Aktenzeichen: 1 VAs 64/2000 OLG Hamm
Leitsatz: Zum Akteneinsichtsrecht des Betroffenen nach Abschluss des Ordnungswidrigkeitenverfahrens
Senat: 1
Gegenstand: Justizverwaltungssache
Stichworte: Akteneinsicht, Abschluss des Ordnungswidrigkeitenverfahrens; Entscheidung über Akteneinsicht, Betroffener
Normen: EGGVG 23; RiStBV 85, OWiG 62
Beschluss: Justizverwaltungssache betreffend P.O.
wegen Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Justizbehörden.
Auf die nach der Verweisung durch das Verwaltungsgericht Düsseldorf als Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach den §§ 23 ff. EGGVG anzusehende Klageschrift des Betroffenen vom 20. September 2000 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 17.05.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Die Entschließung des Ministeriums für Wirtschaft und Mittelstand, Energie und Verkehr des Landes NRW als Landeskartellbehörde vom 18. August 2000 wird aufgehoben.
Das betroffene Ministerium wird angewiesen, dem Betroffenen Einsichtnahme in die Verfahrensakte 211 Js 694/99 StA Wuppertal zu gewähren.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Betroffenen werden bei einem Gegenstandswert von 5.000,00 DM der Landeskasse auferlegt.
Gründe:
Gegen den Betroffenen war bei der Staatsanwaltschaft Wuppertal unter dem Aktenzeichen 211 Js 694/99 ein Ermittlungsverfahren wegen Bestechung und anderer Straftatbestände anhängig. Das Verfahren wurde sodann gemäß § 153 Abs. 1 StPO eingestellt und zur Verfolgung möglicher Ordnungswidrigkeiten an die Kartellbehörde abgegeben.
Bereits mit Schreiben vom 25. Oktober 1999 hatte der Betroffene über seinen Verfahrensbevollmächtigten erfolglos um Akteneinsicht gebeten. Nach Einstellung des Ordnungswidrigkeitsverfahrens durch die Kartellbehörde gemäß § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 170 Abs. 2 StPO hat der Betroffene erneut vergeblich um Akteneinsicht gebeten. Mit Entschließung vom 18. August 2000 hat das betroffene Ministerium dem Betroffenen mitgeteilt, dass seinem Antrag auf Akteneinsicht nicht entsprochen werden könne, weil das gemäß § 29 VwVfG erforderliche berechtigte Interesse an der Akteneinsicht nicht dargelegt worden sei. Dem Betroffenen wurde zugleich die Rechtsbehelfsbelehrung erteilt, dass er gegen diese Entschließung beim Verwaltungsgericht Düsseldorf Klage erheben könne.
Entsprechend dieser Rechtsmittelbelehrung hat der Betroffene daraufhin am 20. September 2000 fristgerecht Klage vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf erhoben. Das Gericht hat sodann mit Beschluss vom 15. November 2000 das Verfahren im Verwaltungsrechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit im Übrigen an das Oberlandesgericht Hamm verwiesen. Das Verwaltungsgericht ist der Auffassung, dass nach Abschluss eines Bußgeldverfahrens eine Anfechtung der Entscheidung über die Akteneinsicht nach § 23 ff. EGGVG zu überprüfen sei.
Die Verweisung an den Senat ist gemäß § 17 a Abs. 2 GVG bindend, so dass die erhobene Klage jetzt als Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 23 ff. EGGVG zu behandeln ist.
Der Antrag ist zulässig. Nach Abschluss eines Ermittlungsverfahrens - auch im Bußgeldverfahren - ist die Gewährung der Akteneinsicht ausschließlich Sache der aktenverwahrenden Behörde. Ablehnende Entscheidungen unterliegen der Nachprüfung nach §§ 23 ff. EGGVG (vgl. OLG Hamm NJW 84, S. 880; OLG Hamburg, NJW 97, 3255 m.w.N.). Das gilt unabhängig davon, ob die Einstellung im Strafverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO oder einer anderen die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens ermöglichende Vorschrift erfolgt (so wohl auch OLG Hamburg a.a.O.).
Der Zuständigkeit des Senats steht schließlich auch nicht entgegen, dass ein Betroffener gemäß § 62 OWiG gegen Anordnungen, Verfügungen und sonstige Maßnahmen, die von der Verwaltungsbehörde im Bußgeldverfahren getroffen werden, die Möglichkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung hat. § 62 OWiG ist bereits rechtstechnisch dem Vorverfahren zugeordnet und bezieht sich bereits von seinem Wortlaut her nur auf Maßnahmen, die im Bußgeldverfahren ergehen und damit nicht mehr Entschließungen betreffen, die nach Einstellung eines solchen Verfahrens ergehen. Es ist auch nicht naheliegend, in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (zu vgl. NStZ 99, 200) zu der Frage der Überprüfung der Art und Weise einer richterlich oder nicht richterlich angeordneten Durchsuchung aus Gründen der Verfahrenskonzentration das Amtsgericht mit der Entscheidung zu befassen, denn dieses hat auch im Übrigen keine Entscheidung mehr im Verfahren zu treffen, so dass der Senat zu Recht im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG zur Entscheidung berufen ist.
Der Antrag ist auch begründet. Die Kartellbehörde hat ihre ablehnende Entscheidung allein damit begründet, dass der Betroffene ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht nicht dargetan habe. Für das Akteneinsichtsrecht nach Einstellung eines Verfahrens gelten die allgemeinen in Nr. 85 RiStBV niedergelegten Grundsätze. Daraus folgt: Bei der Gewährung von Akteneinsicht für Dritte ist stets ein berechtigtes Interesse darzutun, weil nicht ohne weiteres erkennbar ist, warum die Einsichtnahme in Akten begehrt wird, von denen der Antragsteller nicht unmittelbar betroffen ist. Anders verhält es sich indes, wenn der Betroffene die Akteneinsicht in ein gegen ihn selbst gerichtetes Ermittlungsverfahren beantragt. In diesem Fall ergibt sich dieses Interesse ohne weiteres, denn es liegt auf der Hand, dass derjenige, der Kenntnis von einem gegen ihn errichteten Strafverfahren oder Bußgeldverfahren erlangt, ein Interesse daran hat, was Anlass und Hintergrund dieses Verfahrens war, auch wenn dieses inzwischen eingestellt wurde. Weiterer Darlegungen bedurfte es deshalb im vorliegenden Verfahren nicht.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 30 EGGVG, 30, 130 KostO.
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