Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss OWi 1131/98 OLG Hamm

Leitsatz: Bei der Bestimmung der Blutalkoholkonzentration kommt der dritten Dezimalen hinter dem Komma ein signifikanter Aussagewert nicht zu; sie ist außer Betracht zu lassen, und zwar sowohl für die Errechnung des Mittelwertes wie für die der Einzelwerte.

Senat: 3

Gegenstand: OWi

Stichworte: Blutalkohol, Berechnung, 3. Dezimale, Trunkenheit, Promille, Durchentscheidung, Freispruch, Trunkenheitsfahrt

Normen: StVG 24 a

Beschluss: Bußgeldsache gegen T.Y.,
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 24.03.1998 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 18.03.1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.
Der Betroffene wird freigesprochen.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen werden der Landeskasse auferlegt.

Gründe: I. Das Amtsgericht Bielefeld hat gegen den Betroffenen wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen § 24 a StVG eine Geldbuße von 500,- DM und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.
Nach den zugrundeliegenden Feststellungen suchte der Betroffene in der Nacht vom 17. zum 18.05.1997 die Discothek "Stadtpalais" in Bielefeld auf und stellte seinen PKW in der Nähe der Discothek ab. Er verließ in den frühen Morgenstunden des 18.05.1997 die Discothek und setzte sich an das Steuer seines PKW, obwohl er im Laufe des Abends und der Nacht Alkohol in nicht unbedeutender, im einzelnen nicht mehr aufzuklärender Menge konsumiert hatte.
Kurz nachdem er mit zwei Bekannten losgefahren war, geriet er in eine Polizeikontrolle. Aufgrund seines auffälligen Verhaltens veranlaßten die Polizeibeamten trotz seiner Beteuerung, keinen Alkohol getrunken zu haben, eine Blutprobe. Aufgrund des schriftlichen Sachverständigengutachtens des Dr. H. vom Chemischen Untersuchungsamt der Stadt Bielefeld vom 20.05.1997 gewann das Gericht die Überzeugung, daß der Betroffene zur Tatzeit 0,8 o/oo Alkohol im Blut oder eine Alkoholmenge im Körper hatte, die zu einer solchen Blutalkoholkonzentration führt. Das Gutachten hatte einen arithmetischen Mittelwert von 0,80 o/oo aus dem Ergebnis der gaschromatographischen Einzelwerte von 0,803 und 0,789 o/oo sowie der enzymatischen Mittelwerte von 0,804 und 0,809 o/oo errechnet.
Der Betroffene hat gegen dieses Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 24.03.1998 Rechtsbeschwerde eingelegt. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts.
II. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt auf die erhobene Sachrüge zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und zu einem Freispruch des Betroffenen.
1. Die getroffenen Feststellungen tragen nicht die Verurteilung wegen einer fahrlässig begangenen Ordnungswidrigkeit nach § 24 a Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 StVG a.F.. Der Tatbestand des § 24 a Abs. 1 StVG in der zur Tatzeit geltenden Fassung ist nicht erfüllt, wenn der Mittelwert aus den Einzelanalysen 0,8 o/oo nicht erreicht oder sich erst durch Aufrundung ergibt.
Aufgrund der sich aus dem schriftlichen Sachverständigengutachten des Chemischen Untersuchungsamtes der Stadt Bielefeld vom 20.05.1997 ergebenden Einzelwerte errechnet sich unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHSt 28, 1, (4)) nur ein arithmetischer Mittelwert von 0,79(5) o/oo.
Nach dem Gutachten des Bundesgesundheitsamtes "Alkohol bei Verkehrsstraftaten" von 1966 ist absolute Genauigkeit, d.h. Übereinstimmung des Untersuchungsergebnisses mit der wahren, der wirklichen Konzentration eines Stoffes (hier Alkohol) in einer Blutprobe mittels physikalischer Messung oder chemischer Methoden nicht erreichbar. Deshalb kann das Bestreben nur darauf gerichtet sein, eine möglichst weitgehende Annäherung des Meßergebnisses an den wahren Wert zu erreichen. Das bedeutet, die Differenz zwischen wahrem Wert und Meßergebnis - der Fehler - soll möglichst klein gehalten werden. Nach den Regeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung kommt das arithmetische Mittel aus einer Mindestzahl voneinander unabhängigen Einzelmeßwerten dem wahren Wert am nächsten (vgl. Gutachten S. 32 Nr. 5). Wurden diese Werte - wie im vorliegenden Fall - durch gaschromatographische Analyse und dem enzymatischen Verfahren ermittelt, so genügen insgesamt vier Einzelwerte (2 und 2) als Grundlage (2. Gutachten von 1977, S. 8).
Im Rahmen des § 24 a StVG kommt bei der Bestimmung der Blutalkoholkonzentration der ersten Dezimalen hinter dem Komma die entscheidende Bedeutung zu. In der forensischen Praxis wird allerdings die zweite Dezimale regelmäßig mitverwendet. Bei der Feststellung des Grenzwertes von 0,8 o/oo hat auch der Gesetzgeber - verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG, VR 1976, 600) - einen Sicherheitszuschlag von 0,15 o/oo auf den zweistelligen Gefahrengrundwert von 0,65 o/oo aufgestockt.
Wie auch der Senat bereits in einer früheren Entscheidung (OLG Hamm in NJW 76, 2309) ausgeführt hat, kommt der 3. Dezimalen ein signifikanter Aussagewert nicht zu. Dies ergibt sich auch daraus, daß die Einzelbestimmungen in der 2. Dezimalen so erhebliche Unterschiede aufweisen können, daß Schwankungsbreiten bis 0,1 o/oo zulässig sind. Deshalb hat schon die 2. Dezimale nach der allgemeinen Erfahrung einen lediglich eingeschränkten Aussage- und Sicherheitswert. Dies hat zur Folge, daß schon die 2. Dezimale im Grunde nur einen Richtwert für die 1. Dezimale darstellen kann.
Vorliegend hat das Amtsgericht entsprechend der Angaben im schriftlichen Sachverständigengutachten des Chemischen Untersuchungsamtes der Stadt Bielefeld vom 20.05.1997 unzulässigerweise die jeweils mit drei Dezimalstellen hinter dem Komma angegebenen Einzelwerte der Berechnung des arithmetischen Mittels zugrunde gelegt und errechnet nur deshalb eine Blutalkoholkonzentration von genau 0,8 o/oo und nicht nur wie bei richtiger Berechnung von 0,79(5) o/oo.
Der mit einem zweifelsfreien Wortlaut im Gesetz festgelegte Grenzwert von 0,8 o/oo ist damit nicht erreicht und darf auch entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (a.a.O.) durch Anwendung der Aufrechnungsregeln nicht erreicht werden. Dies würde auch zu einer Ausweitung des gesetzlichen Tatbestandes führen und einen Verstoß gegen das Verfassungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG darstellen.
Vorliegend kommt hier auch kein Verstoß gegen § 24 a Abs. 1 Nr. 2 StVO in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes vom 27. 4 1998 (0,5 o/oo-Grenze) in Betracht. Dieses Gesetz ist erst nach dem hier zugrundeliegenden Vorfall vom 17./18.5.1997 in Kraft getreten.
2. Der Senat hält es bei der hier gegebenen Sach- und Beweislage für ausgeschlossen, daß in einer erneuten Hauptverhandlung weitere Feststellungen getroffen werden können, die zu einer Verurteilung des Betroffenen wegen ordnungswidrigen Führen eines Kraftfahrzeuges nach Alkoholgenuß (§ 24 a StVG) führen könnte. Der Betroffene war daher freizusprechen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 1 OWiG, § 467 Abs. 1 StPO.


zur Startseite "Rechtsprechung"

zum Suchformular

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".