Betroffenen davon auszugehen sei, daß diese weder wusste, daß ein Mindestlohn für den Zeugen K. einzuhalten war noch sich hinreichend über die Art der vom Zeugen K. ausgeführten Arbeiten unterrichtet hatte", dient ersichtlich dazu, ein vorsätzliches Handeln der Betroffenen auszuschließen. Die getroffenen Feststellungen tragen die Annahme fahrlässigen Handelns, weil für die Betroffene eine umfassende Informationspflicht hinsichtlich der einzuhaltenden Gesetze in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht bestand. Insoweit entlasten sie weder die vertraglich mit dem entleihenden Unternehmen getroffene Vereinbarung noch die von diesem ihr diesbezüglich vorgelegten Unterlagen. Die Betroffene war vielmehr verpflichtet, sich selbst durch konkrete Nachfrage bei ihrem Mitarbeiter während der laufenden Beschäftigung dahin Gewissheit zu verschaffen, welche Arbeit von ihm tatsächlich ausgeübt wird. Hinsichtlich der rechtlichen Anwendbarkeit des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes fällt ihr fahrlässiges Handeln schon deshalb zur Last, weil sie die Einholung entsprechender Auskünfte gänzlich unterlassen hat (vgl. Ambs in Erbs-Kohlhaas, a.a.O., § 5 AEntG Rdnr. 30 m.w.N.).
Da auch der Rechtsfolgenausspruch Rechtsfehler nicht erkennen lässt, war die Rechtsbeschwerde gemäß § 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG als unbegründet zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 StPO.
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