Aktenzeichen: 4 Ws 477/99 OLG Hamm
Senat: 4
Gegenstand: vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, vorläufige Entziehung durch das Berufungsgericht, abweichende Beurteilung der Rechtslage, abweichende Beurteilung der Beweislage, neue Tatsachen, neue Beweismittel, öffentliche Verkehrsfläche
Normen: StPO 111 a StGB 316
Beschluss: Strafsache gegen J.S.,
wegen Trunkenheit im Verkehr,
hier: Beschwerde des Angeklagten gegen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis.
Auf die Beschwerde des Angeklagten vom 28.10.1999 gegen die durch Beschluss der Strafkammer II des Landgerichts Detmold vom 15.10.1999 angeordnete vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 14.12.1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht , die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht Anhörung der nach Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Der Beschluss des Landgerichts Detmold vom 15.10.1999 wird aufgehoben,
nach soweit er die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis betrifft.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der insoweit dem Angeklagten
entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe: I. Das Amtsgericht Paderborn hat durch Urteil vom 02.07.1999 den Angeklagten
vom Vorwurf der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr freigesprochen. Mit Beschluss
vom selben Tag hat es seinen Beschluss vom 29.03.1999, mit dem es dem
Angeklagten die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen gemäss § 111 a StPO
vorläufig entzogen hatte, aufgehoben und dem Angeklagten den Führerschein wieder
ausgehändigt. Es hat festgestellt, dass der Angeklagte am 16.03.1999 mit einem
PKW den Privatpatkplatz des Hotels Lindenhof in Bad Meinberg befuhr und von dort in
die Straße Allee abbiegen wollte. Die Einlassung des Angeklagten, er habe, da es kalt
gewesen sei, in dem Wagen lediglich bei laufendem Motor auf ein herbeigerufenes Taxi
gewartet, hat das Amtsgericht aufgrund der Beweisaufnahme für widerlegt erachtet.
Ohne dass in dem Urteil Feststellungen zu einer Alkoholaufnahme des Angeklagten oder
zu einem Blutalkoholbefund getroffen sind, heißt es darin weiter:
"Die festgestellte Handlung des Angeklagten erfüllt nicht den Tatbestand der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr nach § 316 Abs. I, II StGB.
Es konnte hier offen bleiben, ob der Angeklagte das Fahrzeug in alkoholisiertem Zustand führte, da er ein Kraftfahrzeug jedenfalls nicht im Verkehr führte. Das Führen eines Kraftfahrzeuges im Verkehr setzt voraus, daß das Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr geführt wird. Dies ist nach Auffassung des Gerichts vorliegend nicht der Fall, da der Angeklagte sein Fahrzeug nur auf dem Hotelparkplatz des Hotels Lindenhof bewegte. Der Privatparkplatz eines Hotels zählt nach Auffassung des Gerichts nur dann zum öffentlichen Straßenverkehr, wenn der Parkplatz der Allgemeinheit beziehungsweise allgemein bestimmten Gruppen von Benutzern zur Verfügung steht.
Dies ist vorliegend nicht der Fall, da der Privatparkplatz eines Hotels ausschließlich dazu dient, die Fahrzeuge der Hotelgäste aufzunehmen. Infolgedessen steht diese Fläche nicht der Allgemeinheit oder einer allgemein bestimmten Gruppe von Benutzten (gemeint ist Benutzern) zur Verfügung.
Gegen das Urteil hat die Staatsanwaltschaft rechtzeitig Berufung eingelegt. Die Ladung zum Berufungshauptverhandlungstermin konnte dem Angeklagten unter seiner früheren Anschrift nicht zugestellt werden. Seine Verteidigerin teilte mit Schriftsatz vom 07.10.1999 mit, dass ihr Mandant ins Ausland verzogen und seine Anschrift nicht ermittelbar sei. Daraufhin entzog das Landgericht Detmold am 15.10.1999 dem Angeklagten erneut vorläufig die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen, ordnete die öffentliche Zustellung des Beschlusses an und stellte das Verfahren gemäß § 205 StPO ein. Es führte zur Begründung aus, es seien dringende Gründe für die Annahme vorhanden, dass dem Angeklagten im Falle einer durchführbaren Hauptverhandlung die Fahrerlaubnis endgültig entzogen werde. Er habe nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis am 16.03.1999 gegen 22. 40 Uhr mit seinem PKW den Parkplatz des Hotels Lindenhof befahren, die ihm um 23.10 Uhr entnommene Blutprobe habe einen Blutalkoholgehalt von 2,179 o/oo ergeben. Der Parkplatz sei gerichtsbekannt. Es handele sich um öffentlichen Verkehrsraum. Der Parkplatz sei von der Straße Allee zu erreichen und eine Abgrenzung zu dem öffentlichen Verkehrsraum bestehe nicht.
Mit seiner im einzelnen näher begründeten Beschwerde wendet sich der Angeklagte gegen die erneute vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis.
II. Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Das Berufungsgericht ist grundsätzlich nicht befugt, die Fahrerlaubnis allein auf Grund seiner eigenen, von denjenigen der Vorinstanz abweichenden Beurteilung der Rechts- oder der Beweislage erneut zu entziehen. Dies ergibt sich aus der in § 111 a Abs. 2, 2. Halbsatz StPO niedergelegten Wertung des Gesetzgebers, wonach die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis u.a. dann aufzuheben ist, wenn das erstinstanzliche Gericht im Urteil die Fahrerlaubnis nicht entzieht (vgl. Karlsruher Kommentar-Nack, StPO, 4. Auflage 1999, § 111 a StPO Rdnr. 8 m.w.N.). Das Berufungsgericht darf in Ausnahme von diesem Grundsatz die Fahrerlaubnis jedenfalls bis zum Berufungsurteil nur dann erneut vorläufig entziehen, wenn es seine Entscheidung auf neue Tatsachen oder Beweismittel stützen kann (OLG Karlsruhe, VRS 68, 360 361; BVerfGE NJW 1995, 124; Karlsruher Kommentar-Nack, a.a.O., § 111 a StPO Rdnr. 8 Kleinknecht/ Meyer-Goßner, StPO, 44. Auflage 1999, § 111 a StPO Rdnr. 13). Das ist hier für die entscheidungsrelevante Frage, ob der Hotelparkplatz ganz oder zumindest dort als öffentliche Verkehrsfläche anzusehen ist, wo der Angeklagte in seinem Fahrzeug von dem Zeugen Lindheim gesehen wurde, nicht der Fall. Die bloße Erwägung der Strafkammer, der Parkplatz sei gerichtsbekannt, enthält weder eine neue Tatsache noch ein neues Beweismittel, zu Lasten des Angeklagten. Auch der Amtsrichter hat bereits in der erstinstanzlichen Beweisaufnahme Feststellungen zu Art, Lage und Nutzung des Parkplatzes getroffen. Dass die von der Strafkammer herangezogenen gerichtsbekannten Umstände, die ersichtlich nur die Lage und sonstigen örtlichen Gegebenheiten des Platzes betreffen, von den dem amtsgerichtlichen Urteil zugrunde liegenden abweichen, ist nicht erkennbar. Im Kern hat die Strafkammer vielmehr lediglich den rechtlichen Charakter ein und derselben Fläche in Bezug auf die Frage der Öffentlichkeit des Verkehrsraumes anders als das Amtsgericht bewertet. Eine derartige bloße abweichende Rechtsansicht ermöglicht aber nicht die erneute Verhängung einer Maßnahme nach § 111 a StPO vor Durchführung der Berufungsverhandlung. Im übrigen ist insoweit anzumerken, dass es für die rechtliche Bewertung von Flächen, die wie der hier zu beurteilende Hotelparkplatz auf privatem Gelände liegen, nicht allein auf den Gegenstand der Gerichtskundigkeit, nämlich die bloße Örtlichkeit ankommt. Vielmehr ist auch von Bedeutung, ob und ggf. in welchem Umfang und zu welchem Zweck der Eigentümer die Nutzung der Fläche Dritten gestattet hat. Des weiteren kann es darauf ankommen, wie der Platz tatsächlich genutzt wird und ob gegen eine Benutzung durch Nichtberechtigte etwa eingeschritten wird. Hierzu enthält der angefochtene Beschluss allerdings keine Ausführungen.
Demgemäß war er im Umfang der Anfechtung aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 473 Abs. 3 StPO.
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