Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

Rechtsprechung


Aktenzeichen: 5 Ss 962/99 OLG Hamm

Senat: 5

Gegenstand: Revision

Stichworte: Teileinstellung, Aufhebung im Rechtsfolgenausspruch wegen Gesamtstrafenbildung, Taten nicht von Anklage erfaßt, Gegenstand des Urteils, Urteil über Anklage, Verfolgungswille der StA, Anfechtbarkeit einer fehlenden Kostenentscheidung, Anklagezeitraum

Normen: StPO 154 Abs. 2, StPO 464 Abs. 3 Satz 1

Beschluss: Strafsache gegen E.H.,
wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz.

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der XVII. erweiterten kleinen Strafkammer des Landgerichts Dortmund vom 02.06.1999 hat der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 14.12.1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht und nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Angeklagten bzw. seines Verteidigers einstimmig beschlossen:

Das Verfahren wird - unter entsprechender teilweiser Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Urteils des Amtsgerichts (erweitertes Schöffengericht) Unna vom 15.12.1998 - eingestellt, soweit es den Vorwurf des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 12 Fällen in der Zeit zwischen 6. und 8. 1997 (II 2 b der Gründe des angefochtenen Urteils) betrifft. Insoweit werden die ausscheidbaren Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse auferlegt.
Im verbleibenden Umfang wird das angefochtene Urteil unter Verwerfung der Revision im Übrigen hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs, soweit die Bildung einer Gesamtstrafe betroffen ist, mit den hierzu getroffenen Feststellungen aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten im Übrigen - an eine andere erweiterte kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen.

Gründe: I. Die Staatsanwaltschaft Dortmund hat gegen den Angeklagten unter dem 15.07.1998 vor dem Amtsgericht - Schöffengericht - Unna Anklage erhoben. Darin hat sie dem Angeklagten u.a. vorgeworfen:
"4. - 33.
Im Juni 1997 verkaufte der Angeschuldigte dem gesondert verfolgten J.W. täglich, also bei 30 Gelegenheiten, jeweils 50 bis 70 Gramm Haschisch für 5, -- DM pro Gramm. Die Verkäufe fanden am Markt in Kamen statt."
Mit Beschluss vom 23.10.1998 hat das Amtsgericht Unna die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren vor dem erweiterten Schöffengericht eröffnet.
In der Hauptverhandlung hat das Amtsgericht am 15.12.1998 u.a. beschlossen:
"Auf Antrag der Staatsanwaltschaft werden ferner die Taten 4 bis 33 der Anklage gemäß § 154 StPO eingestellt, soweit dem Angeklagten 15 Taten zur Last gelegt werden."
Am selben Tag hat es den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Haschisch in 18 Fällen und wegen Besitzes einer nicht geringen Menge Haschisch zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Hiergegen hat der Angeklagte Berufung eingelegt.
Die Strafkammer des Landgerichts Dortmund hat in der Hauptverhandlung am 02.06.1999 u.a. folgenden Beschluss verkündet:
"Der Antrag des Verteidigers auf Feststellung, dass das Verfahren hinsichtlich der Taten 4 bis 33 der Anklage durch den Beschluss des Amtsgerichts Unna vom 15.12.1998 gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt sei, wird zurückgewiesen.
Gründe:
Das Amtsgericht hat eine Verfahrenseinstellung bezüglich der Taten Nr. 4 bis 33 der Anklage nicht insgesamt, sondern nur wegen 15 der insoweit angeklagten Taten vorgenommen. Das folgt zwanglos aus der vom Amtsgericht gewählten Formulierung: "Verfahrenseinstellung nur, soweit dem Angeklagten 15 Taten zur Last gelegt werden" und erschließt sich im Übrigen aus der ersichtlichen Reaktion des Amtsgerichts auf die Aussage des Zeugen W., er habe 4 bis 5 Mal am Markt und 10 bis 20 Mal in der Wohnung von dem Angeklagten Haschisch gekauft. Ersichtlich wollte das Amtsgericht das Verfahren mit der Teileinstellung auf die von dem Zeugen W. angegebenen Mindestverkaufsfälle begrenzen."
Mit Urteil vom 02.06.1999 hat die Strafkammer das amtsgerichtliche Urteil unter Verwerfung der Berufung im Übrigen dahin abgeändert, dass der Angeklagte unter Freispruch im Übrigen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 15 Fällen und wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt wird. Weiter heißt es in dem Urteilstenor:
"Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse.
Jedoch wird die Gebühr für das Berufungsverfahren um 1/7 ermäßigt.
Im Umfange der Ermäßigung fallen der Staatskasse auch die dem Angeklagten im Berufungsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zur Last."
In den Gründen des landgerichtlichen Urteils wird unter II 2. b ausgeführt:
"In der Zeit zwischen Juni und August 1997 verkaufte der Angeklagte aufgrund des vorgenannten Entschlusses dem Zeugen J.W. mindestens zehnmal in seiner Wohnung und mindestens zweimal am Markt in Kamen Mengen von 20 g bis 100 g Haschisch zum Grammpreis von 5,00 DM.
Das vom Angeklagten an die Zeugen Z. und W. verkaufte Haschisch hatte einen Wirkstoffgehalt von mindestens 2,5 g THC/100 g. "
Gegen das Urteil des Landgerichts richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision des Angeklagten, mit der er die Aufhebung des angefochtenen Urteils mit den Feststellungen und die Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer begehrt.
II. Die zulässige Revision des Angeklagten hat im ausgesprochenen Umfang Erfolg.
Entgegen der Ansicht der Revision liegt zwar kein Verfahrenshindernis, bezüglich aller 30 Taten, die Gegenstand von Ziff. 4 - 33 der Anklage sind, aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts Unna vom 15.12.1998 vor. Das Amtsgericht hat insoweit eine Verfahrenseinstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO nur wegen 15 dieser Taten beschlossen. Auf die zutreffenden Gründe des Beschlusses der Strafkammer vom 02.06.1999, denen der Senat beitritt, wird verwiesen.
Dennoch führt die Revision unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Einstellung des Verfahrens, soweit eine Verurteilung wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 12 Fällen in der Zeit zwischen Juni und August 1997 erfolgt ist.
Insoweit besteht ein Verfahrenshindernis, weil die Verurteilung des Angeklagten in diesem Umfang wegen Taten erfolgt ist, die nicht Gegenstand der zugelassenen Anklage sind.
Anklage und Eröffnungsbeschluss sind Verfahrensvoraussetzungen. Sie bestimmen Umfang und Grenzen der Verhandlung, denn Gegenstand der Urteilsverkündung ist gemäß § 264 Abs. 1 StPO allein die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung darstellt. Die Anklage ist danach maßgebend dafür, was dem Gericht zur Überprüfung und Entscheidung unterbreitet ist; der Eröffnungsbeschluss, der endgültig bestimmt, welche Taten das Gericht untersucht, kann nur solche Taten zum Gegenstand haben, die in der Anklage enthalten sind und auf die sich der Verfolgungswille der Staatsanwaltschaft bezieht (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 264 Rdnr. 7 a m.w.N.; Dahs/Dahs, Die Revision im Strafprozeß, 5. Aufl., Rdnr. 97 f m.w.N.). Das Fehlen von Anklage und/oder Eröffnungsbeschluss oder der Umstand, dass Anklage und/oder Eröffnungsbeschluss sich jedenfalls nicht auf die Tat erstrecken, die Gegenstand der Urteilsfindung gewesen ist, stellen vom Revisionsgericht stets zu prüfende absolute Verfahrenshindernisse dar (Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 264 Rdnr. 12; Dahs/Dahs, a.a.O., Rdnr. 98, je m.w.N.).
Die Berufungskammer hat den Angeklagten wegen Taten verurteilt, die er in der Zeit zwischen 6. und 8. 1997 begangen haben soll. Die Taten im 7. und 8. 1997 waren aber nicht Gegenstand der unverändert zugelassenen Anklage der Staatsanwaltschaft Dortmund vom 15.07.1998. Gegenstand der Anklage waren 30 Taten im Juni 1997. Der Tatzeitraum Juli bis August 1997 liegt aber nach dem Ende des angeklagten Tatzeitraums Juni 1997. Damit steht fest, dass die von dem Landgericht festgestellten Taten nicht mehr von Anklage und Eröffnungsbeschluss umfasst sind.
Die verbindliche Konkretisierung der den Gegenstand des Urteils bildenden Taten in zeitlicher Hinsicht in der Anklage ist hier auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil dem Angeklagten nur eine unverwechselbare Tat zur Last gelegt würde, so dass trotz festgestellter Abweichungen in der zeitlichen Einordnung dieser Tat zwischen dem Urteil der Strafkammer einerseits und der Anklage und dem Eröffnungsbeschluss andererseits ausgeschlossen wäre, dass der Angeklagte wegen einer Tat verurteilt worden ist, die nicht angeklagt war. Dem Angeklagten wurde mit der Anklage eine Vielzahl nicht näher individualisierter Taten des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln vorgeworfen. Damit war hier die genaue zeitliche Einordnung der dem Angeklagten zur Last gelegten Taten zur Bestimmung des Verfahrensgegenstandes unabdingbar. Sie ist durch die Anklage in der Weise erfolgt, dass nur Taten aus dem Zeitraum Juni 1997 Gegenstand des Verfahrens sein sollten.
Bezüglich keiner der zwischen Juni und August 1997 im angefochtenen Urteil festgestellten 12 Taten konnte der Senat mit der notwendigen Sicherheit erkennen, dass sie Gegenstand der Anklage, also im Juni 1997 begangen worden ist. Die Formulierung "In der Zeit zwischen Juni und August 1997" lässt die Möglichkeit offen, dass keine der insoweit der Verurteilung zugrundeliegenden 12 Taten im 6. 1997 begangen worden ist und somit von der Anklage umfasst war. Deshalb war es dem Senat verwehrt, das Verfahren nur hinsichtlich einzelner (nämlich im Juli und August 1997 begangener Taten) einzustellen. Vielmehr musste das festgestellte Verfahrenshindernis bezüglich des gesamten Tatkomplexes zur Einstellung des Verfahrens führen.
2. Soweit mit der Revision gerügt wird, dass bei der Einstellung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 2 StPO eine Kostenentscheidung fehlerhaft unterblieben ist, ist darauf hinzuweisen, dass die fehlende Kostenentscheidung unanfechtbar ist, weil die Hauptsacheentscheidung, nämlich die Einstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO, ihrerseits nicht der Anfechtung unterliegt, § 464 Abs. 3 S. 1, 2. Halbsatz StPO (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 464 Rdnr. 17). Unabhängig davon ist diese Angelegenheit durch die Revision nicht angefallen.
3. Dass die Strafkammer in dem angefochtenen Urteil die Kosten des Verfahrens der Staatskasse auferlegt hat, ist ersichtlich fehlerhaft. Den nachfolgenden Entscheidungen, wonach die Gebühr für das Berufungsverfahren um 1/7 ermäßigt worden ist und im Umfange der Ermäßigung der Staatskasse auch die dem Angeklagten im Berufungsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zur Last fallen, sowie aus den Gründen des angefochtenen Urteils ist jedoch zu entnehmen, dass die Kostenentscheidung lediglich irrtümlich zu Lasten der Staatskasse erfolgt ist. Der Angeklagte ist durch diese Kostenentscheidung jedenfalls nicht beschwert.
4. Auch im Übrigen lässt das angefochtene Urteil keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten, und zwar weder zum Schuldspruch noch zu den Festsetzungen der verhängten Einzelstrafen, erkennen. Insoweit war die Revision daher gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.
5. Im Hinblick auf die teilweise Einstellung des Verfahrens konnte der Gesamtstrafenausspruch keinen Bestand haben. Aus den verbleibenden vier Einzelstrafen ist vielmehr eine neue Gesamtstrafe zu bilden, die der Senat nicht selbst vornehmen kann. Insoweit war die Sache daher zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere erweiterte kleine Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen, die auch über die - nicht den eingestellten Verfahrensteil betreffenden - Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden hat.


zur Startseite "Rechtsprechung"

zum Suchformular

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".